Geary schlug sich an den Kopf, als ihm einfiel, dass er etwas wirklich Wichtiges und womöglich Hilfreiches vergessen hatte. Hastig tippte er auf die Komm-Taste. »Captain Tyrosian. Ihre Schiffe erhalten jetzt Zugriff auf die Bilder, die die Marines aus der Bergbaueinrichtung senden. Ich nehme an, die Ingenieure kennen sich mit der Art von Geräten aus, die wir hier vor uns haben, und sie müssten wohl auch in der Lage sein, Objekte zu identifizieren, die da nichts zu suchen haben. Sorgen Sie dafür, dass sich ein paar von ihnen schnellstens die Bilder ansehen.«
Tyrosians Antwort brauchte etwas länger, als es der Fall hätte sein sollen. Immerhin befanden sich die Hilfsschiffe jetzt mitten in der Formation der Allianz-Flotte. »Sir«, erwiderte sie zögerlich. »Meine Leute spielen normalerweise keine aktive Rolle bei irgendwelchen Operationen.«
Er musste sich zusammenreißen, damit er Tyrosian nicht anschnauzte. »Diesmal tun sie es aber. Ich will, dass qualifizierte Leute sich sofort die Bilder ansehen, die von da unten übertragen werden. Und wenn sie irgendetwas Verdächtiges entdecken, sollen sie das sofort melden.«
Bevor Tyrosians Erwiderung ihn erreichen konnte, öffnete sich ein Fenster und Colonel Carabali meldete sich zu Wort: »Jemand leitet die Übertragungen meiner Leute an die Ingenieure auf den Hilfsschiffen weiter.«
»Dieser Jemand bin ich, Colonel.«
»Dagegen muss ich protestieren, Sir. Bei ihnen handelt es sich nicht um kämpfendes Personal, und sie haben keine Verwendung für Echtzeitbilder, die von meinen Leuten gesendet werden.«
Geary bemühte sich, seine Verärgerung nicht durchscheinen zu lassen. »Die sind harmlos.«
»Bei allem Respekt, Sir«, gab Carabali förmlich zurück. »Wenn Ingenieure nicht beaufsichtigt werden, können sie in der realen Welt das größte Chaos anrichten. Ich habe aber keine Zeit, um für sie Kindermädchen zu spielen.«
Kaum hatte Carabali ausgesprochen, ging Captain Tyrosians Antwort ein: »Captain Geary, wir haben keine Liste, die spezifiziert, wonach wir Ausschau halten sollen.«
Seine Anspannung wich stärker werdenden Kopfschmerzen, und Geary presste heraus: »Warten Sie, Colonel. Captain, Ihre Ingenieure sollen nach allem Ausschau halten, was in einer Mine nichts zu suchen hat.« Tyrosian nickte, aber ihr Blick verriet ihre Ratlosigkeit. »Bomben, Sprengfallen, Dinge, die in die Luft gejagt werden können.«
Tyrosian reagierte darauf nur noch verständnisloser. »Ein Großteil an Ausrüstungsgegenständen kann bei unsachgemäßer Handhabung verheerende…«
»Captain Geary«, verkündete Carabali, deren Haltung und Tonfall ihre Missbilligung erkennen ließen. »Ich muss entschieden davon abraten, dass…«
»Meine Leute müssen unmittelbar mit den Offizieren vor Ort über das reden können, was sie sehen«, schlug Tyrosian widerstrebend vor. »Ohne detaillierte Führung…«
»Schon gut«, fiel Geary ihnen beiden ins Wort. Das war keine gute Idee. Ich kann ihnen befehlen, es einfach zu machen, oder ich kann die Sache abblasen. Ich bin wütend genug, um zu sagen: »Tun Sie's gefälligst!« Aber das verrät mir, ich sollte es wohl besser nicht machen. Das geschieht mir ganz recht, wenn ich improvisiere und versuche, zwei so verschiedene Denkweisen unter einen Hut zu bringen. »Vergessen Sie meinen letzten Befehl. Die Bilder der Marines werden an die Ingenieure übertragen, doch sie werden sie nur empfangen. Wenn sie etwas sehen, was sie für verdächtig halten, dann nehmen Sie sofort mit mir Kontakt auf, Captain Tyrosian. Colonel Carabali, Sie machen weiter wie gehabt, und ich entschuldige mich für die Ablenkung.«
Beide Offiziere schauten drein, als hätten sie einen anderen Ausgang dieser Situation erwartet. Dann salutierte Carabali hastig, ehe sich ihr Fenster wieder schloss. Tyrosian nickte. »Jawohl, Sir. Die… ähm… Shuttles mit dem Erkundungsteam und der Ausrüstung sind gestartet.«
»Gut. Machen Sie jedem Teammitglied klar, dass sie alle der Befehlsgewalt des Commanders der Eingreiftruppe unterstellt sind.«
Als sich auch das andere Komm-Fenster schloss, ließ sich Geary in seinen Sessel sinken und rieb sich die Stirn in der Hoffnung, so etwas gegen die mittlerweile rasenden Kopfschmerzen zu unternehmen. Desjani, die seine privaten Unterhaltungen nicht mitangehört haben konnte, warf ihm einen mitfühlenden Blick zu. »Ingenieure?«
»Und Marines«, erwiderte er mürrisch. »Warum kommt es mir nur so vor, dass ich mehr Zeit damit verbringe, gegen meine eigenen Offiziere als gegen den Feind zu kämpfen?« Er schaute wieder auf das Display, das den Fortgang des Angriffs auf die Bergbaueinrichtung darstellte. Die Marines rückten immer weiter vor und hatten mittlerweile fast die gesamte Anlage besetzt. Posten wurden aufgestellt, um die Schächte zu bewachen, in die sich die Syndik-Verteidiger zurückgezogen hatten. Vom Himmel über dem Mond näherten sich die Shuttles mit den Ingenieursteams, die direkt auf der zentralen Landeplattform abgesetzt werden sollten.
