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»Niemand verlässt die Mine«, stellte Captain Desjani fest.

Geary richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Display und nickte. »Keine Rettungskapseln. Und sogar der alte Kahn dort rührt sich nicht von der Stelle. Ganz gleich, wer sich da aufhält, er will offenbar lieber bleiben, anstatt die Anlage zu evakuieren.«

»Vermutlich fürchten sie, dass wir auf alles feuern, was zu entkommen versucht«, warf Desjani in einem Tonfall ein, der Geary verriet, dass ein solches Gebaren an der Tagesordnung gewesen war, bevor er das Kommando übernommen hatte.

Er verkniff sich die Frage, was daran ehrbar sein sollte, wenn man auf wehrlose Rettungskapseln feuerte. Praktiken, die Geary als schlichtweg abscheulich empfand, waren in einem Jahrhundert Krieg an der Tagesordnung gewesen, da die Syndiks zu immer schlimmeren Grausamkeiten gegriffen hatten, auf die die Allianz dann entsprechend reagierte. Mit der Zeit war vieles in Vergessenheit geraten, da die Nachfahren an die Stelle jener Offiziere und Matrosen rückten, die Geary noch gekannt hatte. Erst als der angebetete Black Jack Geary erwachte, wurden die Menschen der Gegenwart mit den Dingen wieder vertraut gemacht, an die die Menschen der Vergangenheit geglaubt hatten. Desjani war mit als Erster bewusst geworden, was der Allianz abhandengekommen war, als sie versuchte, sich so unmenschlich zu geben wie die Syndiks. Daher wäre es überflüssig gewesen, sie abermals darauf hinzuweisen. Stattdessen nickte er nur wieder. »Oder sie haben unser Bremsmanöver bemerkt und erkannt, dass wir diese Einrichtung nicht zerstören, sondern einnehmen wollen. Allerdings werden sie wohl nicht ernsthaft glauben, unseren Angriff abwehren zu können.«

»Das bestimmt nicht«, pflichtete Desjani ihm bei. »Aber sie könnten uns Verluste zufügen und uns dazu bringen, dass wir langsamer vorankommen. Die Syndik-Führer würden die Minenarbeiter dafür opfern.«

»O ja, das würden sie.« Beispiele dafür hatten sie in fast jedem System beobachten können, durch das sie geflogen waren. Die Syndiks setzten sogar ganze Welten aufs Spiel, nur um eine Gelegenheit zu bekommen, der fliehenden Allianz-Flotte Verluste zuzufügen. Wieder sah er sich das Bild der Einrichtung an. »Da verlaufen Maglev-Schienen für den Erztransport.«

Desjani nickte. »Wenn wir die aus dieser Entfernung zerschießen, riskieren wir, die Vorräte zu treffen.«

»Wie stehen die Chancen, dass die Syndiks daraus Waffen machen, die sie gegen uns richten können?«

Sie zuckte mit den Schultern. »Versuchen könnten sie das. Aber wir würden es sehen, wenn sie die Schienen ausrichten, um unsere Schiffe oder Shuttles anzuvisieren.«

Geary nickte und sah nach seinen beiden verbliebenen Scout-Schlachtschiffen Exemplar und Braveheart, die soeben verzögerten, um über der Einrichtung in Position zu gehen. Dabei passten sie ihren Kurs und ihre Geschwindigkeit exakt an die Anlage an, damit sie aus nächster Nähe mit Höllenspeeren das Feuer eröffnen konnten. Rein theoretisch konnte ein kleines kinetisches Geschoss so zielgenau abgefeuert werden, dass es in einem stationären Orbit auch ein kleines Ziel traf, doch Geary wollte seinen Vorrat an jenen Projektilen schonen. Außerdem hielt er lieber an der alten Theorie fest, dass man ein Ziel umso genauer traf, je näher man ihm war. Und es gab auch gar keinen Grund, zu viele Waffen für dieses Ziel zu vergeuden. Höllenspeere würden genau das richtige Mittel sein.

Er hatte herausfinden müssen, dass die neue Theorie nach einem Jahrhundert Krieg in erster Linie darin bestand, große kinetische Projektile einzusetzen und nicht nur das eigentliche Ziel, sondern auch noch einen Großteil der Umgebung zu zerstören — ohne Rücksicht darauf, ob sich dort Schulen, Krankenhäuser oder Wohnhäuser befanden. Schließlich gehörte das alles ja dem Feind. Allerdings hatte Geary nicht die Absicht, sich jemals dieser Logik anzuschließen.

Keines der Scout-Schlachtschiffe hatte bislang das Feuer eröffnet, und auch das Ziel verhielt sich immer noch ruhig. Aber sie würden dicht über der Oberfläche sein, sobald die Shuttles mit den Marines an Bord zur Landung ansetzten.

»Eingreiftruppe startet«, meldete ein Wachhabender.

