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Das ergab natürlich Sinn. Wie sonst hätten sie so lange im Verborgenen bleiben können? Sie mußten von Generation zu Generation ihren Jungen alle Tricks beigebracht haben; verliert keine Werkzeuge oder Artefakte, wohnt nur in den unzugänglichsten Höhlen, meidet alle menschlichen Siedlungen, begrabt eure Toten …

Dann mußte ich mich aber doch wundern. Wenn die Yetis so clever und geschickt darin waren, sich zu verbergen … wieso saß Buddha denn hier in meinem Zimmer? Was war schiefgegangen? Warum hatte er sich Nathan gezeigt, und wie war es Adrakian gelungen, ihn gefangenzunehmen?

Ich spekulierte schließlich darüber, ob auch bei den Yetis vielleicht Geisteskrankheiten auftraten, ein Gedankengang, der mich noch begieriger auf Nathans Eintreffen warten ließ. Nathan war in manchen Situationen keine große Hilfe, aber der Mann hatte eine Beziehung zu dem Yeti gefunden, die ich leider nicht hatte.

Buddha lag auf dem Bett; er hatte die Knie angezogen und musterte mich aufmerksam. Ich hatte ihm nach unserer Ankunft die Sonnenbrille abgenommen, aber er trug noch die Dodgers- Mütze. Er sah mich wachsam, neugierig und verwirrt an. Was jetzt? schien er zu sagen. Irgend etwas in seinem Ausdruck, etwas an der Art, wie er sich mit alledem abfand, war sowohl tapfer als auch rührend — er hatte mein vollstes Mitgefühl. »Kopf hoch, Junge. Wir bringen dich schon wieder zurück. Namaste.«

Er bildete mit seinen Lippen Worte.

Vielleicht war er hungrig. Was gibt man einem hungrigen Yeti? War er ein Pflanzen- oder Fleischfresser? Ich hatte nicht viel vorrätig; ein paar Packungen Hühnersuppe mit Curry, ein paar Süßigkeiten (war Zucker schlecht für ihn?), in Streifen geschnittenes und an der Sonne getrocknetes Rindfleisch; ja, das wäre eine Möglichkeit. Dann noch Nebico-Malzbisquits, kleine, waffelähnliche Plätzchen, in Indien hergestellt, die einen Hauptbestandteil meiner Verpflegung bildeten … Ich öffnete eine Packung und bot ihm auch das getrocknete Rindfleisch an.

Er setzte sich auf dem Bett zurück und schlug die Beine übereinander. Dann tappte er auf das Bett, als wolle er mich zu sich rufen. Ich setzte mich neben ihn. Er nahm einen Streifen Rindfleisch in die langen Finger, roch daran und steckte es zwischen seine Zehen. Ich ging mit gutem Beispiel voran und aß meinen Streifen. Er sah mich an, als hätte ich gerade beim Salat die falsche Gabel genommen. Er begann mit einer Nebico-Waffel und kaute langsam darauf. Ich stellte fest, daß ich hungrig war, und glaubte an seinen großen Augen zu erkennen, daß es ihm nicht anders ging. Aber er blieb gelassen; er ließ mich wissen, daß es galt, eine bestimmte Verfahrensweise zu befolgen. Er nahm die Waffeln vorsichtig in die Hand, schnüffelte an ihnen und aß sie sehr langsam; nahm dann den Streifen Rindfleisch zwischen seinen Zehen und biß ihn halb ab; schaute sich um — oder sah mich an — und kaute sehr bedächtig. So ruhig, so friedlich war er! Ich kam zum Schluß, daß die Süßigkeiten keinen Schaden anrichten konnten, und bot ihm die Tüte Gummibärchen an. Er probierte eins und runzelte die Stirn; dann nahm er eins von derselben Farbe (grün) aus dem Beutel und gab es mir.

Ziemlich bald hatten wir alle Vorräte, die ich besaß, auf dem Bett zwischen uns ausgebreitet und probierten zuerst das eine und dann das andere, schweigend, langsam und ernst, als führten wir ein heiliges Ritual durch. Und wissen Sie was — nach einer Weile kam ich mir vor, als würde es sich genau darum handeln.

11

Etwa eine Stunde nach unserer Mahlzeit trafen gleichzeitig Nathan, Sarah und Freds ein. »Ihr seid hier!« riefen sie. »Toll, George! Hervorragend!«