Falls doch noch irgendetwas explodieren würde, dann wahrscheinlich in den nächsten Sekunden.
Drei
Die Marines drangen in den Hauptkontrollraum der Bergbau-Anlage vor und schwärmten aus, wobei sie mit tragbaren Geräten nach Sprengfallen suchten. An etlichen Pulten leuchteten reihenweise grüne Lämpchen, die anzeigten, dass die Maschinen allesamt einsatzbereit waren. Der Marine-Offizier, auf dessen Kamera sich Geary geschaltet hatte, trat vor ein Pult mit diversen roten Lichtern. »Maglev-Schienen«, meldete der Marine seinem Vorgesetzten, was Geary mithören konnte. »Das ist die einzige Ausrüstung, von der eine Fehlermeldung kommt. Alles andere ist voll funktionstüchtig.« Anstatt sich darüber zu freuen, klang der Marine vielmehr besorgt.
Vor Geary tauchte ein Fenster auf, das Captain Tyrosian zeigte. »Die haben ihre Maschinen nicht abgestellt«, sagte sie nachdenklich.
»Richtig«, bestätigte er.
»Das wird zu großen Verzögerungen führen«, beklagte sie sich.
»Ich dachte, es würde mehr Zeit in Anspruch nehmen, abgeschaltete Anlagen hochzufahren.«
Seine Bemerkung schien sie zu überraschen. »Nun… ja. Wäre alles abgeschaltet worden, dann müssten wir nach und nach alles wieder hochfahren und sicherstellen, dass weder die Maschinen noch die Software sabotiert wurden. Sie wissen schon, Würmer und was sonst noch so in ein Betriebssystem eingebettet werden kann. Aber die Maschinen laufen bereits.«
Was bedeutete, dass Würmer und andere schädliche Programme ebenfalls aktiviert worden waren. Geschenken aus den Händen der Syndiks durfte man niemals über den Weg trauen. »Verstehe.«
Plötzlich tauchte Colonel Carabalis Gesicht wieder vor ihm auf, sie schaute genauso betrübt drein wie Tyrosian. »Sir, wir werden alles kontrolliert abschalten müssen, um uns in die Lage zu versetzen, die Systeme zu säubern. Erst dann können wir sie nach und nach wieder hochfahren.«
Geary atmete frustriert aus und wunderte sich, warum seine Marines und seine Ingenieure ausgerechnet in diesem Punkt einer Meinung sein mussten. »Was kann schlimmstenfalls passieren, wenn wir die Maschinen nicht abschalten, sondern sie sofort einsetzen?«
»Ausfall aller Systeme, Totalschäden an den Maschinen, möglicherweise Verletzte und Tote. Ein Abbau der Rohstoffe wäre dann nicht mehr machbar«, erwiderte Tyrosian.
»Dann tut sich hier gar nichts mehr«, ergänzte Carabali.
Geary nickte. Okay, so was konnte passieren. »Wie lange dauert es, alles abzuschalten, zu überprüfen und wieder hochzufahren?«
»Das lässt sich nur schwer einschätzen, weil etliche Faktoren zu berücksichtigen sind, die…«, begann Tyrosian.
»Diese Flotte kann sich nicht endlos lange an dieser Einrichtung aufhalten, Captain Tyrosian«, fiel er ihr ins Wort.
»Wie viel von dem Zeug brauchen wir?«, fragte Carabali. »Wir müssen schließlich die Bestände an benötigten Elementen feststellen, die Steine analysieren und umladen.«