»Sie auch?«
Duellos nickte stumm.
»Eigentlich sollte mich das gar nicht wundern. Aber ich werde bei Desjani ganz besonders aufpassen, damit niemand uns irgendetwas nachsagen kann.«
»Diese Leute sind äußerst fantasievoll«, machte Duellos ihm klar. »Wären Sie auf meinem Schiff, würde man vermutlich die gleichen Gerüchte über Sie und mich verbreiten.«
»Nehmen Sie's bitte nicht persönlich, Captain Duellos, aber Sie sind nicht mein Typ.«
»Ich nehme es ganz sicher nicht persönlich«, meinte Duellos grinsend. »Außerdem würde meine Frau bei einer solchen Beziehung auch noch ein Wörtchen mitreden wollen.«
»So sind Frauen nun mal«, stimmte Geary ihm zu und erinnerte sich daran, dass die Familie des Captains im Allianz-Gebiet lebte. Plötzlich musste er zynisch lächeln. »Für einen Mann, der angeblich sogar zwei Frauen hat, komme ich nicht allzu oft zum Zug.«
»Sehen Sie's positiv. Würden Sie tatsächlich Rione mit Desjani oder umgekehrt betrügen, dann würde eine der Frauen Sie beide töten und boshaft lachen, während sie Ihnen beiden beim Sterben zusieht. So sind Frauen nun mal.«
»Ja, richtig. Vor allem Frauen wie Rione und Desjani. Danke für die Warnung, was diese Gerüchte angeht. Ich möchte nicht, dass jemand in seiner Ehre gekränkt wird, nur weil man mir schaden will.« Geary zögerte, was eine weitere Frage betraf, die ihm soeben eingefallen war, nachdem die Rede auf Rione gekommen war. »Was Captain Badaya angesprochen hat, die Sache mit den Hypernet-Portalen…«
Duellos nickte gelassen. »Das konnten wir ja schnell genug abbiegen.«
»Wie viel wissen Sie darüber?«
»Die Auslöschung einer ganzen Spezies.« Der Captain lehnte sich nach hinten. »Supernovae oder Novae, die in jedem Sternensystem hochgehen, in dem sich ein Hypernet-Portal befindet. Commander… oh, Entschuldigung… Captain Cresida hat eine kleine Gruppe von uns eingeweiht, was diese potenzielle Bedrohung angeht. Sie hatte erwartet, dass Sie bei diesem Thema Unterstützung gebrauchen könnten.« Er schlug die Augen auf und sah Geary ernst an. »Ich hoffe, Sie nehmen ihr das nicht übel. Ich glaube, es war klug von Cresida, es ein paar von uns zu erzählen. Das dürften Sie bei der Besprechung selbst auch gemerkt haben.«
»Das habe ich gemerkt«, gab Geary zu. »Sie haben recht, das war klug von ihr. Ehrlich gesagt, macht es mir Angst, dass überhaupt jemand davon weiß, aber wenn wir das Schlimmste verhindern wollen, müssen ein paar Leute eingeweiht sein.«
»Wem haben Sie davon erzählt?«
»Nur Co-Präsidentin Rione.«
»Ah, einer Senatorin der Allianz.« Duellos verzog den Mund. »Der Senat würde dafür stimmen, die Portale zu benutzen und diejenigen zu sprengen, die im Syndik-Gebiet gelegen sind. Das ist Ihnen doch klar, oder?«
»Das entspricht Riones Einschätzung der Lage. Und die Syndiks hätten Zeit genug dahinterzukommen, was wir vorhaben, und sie würden das Gleiche mit uns machen.«
Als Duellos diesmal nickte, wirkte er mit einem Mal um Jahre gealtert. »Wenn Sie diese Flotte nach Hause bringen, dann bringen Sie auch das Wissen mit, wie die gesamte menschliche Rasse ausgelöscht werden kann.«
»Richtig.« Geary sank in sich zusammen und rieb sich über die Stirn. »Wollen Sie das Kommando übernehmen?«
»Nicht mal über Ihre Leiche.« Duellos' Blick wanderte zu dem Display, das die umliegenden Sterne zeigte. »Vielleicht haben die lebenden Sterne ja entschieden, dass die Menschheit ein hoffnungsloser Fall ist.«
»Die lebenden Sterne haben nicht die Hypernet-Portale erschaffen«, erwiderte Geary mit rauer Stimme.
