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Na ja, wir alle standen da wie eine Statue mit dem Namen »Menschen treffen Yeti«, als Freds sich entschloß, das Eis zu brechen; er trat vor und reichte dem Burschen die Hand. »Namaste!« sagte er.

»Nein, nein …« Nathan drängte sich an ihm vorbei und streckte das Halsband mit den fossilen Muscheln aus, das er im Frühjahr bekommen hatte.

»Ist das derselbe?« krächzte ich, kurzzeitig etwas verwirrt. Denn bis sich diese Badezimmertür geöffnet hatte, hatte ein Teil von mir eigentlich nicht daran geglaubt.

»Ich glaube schon.«

Der Yeti bewegte sich und ergriff das Halsband und Nathans Hand. Erneut Statuenzeit. Dann trat der Yeti vor und berührte Nathans Gesicht mit seiner langen, pelzigen Hand. Er pfiff leise. Nathan zitterte; in Sarahs Augen standen Tränen. Ich selbst war auch beeindruckt. »Er sieht aus wie ein Buddha, meint ihr nicht auch?« sagte Freds. »Er hat nicht den Bauch dafür, aber diese Augen, Mann. Buddha in Reinkultur.«

Wir machten uns an die Arbeit. Ich öffnete meine Tragetasche und holte einen weiten Overall heraus, ein gelbes T-Shirt mit dem Aufdruck »Befreit Tibet!« und einen großen Anorak. Nathan zog sein Hemd aus und wieder an, um dem Yeti zu zeigen, was wir vorhatten.

Langsam, vorsichtig, sanft, mit vielen leise gesprochenen Worten und behutsamen Gesten, brachten wir den Yeti dazu, das Zeug anzuziehen. Das T-Shirt stellte uns vor die größten Schwierigkeiten: er zappelte etwas, als wir es ihm über den Kopf zogen. Der Anorak hatte zum Glück einen Reißverschluß. Bei jeder Bewegung, die ich machte, sagte ich: »Namaste, gesegneter Herr, namaste.«

Die Hände und Füße waren ein Problem. Seine Hände waren seltsam, die Finger waren knochig und fast doppelt so lang wie meine und auch ziemlich haarig; aber mitten am Tag in Katmandu Fäustlinge zu tragen, war fast noch schlimmer. Ich schob die Entscheidung hinaus und wandte mich seinen Füßen zu. Hier entsprach die Zeichnung für die Touristen einigermaßen der Wirklichkeit: seine Füße waren groß, fellbewachsen und fast viereckig. Sein großer Zeh ähnelte einem fetten Daumen. Die Stiefel, die ich mitgebracht hatte, die größten, die ich in der Eile finden konnte, waren viel zu klein. Schließlich zog ich ihm tibetanische Wollsocken und Birkenstock-Sandalen an, bei denen ich mit einem Taschenmesser herumgefuhrwerkt hatte, damit die großen Zehen über die Seiten hinaushängen konnten.

Schließlich setzte ich ihm noch meine blaue Dodgers-Mütze auf den Kopf. Reflektierende Sonnenbrillen mit breiten Bügeln erledigten den Rest. »He, toll«, bemerkte Freds. Dazu noch ein Sherpa-Halsband, bestehend aus fünf Korallenstücken und drei großen Brocken ungeschliffenem Türkis, aufgereiht an einer schwarzen Schnur. Das Ablenkungsprinzip, Sie verstehen.

Während ich den Yeti verkleidete, durchwühlten Sarah und Nathan die Schubladen und das Gepäck und sammelten alle Filme, Notizbücher und alles andere ein, was Beweise für die Existenz des Yetis enthalten mochte. Und die ganze Zeit über stand der Yeti ruhig und aufmerksam da: Er beobachtete Nathan, steckte die Hand in einen Ärmel wie ein Millionär bei seinem Kammerdiener, trat vorsichtig in die Birkenstocks, schob den Schirm der Baseballmütze zurecht und so weiter. Ich war wirklich beeindruckt, und Freds ebenfalls. »Er ähnelt wirklich einem Buddha, nicht wahr?« Die körperliche Ähnlichkeit war im Augenblick wohl nicht gegeben, doch sein Verhalten hätte nicht ausgeglichener sein können, wenn er der Gautama persönlich gewesen wäre.

Als Nathan und Sarah mit ihrer Suche fertig waren, betrachteten sie unser Werk. »Mein Gott, sieht der unheimlich aus«, sagte Sarah.

