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»Sie haben wenig Grund, auf sich stolz zu sein.« Riones Stimme hatte einen schroffen Tonfall angenommen. »Erst lassen sie diese Flotte im Stich, dann lassen sie ihre Kameraden bei Vidha im Stich…«

»Das ist mir bekannt«, unterbrach Geary sie, dessen eigene Stimme vor Wut ebenfalls rau klang. »Aber ich kann diese Schiffe und ihre Besatzungen nicht einfach abschreiben! Ich muss nicht nur die Schiffe, sondern auch die Besatzungen wieder aufbauen, doch dazu müssen diese Leute an sich glauben. Und dafür brauchen sie ihren Stolz.«

Rione saß schweigend da und lief im Gesicht rot an.

»Tut mir leid.«

»Ich habe es verdient«, gab sie zurück und schien vor allem auf sich selbst wütend zu sein. »Ich bin Politikerin, ich sollte wissen, wie wichtig es ist, was die Leute glauben.« Sie atmete tief und gleichmäßig durch, um sich zu beruhigen. »Mir ist bewusst, wie schmerzhaft es ist, ein Schiff von der Größe eines Schlachtkreuzers zu verlieren — oder auch jedes andere Schiff. Aber es sollte Sie doch trösten, dass Sie nicht in gleicher Zahl Kriegsschiffe verlieren.«

Er schüttelte den Kopf. »Nein. Wenn ich weiterhin Schlachtkreuzer verliere, werden die Verluste bei den Schlachtschiffen größer werden.«

Diesmal konnte Rione ihn nur verständnislos ansehen. »Wieso?«

»Weil die Schlachtkreuzer gewisse Aufgaben übernehmen«, erläuterte Geary. »Ein Schlachtkreuzer besitzt die Feuerkraft eines Schlachtschiffs, kann aber wie ein Schwerer Kreuzer beschleunigen, manövrieren und verzögern. Schilde und Panzerung reichen jedoch nicht an die von Kriegsschiffen heran, dafür sind sie schneller und wendiger. Dadurch eignen sich Schlachtkreuzer für bestimmte Aufgaben, bei denen Schnelligkeit und Feuerkraft gefragt sind. Aber wenn ich zu viele Schlachtkreuzer verliere, müssen Schlachtschiffe diese Aufgaben übernehmen, für die sie allerdings zu schwerfällig sind. Sie werden den Schlachtkreuzern der Syndiks zum Opfer fallen. Ein Schlachtschiff kann sich zwar gegen einen, aber nicht gegen vier oder mehr Schlachtkreuzer zur Wehr setzen, die von leichteren Schiffen unterstützt werden. Oder ich setze Schwere Kreuzer ein, die dann noch schwerere Verluste hinnehmen müssen. Wenn sie erst einmal alle zerstört sind, bleibt mir nichts anderes übrig, als doch auf die Schlachtschiffe zurückzugreifen.«

Rione zog die Stirn in Falten, als sie endlich verstand. »Wenn wir Kriegsschiffe für Aufgaben einsetzen, für die sie nicht vorgesehen sind, werden unsere Verluste noch weiter zunehmen.«

»Richtig.« Geary deutete auf das Display. »Und wenn sich die Schlachtschiffe und Schlachtkreuzer völlig zurückhalten, werden die Leichten Kreuzer und Zerstörer vom Feind in Stücke geschossen. Es ist alles miteinander verflochten. Für verlorene Einheiten bekomme ich keinen Ersatz, also muss ich vermeiden, etwas von dem zu opfern, was ich habe.« Er stierte auf die Namen der Schiffe, während vor seinem geistigen Auge das Bild der Überreste der Terrible entstand, nachdem sie bei Ilion mit einem Schlachtkreuzer der Syndiks kollidiert war. Oder besser gesagt, ein Bild von dem Lichtblitz, der von beiden Schiffen übrig blieb, als sie mit einem Bruchteil der Lichtgeschwindigkeit aufeinandertrafen. Nicht nur das Schiff, auch seine gesamte Besatzung war innerhalb eines einzigen Augenblicks ausgelöscht worden. »Die Vorfahren mögen mir beistehen«, flüsterte er.

Geary spürte Riones Hand für einen langen Moment Trost spendend auf seiner Schulter ruhen, doch dann entzog sie sie ihm wieder. »Es tut mir leid.«

»Victoria…«

»Nein.« Sie stand abrupt auf. »Victoria ist nicht hier. Co-Präsidentin Rione spricht ihr Beileid aus und bietet ihre Unterstützung an. Es tut mir leid, Captain Geary.« Bevor er etwas sagen konnte, war sie bereits aus seinem Quartier gestürmt.

