Выбрать главу

Ausgesprochen sensibel und einhellig missbilligend reagierte hingegen der gesamte Süden, arme wie reiche Pflanzer, lediglich darauf, wenn Sklaven flüchteten – was man vielleicht nachvollziehen kann, wenn man sich vorstellt, dass das Geld in der eigenen Brieftasche Beine bekommt und einem wegläuft.

18.

Seit er keinen Boden mehr unter den Füßen spürte, hatte Nathan mehrfach das Bewusstsein verloren. Seine Peiniger hatten dann eine brennende Kerze unter seine Fußsohlen gehalten, und das Zucken seines eigenen Körpers hatte ihn wieder zu sich gebracht. Die Schmerzen des Versengtwerdens waren jedoch nur Nadelstiche gegen die Qualen, die seine unwillkürlichen Bewegungen auslösten. Der Haken, an dem er hing, drohte ihn bei lebendigem Leib zu zerreißen, ihm die Rippen, den Brustkorb, die Wirbelsäule aus dem Körper zu brechen, wie man einen Fisch entgrätet.

Nathan hatte viele Fische entgrätet, bei Tisch, und das Bild deutlich vor Augen. Nun war er der Fisch. Vorsichtig wie ein Koch oder ein Chirurg hatte Massa Bonneterre seine Haut nur ein wenig aufgeschlitzt, seine Muskeln beiseite gedrückt und dann den eisernen Haken unter seinem Rippenbogen hochgeschoben, bis er, hoch am Brustbein, zwei seiner Rippen gepackt hatte, ohne die inneren Organe zu verletzen. Ausgetreten war der Haken oberhalb dieser Rippen, als man ihn daran aufhängte. Sein eigenes Körpergewicht hatte ihn durch Muskeln und Gewebe dringen lassen und eine scheußliche Austrittswunde verursacht, die aber auch nicht so stark blutete, dass Nathan in absehbarer Zeit daran sterben würde.

Erst dann hatten sie seine Hosen heruntergezogen, höhnische Bemerkungen gemacht, und Massa Bonneterre hatte die Geschichte vom Räuber Janosik erzählt, den man auf genau diese Weise hingerichtet habe im alten Europa. Allerdings hätte Janosik, am Brustkorb aufgehängt, noch siebzehn Pfeifen Tabak geraucht, ehe er endlich gestorben wäre; so viel Zeit hätte man also, sagte Massa Bonneterre und zündete sich umständlich die erste Pfeife an.

Als Nathan immer öfter ohnmächtig wurde und auch die zuckende Flamme der Kerze ihn nicht mehr zuverlässig zum Zappeln brachte, stellten sie einen Sägebock unter seine Füße: hoch genug, damit er einen Teil seines Körpergewichts darauf abstützen konnte, aber zu schmal, um wirklich darauf zu stehen. Dieser teuflische Einfall verhinderte die Gnade weiterer Ohnmachten, und so würde es viel länger dauern, bis Nathan tot war.

»He, Nathan«, rief der junge Richard »Dick« Willoughby. »Nat! Schläfst du?«

»Nein, Sir, o nein!«, keuchte Nathan mühsam. Schweiß und Tränen strömten über sein Gesicht, als Willoughby ihm daraufhin einen leichten Stoß versetzte, der ihn am Haken pendeln ließ. Seine eigenen Schreie klangen wie ein hohes Pfeifen in seinem Kopf.

»Heult wie ein Mädchen, der Nigger!«, sagte der schmächtige Owen Cheever, den Nathan am Tag zuvor noch mit einer Hand in die Luft geworfen hätte.

»Nat! Nathan«, mischte sich scheinbar voll Sorge und Mitgefühl der ältere Willoughby, Michael, ein. »Sei kein verdammter Narr, Nat. Lass dich nicht so quälen! Sag uns, was wir wissen wollen.«

»Ich weiß nichts, gar nichts, Sir!«, schrie Nathan, aber so leise, dass es ihm selbst eher wie ein Flüstern vorkam.

Desmond Bonneterre erhob sich und trat mit Cheever und Ben Huggins hinter den Gefolterten. »Haltet ihm mal die Hände auf, Jungs!«

Nathans Hände waren auf seinem Rücken gefesselt, und er fühlte jetzt, wie seine in die Handflächen gekrallten Finger von den beiden Männern aufgebogen wurden. Dann leerte Bonneterre die Glut seiner Pfeife in Nathans Hände und drückte sie wieder zusammen.