Ein Dutzend Shuttles löste sich von ihren Schiffen und nahm direkten Kurs auf die Bergbau-Einrichtung.

»Warum nur ein Dutzend?«, wollte Co-Präsidentin Rione wissen, die auf ihrem Platz hinter Geary saß. »Es ist untypisch für Colonel Carabali, dass sie nicht eine möglichst große Streitmacht einsetzt.«

Wollte sie damit andeuten, Geary könnte Carabali Vorschriften gemacht haben, wie viele Leute sie einsetzen durfte? Er wandte sich zu ihr um. »Das ist eine kleine Einrichtung, Madam Co-Präsidentin. Der Platz reicht nicht aus, um mehr Shuttles dort landen zu lassen.«

Als er sich wieder nach vorn drehte, bemerkte er Captain Desjanis finstere Miene. Offenbar hatte sie sich über Riones Frage geärgert, doch als sie etwas sagte, klang ihre Stimme ruhig. »Bewegungen rund um die Maglevs.«

Geary konzentrierte sich auf die Schienen der Magnetschwebebahn, mit der Erz, Loren und anderes Material innerhalb der Einrichtung transportiert wurden. Die das gesamte Spektrum umfassenden optischen Sensoren der Allianz-Schiffe waren so empfindlich, dass sich mit ihnen sogar kleine Ziele am anderen Ende eines Sonnensystems verfolgen ließen. Aus dieser geringen Entfernung hätte man notfalls einzelne Staubkörner zählen können. Ein Ziel von der Größe eines Menschen war umso müheloser auszumachen.

Tatsächlich hatte sich eine Gruppe Personen am Ende einer der Schienen versammelt und hob sie an, um sie auf die Braveheart und die Exemplar dicht über ihnen zu richten. »Idioten«, murmelte Geary unwillkürlich.

Desjani nickte. »Die Exemplar feuert Höllenspeere ab.«

Für ein Feuerleitsystem, das innerhalb von Sekundenbruchteilen Ziele treffen konnte, die Tausende Kilometer entfernt waren, stellte es keine große Herausforderung dar, einen exakten Treffer zu landen, wenn das Ziel zum Greifen nah war und sich in Relation zum Schiff fast in Ruheposition befand. Auf der visuellen Darstellung konnte Geary nicht den geladenen Partikelstrahl sehen, der sich durch das Maglev-Segment fraß, aber er sah die Folgen des Treffers. Der Abschnitt der Schienenbahn wurde zerschmettert, und die Wucht der ihnen entgegengeschleuderten Trümmerstücke warf die Arbeiter zu Boden. In der Oberfläche des Mondes klaffte ein kreisrundes Loch, das von dem Höllenspeer geschaffen worden war, dem das unbedeutende Hindernis kaum etwas von seiner Durchschlagkraft hatte nehmen können.

Dann wurde ein weiterer Abschnitt der Maglev-Strecke zerstört, schließlich ein dritter. Fluchend schlug Geary auf seine Komm-Kontrollen. »Exemplar, Braveheart, hier spricht Captain Geary. Feuern Sie nur auf festgestellte Bedrohungen.«

»Sir, die wollen die Maglevs als Waffen nutzen«, wandte die Exemplar ein.

Ehe er etwas erwiderte, überzeugte sich Geary davon, ob das Bombardement eingestellt worden war. Erleichtert stellte er fest, dass sie damit aufgehört hatten. »Die haben es versucht, und Sie hervorragende Arbeit geleistet, sie zu stoppen. Aber unsere Leute könnten den Rest dieser Linie noch benötigen.« Er ließ eine kurze Pause folgen. »Übrigens gut gemacht. Ihre Waffen sind äußerst präzise.«

»Danke, Sir. Habe verstanden. Die Exemplar wird den Beschuss auf Bedrohungen konzentrieren.«

Gut so. Geary rief den Flottenstatus auf, um Informationen über den Befehlshaber der Exemplar zu erhalten. Commander Vendig. Sehr gute Beurteilungen. Empfohlen als Commander eines Schlachtkreuzers. Wieso nicht ein Schlachtschiff? Geary stutzte, als ihm zum ersten Mal bewusst wurde, dass seine besten Commander allesamt Captain eines Schlachtkreuzers waren. Umgekehrt waren es vor allem die Schlachtschiff-Befehlshaber, die ihm den meisten Arger bereiteten, darunter solche Störenfriede wie Captain Faresa und Captain Numos und neuerdings auch Captain Casia. Mir war dieses Verhaltensmuster gar nicht aufgefallen, aber vielleicht ist für die Offiziere der heutigen Flotte offensichtlich, was dahintersteckte. Zu meiner Zeit hatte es nicht so viele Schlachtschiffe gegeben, und das Kommando über eines war immer das gewesen, was jeder gute und ehrgeizige Offizier anstrebte. Etwas muss in den letzten hundert Jahren passiert sein, was diese Veränderung ausgelöst hat. Ich sollte besser zusehen, das herauszufinden.