* * *

»Was haben Sie erfahren?«, fragte Geary, während er durch die nur von einer Seite transparente Scheibe in den Verhörraum schaute, wo der Captain des von ihnen zerstörten Syndik-Handelsschiffs saß. Obwohl es in dem Abteil recht kühl war, schwitzte der Mann vor Angst. Anzeigen und Displays rings um das Fenster gaben Auskunft über die körperliche Verfassung des Syndiks und über die Denkmuster in seinem Gehirn. Sollte der Syndik lügen, würde das bei den Hirnscans sofort deutlich erkennbar werden. Wenn man jemanden mit dieser Tatsache konfrontierte, konnte das genügen, um ihn zum Reden zu bringen.

Der Geheimdienstoffizier Lieutenant Iger verzog den Mund. »Nicht viel. Die Syndiks weihen ihre Zivilbevölkerung nicht in die Details ihrer Militäroperationen oder in ihre Verluste ein.«

»Hört sich irgendwie nach der Allianz an, wie?«, gab Geary ironisch zurück.

»Nun… das stimmt, Sir«, räumte der Lieutenant ein. »Aber es ist eigentlich viel schlimmer, denn die Syndiks gestatten keine unabhängige Berichterstattung und keine öffentlichen Diskussionen. Daher ist es für ihre Bürger schwieriger herauszufinden, was tatsächlich los ist. Was die Handelscrew uns sagen kann, sind die Dinge, die die Syndik-Propaganda ihnen eingetrichtert hat. Der Sieg steht kurz bevor, die Verluste der Syndiks sind nur gering, und unsere Flotte wurde komplett zerstört.«

»Dass Letzteres nicht stimmt, weiß er jetzt schon mal«, stellte Geary fest. »Woher kam sein Schiff?«

»Von Tikana. Einem weiteren System, das vom Hypernet übergangen worden ist. Sein Schiff erledigte kleinere Aufträge für ein Syndik-Unternehmen, das von den wirtschaftlichen Überresten lebt, mit denen sich die großen Konzerne gar nicht erst abgeben.«

»Also keine aktuellen Neuigkeiten oder Beobachtungen?«

»Nein, Sir.« Lieutenant Iger deutete auf den Captain des Handelsschiffs. »Er ist zu Tode erschrocken, aber er scheint trotzdem nicht in der Lage zu sein, uns irgendetwas Brauchbares zu erzählen.«

»Dann darf ich annehmen, dass ihm auch keine Gerüchte über unsere Flotte zu Ohren gekommen sind.«

»Richtig, Sir«, antwortete der Geheimdienstoffizier. »Er sagt die Wahrheit, wenn er leugnet, irgendetwas in der Richtung gehört zu haben. Als wir ihm die Namen von Systemen wie Corvus oder Sancere nannten, in denen wir uns aufgehalten haben, waren ihm diese Namen zwar ein Begriff, doch weiter ergab sich daraus nichts.«

Geary überlegte einen Moment lang, ob er sich wirklich mit diesem Syndik unterhalten sollte, entschied sich dann aber dafür. »Ich gehe rein. Wie heißt er?«

»Reynad Ybarra, Sir. Seine Heimatwelt ist Meddak.«

»Danke.« Geary durchschritt die drei Schleusen, die in den Verhörraum führten. Als er eintrat, sah er, wie der Syndik-Captain ihn anstarrte. Der Mann schien zu viel Angst zu haben, um sich von der Stelle zu rühren, aber selbst wenn er einen Angriff hätte versuchen wollen, waren doch so viele Betäubungswaffen auf ihn gerichtet, dass es ihm nicht einmal möglich gewesen wäre, sich Geary auch nur einen Schritt zu nähern. »Ich begrüße Sie im Namen der Allianz, Captain Ybarra«, erklärte Geary förmlich.

Der Syndik schwieg und zeigte keine andere Regung als die, dass er Geary nervös ansah.

»Wie läuft der Krieg?«, fragte Geary.

Diesmal kam eine Reaktion, und der Captain begann etwas zu zitieren, was er schon so oft gehört haben musste, dass er die Worte auswendig kannte: »Die Streitmächte der Syndikatwelten erringen einen Sieg nach dem anderen. Unser Sieg über die Aggressoren der Allianz ist eine Gewissheit.«

Geary setzte sich ihm gegenüber hin. »Haben Sie sich schon mal die Frage gestellt, wieso Sie den Krieg noch immer nicht gewonnen haben, wenn Ihre Streitmächte seit hundert Jahren einen Sieg nach dem anderen erringen?« Der Mann schluckte, sagte aber nichts. »Die Allianz war nicht der Aggressor, müssen Sie wissen. Ich weiß es, weil ich dabei war.« Der Syndik riss ungläubig und ängstlich zugleich die Augen auf. »Sicherlich hat man Ihnen bereits gesagt, dass ich Captain John Geary bin.« Er wurde noch etwas ängstlicher. »Möchten Sie, dass dieser Krieg ein Ende nimmt?« Noch größere Angst. Dies Thema war dem Mann gar nicht geheuer. Zweifellos konnte man einem Syndik-Bürger Verrat vorwerfen, wenn er nur über den Frieden redete.