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Geary schaute sich um und stellte fest, dass die gesamte Brückencrew gleichermaßen beunruhigt auf ihre Displays starrte. Sie alle hatten unzählige Schlachten hinter sich, doch beim Anblick eines Schwarzen Lochs schienen sie Angst zu bekommen. »Fliegen überhaupt noch Schiffe zu Schwarzen Löchern?«

Desjani schüttelte den Kopf. »Warum sollten sie?«

Gute Frage. Solange der Sprungantrieb die einzige Fortbewegungsmethode gewesen war, mussten Schiffe jeden Stern anfliegen, der auf dem Weg zu ihrem Zielstern lag. Doch durch das Hypernet war es möglich geworden, von einem Portal zu einem beliebigen anderen Portal zu fliegen. Sternensysteme mit Schwarzen Löchern — die genau genommen keine Sternensysteme mehr waren, weil die Schwarzen Löcher gierig alle Materie verschlangen, die zuvor um sie gekreist war — hatten Schiffen nichts mehr zu bieten und stellten eigentlich nur noch eine Gefahrenquelle dar, da sie unablässig Strahlung ins All abgaben. Selbst Schutzschilde neueren Typs konnten einem derartigen Strahlungsbeschuss nicht lange standhalten.

Aber trotzdem war es nur ein Schwarzes Loch. Sie würden hier nicht verweilen, sondern rasch zum nächsten Sprungpunkt weiterfliegen und dabei einen großen Bogen um die Strahlung an den Polen des Schwarzen Lochs machen. Geary beugte sich zu Desjani hinüber. »Was ist los?«

Sie senkte den Blick und erwiderte zögerlich: »Es… ist unnatürlich.«

»Nein, das ist es nicht. Ein Schwarzes Loch ist etwas völlig Natürliches.«

»So meine ich das nicht.« Desjani atmete tief durch. »Man sagt, wenn man zu lange in ein Schwarzes Loch schaut, dann… dann überkommt einen das Verlangen, mit dem Schiff zum Ereignishorizont zu fliegen und nachzusehen, was sich auf der anderen Seite befindet. Das, was früher der Stern war, ruft einen zu sich, weil es die Schiffe der Menschen genauso verschlingen will wie alle andere Materie.«

Solche Geschichten hatte er noch nie gehört, und dabei waren ihm von den Matrosen, mit denen er seinerzeit als Junioroffizier diente, alle möglichen Geschichten von mysteriösen Gefahren erzählt worden, die in den eisigen Weiten des Alls Schiffe mitsamt ihren Besatzungen verschlangen. Hundert Jahre waren allerdings eine lange Zeit, um neue Geschichten entstehen zu lassen. »Ich habe nicht viele, aber einige Schwarze Löcher gesehen, doch dieses Verlangen habe ich nie verspürt.«

»Ich möchte wetten, dass in dieser ganzen Flotte niemand außer Ihnen je ein Schwarzes Loch gesehen hat«, gab sie zurück.

Das Unbekannte. Immer noch der fruchtbarste Boden, um menschliche Ängste gedeihen zu lassen. Als Geary sich umsah und nun wusste, was alle anderen glaubten, da kam es ihm so vor, als könnte er ein Ziehen spüren, das von der unsichtbaren Masse im Herzen von Sendai ausging. Es war etwas anderes als nur die Schwerkraft, die so ungeheuerlich war, das ihr nicht einmal das Licht entkommen konnte.

»Darum sind die Syndiks nicht hier«, ließ Desjani plötzlich verlauten. »Sie wussten, wenn sie hier versuchen sollten, ein Schiff zu postieren, dann würde die Crew eher eine Revolte anzetteln, als sich längere Zeit unmittelbar neben einem Schwarzen Loch aufzuhalten.«

»Gut möglich«, sagte Geary und fuhr lauter fort. »Ich habe schon früher Schwarze Löcher zu sehen bekommen.« Er merkte, dass alle auf der Brücke ihm zuhörten. »Das ist nicht gefährlich, solange wir nicht zu nahe kommen. Und das werden wir auch nicht. Bringen wir die Flotte zum nächsten Sprungpunkt.«

Dieser Befehl, den Sprung raus aus Sendai zu unternehmen, würde wahrscheinlich die einzige Anweisung sein, die sogar seine ärgsten Feinde bedingungslos befolgten.

* * *

»Verdammt!« Soeben waren drei weitere Schlachtkreuzer der Allianz explodiert.