»Wenn sie uns geführt haben, kommt es aufs selbe raus…«
»Jemand… etwas hat uns diese Technologie überlassen, davon bin ich fest überzeugt.«
Eine Weile dachte Duellos über diese Worte nach, dann entgegnete er: »Etwas? Etwas Nichtmenschliches?«
»Das ist meine Vermutung. Rione teilt diese Ansicht. Wir glauben, sie befinden sich am anderen Ende des Syndik-Raums.«
»Interessanter Gedanke.« Wieder folgte eine lange Pause. »Die haben Gift in Bonbons verpackt und uns geschenkt, und jetzt warten sie nur darauf, dass wir die Bonbons in den Mund stecken?«
»Könnte sein.« Geary deutete auf das Display. »Was ihre Motive angeht, können wir nur spekulieren. Auf jeden Fall liegen sie damit richtig, dass die Menschheit dumm genug ist, ihr Geschenk anzunehmen und sich selbst auszulöschen. Allerdings haben sie dabei eine Sache vergessen.«
Duellos zog rätselnd eine Augenbraue hoch. »Und zwar?«
»Wir lassen uns nicht gern etwas vorschreiben. Außerdem sind wir völlig unberechenbar.«
Der andere Offizier lächelte. »Das stimmt. Darf ich mit anderen darüber reden?«
»Ja.« Geary überlegte kurz. »Sagen Sie es den Leuten, die auch wegen der Portale Bescheid wissen. Ich habe mich so davor gefürchtet, die falschen Leute könnten davon erfahren, dass ich völlig vergessen habe, die richtigen Leute einzuweihen. Allein schon für den Fall, dass mir etwas zustößt.«
»So verkommen unsere Moral auch ist, war ein Meuchelmord noch nie der richtige Weg, um es in der Allianz-Flotte zu etwas zu bringen.«
Unwillkürlich musste Geary lachen. »Tut mir leid. So hatte ich das nicht gemeint. Aber Sie wissen ja, wir befinden uns im Krieg, und da kann schon mal was passieren.«
»Ja, ich weiß.« Gemächlich stand Duellos auf und machte eine nachdenkliche Miene. »Die Risiken werden größer, und die Verantwortung ruht letztlich allein auf Ihren Schultern. Wie fühlen Sie sich?«
»Mies.«
Duellos nickte. »Wenn es hart auf hart kommt und Sie im Gefecht fallen, dann werde ich in jeder Hinsicht mein Bestes leisten. Bei der Ehre meiner Vorfahren gebe ich Ihnen darauf mein Wort.«
Geary erhob sich ebenfalls und wollte eine Hand auf die Schulter seines Gegenübers legen, da fiel ihm eben noch ein, dass er nur eine Projektion vor sich hatte, woraufhin er die Geste nur andeutete. »Daran habe ich nie gezweifelt. Ich danke Ihnen, mein Freund.«
Duellos salutierte, Geary erwiderte die Geste, dann verschwand das Bild und Geary blieb allein zurück.
Vier
Ganz gleich, wie schlimm es kam, ganz gleich, wie einsam er sich als Befehlshaber der Flotte fühlte, seine Vorfahren ließen ihn nie im Stich.
Als die Flotte schließlich den richtigen Punkt im Baldur-System fand und mit Ziel Sendai in den Sprungraum überwechselte, saß Geary da und betrachtete das externe Display, das vom unendlichen, mit Sternen übersäten Schwarz zum endlosen matten Grau wechselte, durch das hin und wieder vielfarbige Lichter zuckten, die auftauchten und dann wieder verschwanden. Zu Gearys Zeit hatte niemand gewusst, was diese Lichter bedeuteten, und mit der Ankunft des Hypernets war schließlich das Interesse am Sprungraum verblasst. Vielleicht war auch die Forschung zur Ergründung dieser Lichter zurückgestellt worden, weil der Krieg in wissenschaftlicher, technischer und finanzieller Hinsicht mit allen Mitteln unterstützt werden musste.
Captain Desjani ertappte Geary dabei, wie er auf diese Lichter stierte, und als sie erkannte, dass Geary das bemerkt hatte, schaute sie rasch weg. Kurz nachdem er das Kommando über die Flotte übernommen hatte, war ihm von ihr berichtet worden, viele Matrosen glaubten, Geary sei eines dieser Lichter gewesen. Sie glaubten, sein Geist habe in der ansonsten unveränderlichen Weite des Sprungraums geruht, bis die Allianz ihn so dringend benötigte, dass der legendäre Black Jack Geary zu seinem Volk zurückgeholt wurde. Ob sie das jetzt immer noch glaubten? Obwohl sie erfahren hatten, dass Geary in Wahrheit in einer beschädigten Rettungskapsel im Kälteschlaf gelegen hatte, die um einen Stern namens Grendel am Rande des Allianz-Territoriums kreiste, deren Funksignal ausgefallen war und deren Ausrüstung ihn nur mit Mühe am Leben erhalten hatte, bis diese Flotte auf ihn gestoßen war?