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Dann erhaschte eine Bewegung auf der anderen Seite des Teiches meine Aufmerksamkeit, dort im Schatten zweier knorriger Eichen. Ich erstarrte, obwohl ich auf freier Fläche stand und jeder mich sehen konnte. Dort unter einer der Eichen, in dunklen Schatten im Sonnenlicht, beobachtete mich ein Augenpaar. Es befand sich etwa auf gleicher Höhe wie das meine. Ich befürchtete, es könne ein Bär sein, und unterzog im Geiste die Bäume hinter mir einer Überprüfung, ob man sie erklettern konnte, als sich die Augen erneut bewegten — sie blinzelten. Und dann sah ich, daß um die Iris das Weiße sichtbar war. Ein Dörfler auf Jagd? Wohl kaum. Mein Herz begann in meiner Brust zu hämmern, und ich mußte unwillkürlich schlucken. Da in den Schatten war doch ein Gesicht? Ein bärtiges Gesicht?

Natürlich hatte ich eine Vorstellung, womit ich gerade einen Blick wechseln mußte. Der Yeti, der Bergmensch, das schwer faßbare Geschöpf des Schnees. Der scheußliche Schneemensch, um Gottes willen! Mein Herz hatte nie schneller geschlagen. Was sollte ich tun? Das Weiß seiner Augen … Paviane haben weiße Augenlider, die sie schließen, um zu drohen, und wenn man sie direkt ansieht, sehen sie das Weiße der Augen und glauben, man würde sie bedrohen; die entfernte Möglichkeit berücksichtigend, daß dieses Wesen ein ähnliches Verhaltensmuster hatte, senkte ich den Kopf und betrachtete es indirekt. Ich schwöre, es schien mein Nicken zu erwidern.

Dann blinzelte ich erneut, nur, daß die Augen diesmal nicht darauf reagierten. Das bärtige Gesicht war verschwunden. Ich atmete wieder, lauschte so angestrengt ich konnte, hörte jedoch nichts bis auf das Murmeln des Baches.

Nach zwei oder drei Minuten überquerte ich den Bach und sah mir den Boden unter der Eiche an. Er war moosbewachsen, und auf einigen Teilen des Mooses hatte etwas gestanden, das mindestens so schwer sein mußte wie ich; aber eindeutige Spuren fand ich natürlich nicht. Und auch nicht in einigem Umkreis um die Eiche.

Ich marschierte benommen zum Lager zurück; ich nahm kaum etwas wahr und fuhr bei jedem Geräusch zusammen. Du kannst Dir vorstellen, wie ich mich fühlte … nach so einem Erlebnis!

Und an demselben Abend, als ich versuchte, still meinen Eintopf zu essen und nichts von dem verlauten zu lassen, was geschehen war, richtete sich die Unterhaltung der Gruppe auf das Thema Yeti. Ich ließ fast die Gabel fallen. Es war wieder Adrakian — ihn ärgerte die Tatsache, daß er trotz der zahlreichen Spuren in dieser Gegend bislang nur ein paar Eichhörnchen und in einiger Ferne einen oder zwei Affen gesehen hatte. Natürlich hätte es geholfen, wenn er die eine oder andere Nacht mal in dem Tarnverschlag zugebracht hätte. Auf jeden Fall wollte er ein Thema zur Sprache bringen, bei dem er im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand und als der Experte die Bühne für sich beanspruchen konnte. »Ihr wißt ja, daß diese Hochtäler der eigentliche Lebensraum des Yetis sind«, erklärte er prosaisch.

Dabei wäre mir fast die Gabel aus der Hand gefallen. »Es muß natürlich als beinahe sicher gelten, daß es sie gibt«, fuhr Adrakian mit einem komischen Lächeln fort.

»Ach, Philip«, sagte Sarah. Sie sagte das dieser Tage ziemlich oft zu ihm, was mich nicht im geringsten störte.

»Es stimmt.« Dann führte er die Indizien an, die wir natürlich alle kannten: die Spuren im Schnee, die Eric Shipton fotografiert hatte, die Argumente, mit denen George Schaller die Idee unterstützt hatte, die Fußabdrücke, die Cronins Expedition gefunden hatte, die zahlreichen anderen Hinweise… »Wie wir nun aus erster Hand wissen, gibt es hier Tausende Quadratkilometer undurchdringlicher Gebirgs wildnis.«

Natürlich mußte er mich nicht mehr überzeugen. Und die anderen waren vollauf bereit, die Vorstellung in Betracht zu ziehen. »Wäre es nicht toll, wenn wir einen fänden!« sagte Valerie. »Wir machen ein paar Fotos …«

»Oder wenn wir eine Leiche fänden«, sagte John. Botaniker denken in Begriffen immobiler Objekte.