Geary schaltete die Simulation ab, indem er gereizt auf die Tasten tippte. Die Taktik, die er diesmal versucht hatte, war ihm von Anfang an ein wenig verrückt erschienen, und offenbar war das auch tatsächlich der Fall. Zumindest hatte sie nicht funktioniert. Anstatt das Risiko für die Schlachtkreuzer zu verringern, waren die zwischen zwei Fronten aus überlegenen Syndik-Schiffen geraten und in Stücke geschossen worden. Zugegeben, in der Simulation waren die Syndik-Commander vielleicht klüger als die, denen die Allianz-Flotte tatsächlich begegnen würde. Aber von Offizieren, die Geary vor hundert Jahren gekannt und respektiert hatte, war er gewarnt worden, bei einem Plan niemals von der Annahme auszugehen, einen dummen Gegner vor sich zu haben. Eine Falle für einen schlauen Feind funktionierte weitaus besser als eine für einen Feind, der zu dumm war, um das Offensichtliche zu sehen. Jetzt brauche ich nur noch eine solche Falle.

Die Türglocke wurde betätigt und kündigte einen Besucher in Gearys Quartier an. Es war Captain Desjani, die eintrat und salutierte. »Wir sind zwei Stunden vom Sprungpunkt nach Daiquon entfernt, Sir. Sie wollten darüber informiert werden.«

»Das ist richtig, trotzdem hätten Sie dafür nicht extra herkommen müssen.«

Desjani zuckte mit den Schultern. Ihr war ein gewisses Unbehagen anzumerken. »Sie… Sie wecken Zuversicht, Sir. Sicherlich haben Sie bemerkt, wie sehr es der Besatzung gefällt, Sie zu sehen, wie Sie so dicht an einem Schwarzen Loch die Ruhe bewahren. Ich kann Ihnen versichern, das hat sich auf jedem Schiff der Flotte herumgesprochen und dazu beigetragen, das Unbehagen der Crewmitglieder zu lindern.«

»Hm.« Es kam ihm etwas eigenartig vor, dafür gelobt zu werden, dass er beim Anblick eines Schwarzen Lochs keine Angst bekommen hatte. Tatsächlich war durch den Aberglauben der anderen seinerseits ein wachsender Widerwillen entstanden, das Ding zu betrachten. »Danke, aber ich mache auch keinen Hehl daraus, dass ich mich nicht nach diesem System zurücksehnen werde, wenn wir es erst einmal hinter uns gelassen haben.«

»Da geht es Ihnen so wie jedem in dieser Flotte«, erwiderte Desjani und lächelte flüchtig. »Tut mir leid, wenn ich Sie gestört habe, Sir.«

»Sie haben mich nicht gestört. Ich habe nur eine Simulation laufen lassen, die nicht funktionieren wollte.« Seufzend lehnte er sich in seinem Sessel nach hinten. »Setzen Sie sich. Ich freue mich über jede Gelegenheit, mal über etwas anderes zu reden als über Taktiken, Strategien, Syndiks und den Krieg.«

Desjani zögerte kurz, dann kam sie näher und nahm gegenüber von Geary Platz, wobei sie eine Habtachthaltung einnahm, wie sie es fast immer machte, wenn sie sich in seinem Quartier aufhielt. »Diese Themen beherrschen das Leben in der Allianz schon länger, als ich auf der Welt bin«, räumte sie ein. »Ich wüsste gar nicht, worüber ich reden sollte, wenn wir diese Themen nicht hätten.«

»Es gibt andere Themen. Themen, die uns weitermachen lassen, wenn der Krieg das Einzige zu sein scheint, was das Universum zu bieten hat.« Gearys Blick ruhte auf den immer noch fernen Sternen des Allianz-Gebiets. »Was werden Sie unternehmen, wenn Sie nach Kosatka zurückkommen, Tanya?«

Die Frage schien sie zu erschrecken, ihr Blick wanderte ebenfalls zu der Sternenlandschaft. »Meine Heimatwelt«, murmelte sie. »Ich war schon lange nicht mehr dort. Und es gibt keine Garantie, dass ich sie besuchen kann, falls wir… wenn wir zurückgekehrt sind.«

»Ich verstehe. Der Krieg wird nicht aufhören, nur weil wir es zurück nach Hause schaffen.« Einen Moment lang saß Geary schweigend da. »Sind Ihre Eltern noch dort?« Leben Ihre Eltern noch?, hatte er eigentlich wissen wollen, doch so unverblümt konnte er seine Frage nicht formulieren.

Sie wusste, was er meinte, und nickte bestätigend. »Sie sind noch beide dort. Mein Vater arbeitet in einer Fabrik, die die Orbitalwerften beliefert. Mutter ist Teil der planetaren Verteidigungsstreitmacht.«