Nathan setzte sich einfach aufs Bett und legte den Kopf in die Hände. »Es wird nie funktionieren!« sagte er. »Nie!«

»Sicher wird es das!« rief Freds und zog den Reißverschluß des Anoraks noch etwas höher. »Auf der Freak Street sieht man solche Typen ständig! Mann, als ich noch auf der Schule war, sah unser ganzes Football-Team genauso aus wie er! In meinem Staat könnte er ohne weiteres als Senator kandidieren …«

»Hört, hört«, sagte ich. »Wir haben keine Zeit zu verschwenden. Gebt mir die Schere und die Bürste, ich muß noch sein Haar machen.« Ich versuchte mit wenig Erfolg, es über die Ohren zurückzukämmen, und schnippelte hinten dann etwas herum. Nur ein kurzes Stück, dachte ich, nur die paar Meter bis zu dem Taxi. Und in ziemlich dunklen Gängen. »Ist es auf beiden Seiten gleichmäßig?«

»Um Gottes willen, George, gehen wir endlich!« Nathan wurde etwas zapplig. Wir sammelten unsere Besitztümer ein, packten die Taschen zusammen und zerrten den alten Buddha auf den Gang.

9

Ich war schon immer stolz auf mein Gefühl für das richtige Timing. Oft war ich selbst überrascht, wie genau ich es hinbekam, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein; diese Fähigkeit übersteigt jede bewußte Berechnung und hat etwas zu tun mit einer tiefen mystischen Verständigung mit den kosmischen Zyklen und so. Aber scheinbar arbeitete ich bei dieser Sache mit Menschen zusammen, deren Gefühl für das richtige Timing so kosmisch schrecklich war, daß meins völlig unterging. Das ist die einzige Erklärung, die ich dafür habe.

Denn da waren wir, begleiteten einen Yeti durch einen Gang des Everest Sheraton International und gingen ganz gemächlich daher, der Yeti krummbeinig — ziemlich krummbeinig, aber ansonsten einigermaßen normal. Eine ganz gewöhnliche Touristengruppe in Nepal. Wir entschieden uns, die Treppe zu nehmen, um ein eventuelles Gedränge im Fahrstuhl von vornherein zu vermeiden, und traten durch die Schwingtüren ins Treppenhaus. Und da kamen Jimmy Carter, Rosalynn Carter und fünf Jungs vom Secret Service die Treppe zu uns hinab.

»Mann!« rief Freds aus. »Ich will verdammt sein, wenn das nicht Jimmy Carter ist! Und auch Rosalynn!«

Das war wohl die beste Möglichkeit, die Situation auszubaden; Freds gab sich einfach ganz natürlich. Ich weiß nicht, ob die Carters zu einem Ausflug aufbrachen oder tatsächlich an meinem Empfang teilnehmen wollten; sollte das letztere zutreffen, war mein Einfall, sie ebenfalls einzuladen, wirklich nicht besonders gut gewesen. Auf jeden Fall kamen sie die Treppe runter und blieben dann auf dem Absatz stehen. Wir blieben auf dem Absatz stehen. Die Jungs vom Geheimdienst hielten uns genau im Auge und blieben auf dem Absatz stehen.

Was nun? Jimmy schenkte uns sein berühmtes Lächeln, und es hätte genauso gut das Titelbild des Tiwe-Magazines schmücken können, so ein vertrauter Anblick war es. Nein, doch nicht ganz. Nicht genauso. Sein Gesicht war natürlich älter geworden, und es erweckte den Anschein, als habe er gerade eine ernsthafte Krankheit oder eine große Naturkatastrophe überstanden. Es sah aus, als sei er durchs Feuer gegangen und sei in die Welt zurückgekehrt und wisse nun besser als die meisten Menschen, was es mit dem Feuer auf sich hat. Es war ein gutes Gesicht, es zeigte, was ein Mensch alles aushalten kann. Und er war ganz entspannt; diese Art von Unterbrechung gehörte zu seinem täglichen Leben, war Teil des Jobs, zu dem er sich neun Jahre vorher freiwillig gemeldet hatte.

Ich war alles andere als entspannt. Und als die Jungs vom Geheimdienst dann Buddha mit ihren undeutbaren scharfen Blicken musterten, fühlte ich, wie mein Herz stehenblieb, und mußte meinem Oberkörper einen kleinen Ruck geben, damit es weiterschlug. Nathan hatte schon in dem Augenblick, da er Carter sah, das Atmen eingestellt, und nun wurde er über der scharfen Linie seines Bartes ganz blaß. Es wurde noch schlimmer, als Freds vorwärtstrat und eine Hand ausstreckte. »Hallo, Mr. Carter, namaste! Schön, Sie kennenzulernen.«