»Dank Buddha«, sagte ich. »Er hat uns hierher gebracht.« Nathan und Buddha vollzogen ein kleines Ritual mit der fossilen Muschelkette. Freds und Sarah erzählten mir die Geschichte ihrer Abenteuer. Sarah hatte versucht, Adrakian festzuhalten, der sich jedoch losriß und uns verfolgte, und dann mit Valerie Budge, die mit Fitzgerald zurückgeblieben war, Hiebe und Vorwürfe gewechselt. »Es war eine Freude, ihr eins zu verpassen, sie ist seit Monaten schon hinter Phil her — nicht, daß es mir jetzt natürlich noch etwas ausmachen würde«, fügte Sarah schnell hinzu, als Nathan sie beäugte. Auf jeden Fall hatte sie Budge, Fitzgerald und Adrakian gestoßen und zurückgedrängt und beschimpft, und als sie damit fertig war, hatte niemand im Sheraton die geringste Ahnung, was überhaupt vor sich ging. Ein paar Geheimdienst- Männer waren Adrakian gefolgt; die anderen beschränkten sich darauf, die Carters abzuschirmen, die natürlich von beiden Seiten gebeten wurden, über das Wesentliche des Falls zu urteilen. Natürlich zögerten die Carters, unsicher, wie sie waren, um was für einen Fall es sich überhaupt handelte. Fitzgerald und die Budge wollten nicht mit der Wahrheit raus und erklären, man habe ihnen einen Yeti gestohlen, und so steckten sie natürlich ganz schön in der Klemme; und als Freds zurückkam, um zu sehen, was dort los war, hatten Nathan und Sarah bereits ein Taxi bestellt. »Ich glaube, die Carters waren schließlich auf unserer Seite«, sagte Sarah mit Befriedigung.

»Alles gut und schön«, fügte Freds hinzu, »aber da hatte ich den alten Jimmy direkt vor mir und keinen Yeti mehr, wegen dem ich höflich sein mußte, und verdammt, ich hatte mit diesem Burschen noch ein Hühnchen zu rupfen! Ich war 1980 in San Diego, und etwa gegen sechs Uhr am Wahltag gingen ich und ein paar Freunde zur Wahl, und ich redete heftig auf sie ein, daß wir für Carter und nicht für Anderson stimmen sollten, weil Anderson nur eine Geste sein würde, wohingegen ich glaubte, daß Carter noch eine Chance auf den Sieg hatte, da ich nichts von Umfragen halte. Ich machte wirklich Dampf und überzeugte jeden, wahrscheinlich der Höhepunkt meiner politischen Karriere, und als wir dann nach Hause gingen und den Fernseher einschalteten, stellten wir fest, daß Carter die Wahl bereits vor ein paar Stunden für verloren erklärt hatte! Meine Freunde waren wahnsinnig sauer auf mich! John Drummond warf sein Bier nach mir und traf mich hier am Kopf. Sie haben mich echt naß gemacht. Also hatte ich noch ein Hühnchen mit dem alten Jimmy zu rupfen und wollte mich schon an ihn ranmachen und ihn fragen, warum er das damals getan hatte. Aber er wirkte von dem ganzen Tumult so verwirrt, daß ich es dann doch nicht getan habe.«

»In Wahrheit habe ich ihn davongeschleppt, bevor er Carter anmachen konnte«, sagte Sarah.

Nathan brachte uns wieder zu dem eigentlichen Problem zurück. »Wir müssen noch immer den Yeti aus Katmandu schaffen, und Adrakian weiß, daß wir ihn haben — er wird nach uns suchen. Aber wie sollen wir das machen?«

»Ich habe einen Plan«, sagte ich. Denn nach meiner Mahlzeit mit Buddha hatte ich nachgedacht. »Wo ist Buddha zu Hause? Ich muß es wissen.«

Nathan sagte es mir.

Ich sah auf den Karten nach. Buddhas Tal lag ganz in der Nähe der kleinen Flugpiste von J–. Ich nickte. »Also schön, wir machen es folgendermaßen…«

12

Ich verbrachte den größten Teil des nächsten Tages hinter Spiegelglas, in der großen Hauptgeschäftsstelle der Royal Nepal Airline Corporation, und besorgte vier Tickets für den Flug am darauffolgenden Tag nach J–. Harte Arbeit, obwohl das Flugzeug nicht einmal annähernd ausgebucht war. J– lag an keinen Trekking-Routen und war kein besonders beliebtes Ziel. Doch das hat bei der RNAC gar nichts zu bedeuten. Ihre Aufgabe als Firma ist es nicht so sehr, Leute irgendwo hinzufliegen, sondern Listen zu erstellen. Wartelisten. Ich würde das ihren Geheimauftrag nennen, nur ist er nicht geheim.

Geduld, Hartnäckigkeit und eine Menge Bakschisch sind die Schlüssel, mit denen man von den Listen tatsächlich in den Besitz eines Tickets gelangt. Mir gelang es, und auch noch an einem einzigen Tag. Also war ich sehr zufrieden, rief jedoch meinen Freund Bill an, der in einem der Reisebüros der Stadt arbeitet, um einen kleinen Ersatzplan auszuarbeiten. Er hat eine Menge Erfahrung mit der RNAC und ist also verdammt gut bei Ersatzplänen. Dann vervollständigte ich meine Einkaufsliste bei meinem bevorzugten Bergsteigerausrüster in Thamel. Die Besitzerin, eine Tibetanerin, legte ihre Ausgabe von The Far Pavilions beiseite, unterbrach ihr Armaerobic und besorgte mir alle Kleidungsstücke, die ich verlangte, sogar in den richtigen Farben. Lediglich eine zweite Dodgers-Mütze hatte sie nicht auf Lager, doch ich bekam statt dessen eine dunkelblaue ›ATOM‹-Baseballmütze.