Und die Hügel! Bis dahin kam ich ganz gut zurecht; ich winkte, um die Menge zu verscheuchen, und betätigte meine Klingel, bis ich einen Daumenkrampf bekam. Abei dann schüttelte Buddha meinen Arm, und ich schaute zurück und sah, daß Adrakian irgendwie an Freds vorbei gekommen war und sich ein anderes Taxi genommen hatte Er war uns wieder auf der Spur, kam im Augenblick aber nicht an einem farbenprächtig angestrichenen Bus vorbei Und dann strampelten wir den ersten von drei ziemlich steilen Hügeln hinauf, die die Dilli Bazar überwinden muß bevor sie die Stadtmitte erreicht.
Hero Jets sind nicht für Hügel geschaffen. Die Einheimischen klettern bei solchen Steigungen von ihren Rädern und schieben sie, und nur Europäer oder Amerikaner, die es sogar in Nepal noch eilig haben, bleiben auf ihnen sitzen und schinden sich den Hang hinauf. Ich gehörte an diesem Tag ganz bestimmt dazu und erhob mich und trat kräftig in die Pedale. Aber ich kam nur mühsam voran, besonders nachdem ich bremsen und stehenbleiben mußte, um nicht einen alten Mann zu überfahren, der sich in der Nase bohrte. Adrakians Taxi hatte unter einer Explosion von Gehupe den Bus überholt und kam schnell näher. Ich setzte mich keuchend und ächzend wieder auf den Sitz; meine Beine fühlten sich wie große Holzklötze an, und es sah ganz danach aus, daß ich eine diplomatische Lösung für das Problem finden mußte, als plötzlich meine Füße von den Pedalen getreten wurden; wir machten einen Satz vorwärts und verfehlten nur knapp ein Peditaxi.
Buddha hatte übernommen. Er hielt steh mit beiden Händen am Sitz fest und trat von hinten in die Pedale. Ich hatte schon gesehen, wie große Europäer auf diese Art auf ihren gemieteten Fahrrädern fuhren, um nicht bei jedem Aufschwung mit den Knien gegen die Lenkstange zu donnern. Aber man bekommt von da hinten nicht viel Schub, und ich hatte noch nie gesehen, wie jemand so bergauf fuhr. Aber für Buddha war das kein Problem. Ich will damit sagen, dieser Bursche war verdammt stark. Er strampelte so heftig drauflos, daß der arme Hero Jet unter der Beanspruchung ächzte, und wir schossen den Hügel hinauf und flogen auf der anderen Seite wieder hinab, als seien wir auf ein Motorrad umgestiegen.
Ein Motorrad ohne Bremsen, wie ich hinzufügen sollte. Buddha schien mit der Wirkungsweise der Fußbremse nicht vertraut zu sein, und ich versuchte es ein- oder zweimal mit der Handbremse und stellte dabei lediglich fest, daß sie wie ein Schweinchen quiekte und unsere Stabilität etwas verringerte. Als wir also die Dilli Bazar hinabrasten, konnte ich nur die Füße auf das Gestell legen und Hindernissen ausweichen, wie in einem dieser Rennrad-Videospiele. Ich drückte auf Teufel komm raus auf die Klingel und schloß gelegentlich die Augen, während wir auf der rechten Spur entgegenkommendem Verkehr auswichen (hier herrscht Linksverkehr). Aus den Augenwinkeln sah ich, wie uns Fußgänger anglotzten, als wir an ihnen vorbeirasten; dann fuhren wir durch eine Kurve, und die Straße wurde frei, und ich sah, daß wir uns der ›Verkehrsingenieur-Kreuzung‹ näherten, normalerweise eine meiner Lieblingskreuzungen. Hier kreuzt die Dilli Bazar eine andere Hauptverkehrsstraße, und zur Verkehrsregelung hat man vier Ampeln angebracht, die alle vier vierundzwanzig Stunden am Tag grün zeigen.
Diesmal diente eine Kuh als Verkehrspolizist. Ich rief »Bistarre!« (Langsam), aber Buddhas Vokabular war anscheinend auf »Namaste« beschränkt, und er strampelte unverdrossen weiter. Ich fluchte, drückte die Handbremse hinab, kauerte mich über die Lenkstange und klingelte.
Wir schossen durch die Lücke zwischen einem schnell fahrenden Taxi und der Verkehrskuh — an jeder Seite blieben zehn Zentimeter Platz — und hatten die Kreuzung hinter uns gelassen, bevor ich auch nur blinzeln konnte. Kein Problem. Das nenne ich Timing.