Phil nickte langsam. »Oder wenn wir einen lebendig gefangennehmen könnten …«

»Wir würden berühmt«, sagte Valerie.

Theoretiker. Vielleicht werden sogar ihre Namen lateinisiert und Bestandteil der Bezeichnung der neuen Spezies. Gorilla montani adrakianias-budgeon.

Ich konnte einfach nicht anders; ich mußte das Wort ergreifen. »Wenn wir eindeutige Beweise für die Existenz des Yetis fänden, wäre es unsere Pflicht, sie beiseite zu schaffen und zu vergessen«, sagte ich, vielleicht eine Spur zu laut.

Alle starrten mich an. »Warum denn das?« fragte Valerie.

»Um des Yetis willen, natürlich«, sagte ich. »Als Tierverhaltensforscher liegt euch doch wahrscheinlich etwas am Wohlergehen der Tiere, die ihr studiert, oder? Und der Ökosphären, in denen sie leben? Doch wenn die Existenz des Yetis bestätigt würde, wäre es für beide katastrophal. Es würde eine Invasion von Expeditionen geben, Touristen, Wilderer … Yetis in Zoos, in Käfigen der Primatenzentren, in Laboratorien unter dem Messer, ausgestopft in Museen …« Ich erregte mich zusehends. »Ich meine, was für einen wirklichen Wert haben Yetis überhaupt für uns?« Sie starrten mich nur an: Wert? »Ihr Wert liegt in der Tatsache, daß sie unbekannt sind, außerhalb der Wissenschaft stehen. Sie sind Teil der Wildnis, die wir nicht berühren können.«

»Ich verstehe, was Nathan meint«, sagte Sarah in das darauffolgende Schweigen, mit einem Blick, der dazu führte, daß ich den Faden verlor. Ihre Zustimmung war mir viel, viel wichtiger, als ich erwartet hätte …

Die anderen schüttelten die Köpfe. »Eine nette Einstellung«, sagte Valerie. »Aber unsere Studien würden weder die Ökosphäre noch die Spezies besonders gefährden. Und denke nur einmal darüber nach, wie sie unser Wissen über die Entwicklung der Primaten vergrößern würden!«

»Der Fund eines Yetis wäre ein wichtiger Beitrag für die Wissenschaft«, sagte Phil mit einem Blick auf Sarah. Und er war wirklich dieser Meinung; das muß ich ihm lassen.

»Und er würde unsere Chancen auf eine Professur auch nicht schaden«, sagte Armaat verschlagen.

»Das auch«, gestand Phil ein. »Aber in Wirklichkeit kommt es darauf an, daß man der Wahrheit verpflichtet ist. Wenn wir einen Yeti fänden, wären wir gezwungen, es publik zu machen, weil dem nun einmal so war — ganz gleich, was wir darüber denken. Ansonsten würden wir Fakten unterdrücken und manipulieren und so weiter.«

Ich schüttelte den Kopf. »Es gibt Werte, die wichtiger sind als wissenschaftliche Integrität.«

Und das Gespräch schlug nun diese Wendung ein und beschränkte sich hauptsächlich darauf, die unterschiedlichen Ansichten zu wiederholen. »Du bist ein Idealist«, sagte Phil einmal zu mir. »Man kann keine Zoologie betreiben, ohne die Versuchstiere bis zu einem gewissen Grad zu stören.«

»Vielleicht bin ich deshalb ausgestiegen«, sagte ich. Und mußte mich davon abhalten, fortzufahren. Wie konnte ich sagen, daß er bis hin zu dem Punkt, wo er alles tun würde, um sich eine Reputation zu verschaffen, von dem gewaltigen Druck in diesem Beruf korrumpiert wurde, ohne dem Streitgespräch eine häßliche Wendung zu geben? Unmöglich. Und Sarah würde mit mir an den Pranger gestellt werden. Ich seufzte lediglich. »Was ist mit den Versuchsobjekten?«

»Man würde sie betäuben, studieren und in ihre angestammte Umgebung zurückbringen«, sagte Valerie ungehalten. »Und vielleicht eins in Gefangenschaft halten, wo es ein viel angenehmeres Leben führen würde als in der Wildnis.«

Völlig korrumpiert. Selbst die Botaniker schauten bei dieser Behauptung unbehaglich drein.

»Wir müssen uns wohl keine Sorgen machen«, sagte Armaat mit seinem verschlagenen Lächeln. »Dieses Tier ist angeblich nachtaktiv.« Weil Phil ja keine Anstalten gemacht hatte, sich des Nachts auf die Lauer zu legen, Du verstehst schon.