»Siehst du, Nat«, lachte er in die Schreie des Negers hinein, »die zweite Pfeife hast du schon hinter dir.«

Nathan war ein Haussklave. Zwar konnte er weder lesen noch schreiben, aber er kannte die Uhr, und da er selbst hin und wieder eine Maispfeife rauchte, wusste er, dass er schon mindestens zwanzig Minuten so da hing. Allmählich wurde es seinen Peinigern langweilig, und Michael Willoughby, Henry Colnett und Elijah Hunter gingen zum Barbecue der alten Herren zurück, das weit weg von der Scheune, vor dem Hauptgebäude mit seinen weißen Säulen stattfand. Cheever und Huggins aber stritten darüber, wie sie die Folter verschärfen könnten.

»Man müsste ihn hin-und herschaukeln«, sagte der eine.

»Nein«, meinte der andere. »Ein Seil an seinen Schwanz binden und daran ziehen wie bei einem Hampelmann!« Sie lachten bei dieser Vorstellung, denn beide hatten die Hampelmann-Zeit noch nicht lange hinter sich, waren noch sehr jung, achtzehn. Neunzehn. Freunde des jungen Dick Willoughby, der noch immer fasziniert zuschaute, wie sein Hausdiener gequält wurde.

»Blödsinn!«, sagte der nur sechs Jahre ältere, aber deutlich erfahrenere Desmond Bonneterre. »Dann wird er nur wieder ohnmächtig. Aber man könnte ein paar von den schwarzen Weibern herholen, damit sie zuschauen.«

»Und was soll das bringen?«, fragte Cheever.

»Dieser Nigger ist zu stolz, um zu reden«, erwiderte Bonneterre. »Und Stolz hat bei den Niggern viel mit ihrer Männlichkeit zu tun. Wenn du ihn vor seinen Stuten schlecht aussehen lässt, schmerzt das so einen Hengst mehr, als wenn du ihm wehtust!«

Cheever und Huggins lachten. Vor allem die Formulierung »schlecht aussehen lassen« schüttelte sie angesichts des unter den Rippen aufgehängten Mannes vor Komik. Nur Dick Willoughby war es peinlich, dass die Sklavinnen auf der Plantage seines Vaters dann wissen würden, was er einem Mann antat, der ihm als Junge das Angeln beigebracht hatte.

»Das verbiete ich!«, sagte er. Aber der Gedanke an die Frauen hatte Bonneterre ohnehin auf eine neue Idee gebracht.

»He, Nat«, sagte er. »Was hältst du davon, wenn wir uns deine Kinder vornehmen? Zwei kleine Mädchen, nicht wahr?« Seine Augen glitzerten.

»Hörst du schlecht?«, rief Willoughby. »Das verbiete ich!«

»Dick«, entgegnete Bonneterre entwaffnend ruhig. »Willst du, dass dieser Nigger redet, oder willst du es nicht?«

»Nicht die Kinder, Sir«, hechelte Nathan in die ratlose Pause, die entstanden war. »Nicht die Kinder, bitte. Ich rede, ich …« Er verlor erneut das Gleichgewicht, und sein Körper kreiselte am Seil, das linke Bein auf dem Sägebock.

»Und wir hören, Nat«, antwortete Bonneterre mit höflicher Ironie, aber nicht wenig von seinen eigenen Fähigkeiten als »Niggerbreaker« beeindruckt. Er hatte noch jeden Sklaven kleingekriegt, zuletzt immer bekommen, was er wollte. Er gehörte einfach einer überlegenen Rasse an. Warum nur fiel es den Niggern so schwer, das einzusehen? Wieso ließen sie sich erst quälen? Sie hatten doch so offensichtlich keine Chance: hier der gebildete weiße Mann, da der Neger, der nicht lesen und schreiben konnte und sich im Grunde verhielt wie ein trotziges, rotziges Kind! Er hätte sich all das ersparen können. Obwohl das natürlich langweiliger gewesen wäre. Denn andererseits machte es Desmond Bonneterre auch Spaß, den Willen eines solchen schwarzen Viehs zu zerbrechen wie ein Streichholz. »Also?«, fragte er.

Nathan weinte; im Vorgeschmack seines Verrats, glaubten die jungen weißen Männer. Aber er wusste es besser und hatte seinen letzten verzweifelten Plan bereits gefasst. »Runter, bitte«, keuchte er. »Lassen Sie mich runter, Sir, und ich will alles sagen!«

Dagegen war nichts einzuwenden, ein vernünftiger Vorschlag. Und bei Bedarf könnte man den Sklaven ja jederzeit wieder aufhängen.