Danach kam es nur noch auf geschickte Navigation an. Ich bog entgegengesetzt der Fahrtrichtung in den Einbahnstraßen- Abschnitt der Durbar Marg ein, um unsere Fahrt zu verkürzen und Verfolger endgültig abzuschütteln, und nachdem wir das überlebt hatten, war es kein Problem, auch den Rest des Weges nach Thamel zu schaffen.
Als wir uns Thamel näherten, passierten wir das Gelände des Königlichen Palastes; wie ich schon erwähnt habe, sind die großen Bäume Tag und Nacht von riesigen braunen Fledermäusen besetzt, die mit dem Kopf nach unten an den kahlen oberen Ästen hängen. Als wir am Palast vorbeifuhren, müssen diese Fledermäuse den Geruch des Yetis erfaßt haben, denn plötzlich löste sich die ganze Schar von den Ästen, und sie quiekten wie meine Handbremse und flatterten wie hundert kleine Draculas mit den großen braunhäutigen Schwingen. Buddha fuhr langsamer, um den Anblick zu betrachten, und alle anderen auf der Straße, sogar die Kuh an der Ecke, blieben stehen und sahen ebenfalls nach oben, um die Wolke aus Fledermäusen zu beobachten, die den Himmel erfüllte.
In Augenblicken wie diesen liebe ich Katmandu einfach.
In Thamel fielen wir nicht weiter auf. Eine bemerkenswerte Anzahl Menschen auf den Straßen ähnelte Buddha beträchtlich — so sehr, daß mich die Vorstellung überkam, die Stadt könne insgeheim von verkleideten Yeti unterwandert sein. Ich schrieb diese Vorstellung der Hysterie zu, die die Verkehrsingenieur- Kreuzung bei mir ausgelöst hatte, und lenkte unseren Hero Jet auf den Hof des Hotels Star. Dann umgaben uns Mauern, und Buddha hörte auf zu strampeln. Wir stiegen ab, und ich führte ihn zitternd nach oben auf mein Zimmer.
10
Na also. Wir hatten den gefangenen Yeti befreit. Obwohl ich, als ich uns beide in meinem Zimmer einschloß, eingestehen mußte, daß er nur zum Teil frei war. Ihn völlig zu befreien, ihn in seine heimatlichen Gefilde zurückzubringen, könnte sich als Problem erweisen. Ich wußte noch immer nicht genau, wo er zu Hause war, aber in Katmandu gibt es keine Mietwagen, und die Busse sind immer, ganz gleich, wohin es geht, vollgestopft, und eine Busfahrt würde auch viel zu lange dauern. Würde Buddha es zehn Stunden in einem überfüllten Bus aushalten können? Naja, so, wie ich ihn einschätzte, wahrscheinlich. Aber würde auch seine Verkleidung halten? Das bezweifelte ich.
Außerdem war da noch die Sache mit Adrakian und dem Secret Service. Ich hatte keine Ahnung, was mit Nathan und Sarah und Freds passiert war, und machte mir um sie Sorgen, besonders um Nathan und Sarah. Wenn sie doch endlich kämen! Nun, da wir hier und außer Gefahr waren, kam ich mir mit meinem Gast ein wenig unbehaglich vor; mit ihm darin wirkte mein Zimmer schrecklich klein.
Ich ging ins Badezimmer und pinkelte. Buddha kam rein und beobachtete mich, und als ich fertig war, fand er die richtigen Knöpfe an seinem Overall und folgte meinem Beispiel! Der Bursche war erstaunlich clever! Und noch etwas … Ich weiß nicht, ob ich das hier erwähnen soll, aber in der Hominiden- versus-Primaten-Debatte wird behauptet, daß die Genitalien der meisten männlichen Primaten ziemlich klein sind, und daß die Menschen, was die Größe betrifft, bei weitem die Champions sind. Wie schön für uns. Aber Buddha war, wie ich festzustellen nicht umhin konnte, eher auf der menschlichen Seite der Meßskala. In der Tat, die Beweise häuften sich. Der Yeti war ein Hominide, und darüber hinaus ein hochintelligenter Hominide. Buddhas schnelle Auffassungsfähigkeit, seine rasche Anpassung an sich verändernde Situationen, das Wiedererkennen von Freunden und Feinden, seine Gelassenheit, all das deutete auf eine Intelligenz erster Ordnung hin.