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»Ja.«

»Und wenn er dann erfahren sollte, dass Sie doch noch leben, Sie sich dennoch vielleicht nie wiedersehen werden?«

»Spielen Sie mich nicht gegen meinen Mann aus, John Geary«, warf sie ihm an den Kopf. »Dazu haben Sie kein Recht!«

Er wich zurück und nickte, während er sich bemühte, die Ruhe zu bewahren. »Das stimmt. Aber warum reden Sie nicht mit Ihren Vorfahren? Vielleicht bekommen Sie ja ein Zeichen von ihnen, das Ihnen zeigt, was sie von Ihnen halten.«

»Indem sie mir beispielsweise das Wort Ehebrecherin auf die Stirn schreiben?«, gab Rione immer noch wütend zurück.

»Warum nicht? Sie scheinen ja sowieso zu glauben, dass es längst da geschrieben steht«, konterte Geary. »Aber vielleicht werden sie Sie ja gar nicht verdammen. Sie sind Ihre Vorfahren. Sie waren auch menschlich und haben ganz sicher kein perfektes Leben geführt. Darum reden wir mit ihnen, denn sie können sich erinnern und uns verstehen. Und vielleicht können sie uns etwas von ihrer Weisheit zeigen, die wir selbst noch nicht erlangt haben.«

Sie schüttelte den Kopf und schaute wieder zur Seite. »Ich kann nicht.«

»Selbst wer ganz ohne Ehre ist, kann zu seinen Vorfahren sprechen! Niemand kann Ihnen das streitig machen.«

»Das habe ich damit nicht gemeint.« Ihr Blick erfasste stur das gegenüberliegende Schott.

Geary betrachtete ihr Profil, das entschlossen vorgeschobene Kinn, und allmählich begann er zu verstehen. »Sie haben Angst davor, mit ihnen zu reden? Angst davor, wie sie vielleicht reagieren werden?«

»Überrascht Sie das, John Geary? Natürlich habe ich Angst davor. Ich habe einige Dinge getan, auf die ich nicht sonderlich stolz bin. Aber nie zuvor habe ich etwas getan, das meine Vorfahren beschämen könnte.«

Eine Zeit lang dachte Geary nach. »Sie müssen sich ihnen nicht zwangsläufig allein stellen. Es gibt…«

»Ich werde meine Schmach mit keinem anderen teilen!«

»Sie haben sie bereits mit Desjani und nun mit mir geteilt!«, herrschte er sie an.

»Und dabei bleibt es auch«, murmelte sie starrsinnig.

»Ich könnte…«

»Nein!« Sie versuchte, ihre Beherrschung zurückzuerlangen. »Das wäre die Rolle, die mein Ehemann übernehmen müsste. Ich werde mich nicht mit Ihnen an meiner Seite meinen Vorfahren stellen.«

Damit blieb nur noch eine Möglichkeit offen. »Und Desjani? Können Sie sie fragen, ob sie Sie begleitet?«

Rione starrte ihn sichtlich schockiert an.

»Sie weiß es schließlich schon.«

»Und Sie verabscheut mich.«

»Weil Sie es mir nicht sagen wollten. Jetzt haben Sie das aber gemacht.« Riones Blick wurde unsicherer, während Geary fortfuhr: »Sie haben selbst erklärt, wie ehrbar Desjani ist. Gegen sie können Ihre Vorfahren nichts einzuwenden haben.«

Sie schüttelte den Kopf und wich wieder seinem Blick aus. »Warum sollte sie so etwas für mich tun?«

»Ich könnte sie für Sie fragen.« Das war die verkehrte Erwiderung, wie er Riones glühenden Augen ansehen konnte. »Oder Sie fragen sie selbst. Glauben Sie, Desjani würde sich weigern?«

Schließlich seufzte sie. »Oh nein. Nicht die ehrbare Captain Desjani. Sie würde sich sogar hinter einen Politiker stellen, wenn der sie nötig hat, nicht wahr? Vor allem wenn sie glaubt, dass der große Captain Geary es von ihr erwartet.«

»Ich glaube schon, aber Sie können den Blödsinn vom ›großen Captain Geary‹ bleiben lassen. Ich versuche, Ihnen zu helfen, und Captain Desjani wird Ihnen helfen, wenn Sie sie darum bitten. Sie können sich Ihre verbalen Attacken also sparen.«

Rione stand auf und betrachtete Geary mit einem suchenden Ausdruck in den Augen. »Sie werden nicht für alle Ewigkeit das Kommando über diese Flotte haben. Eines Tages werden Sie sie nach Hause bringen. Die lebenden Sterne allein wissen, wie Sie das anstellen wollen, aber irgendwie werden Sie es schaffen. Wenn Sie dann wollen, können Sie gleich am nächsten Tag in den Ruhestand gehen. Niemand in der Allianz würde Ihnen das verwehren. Wenn der Tag gekommen ist, an dem nicht länger die Verantwortung des Kommandos auf Ihnen lastet, wenn Vorschriften und Ehre Sie nicht mehr von einer persönlichen Beziehung zu einem Besatzungsmitglied abhalten können, möchten Sie dann lieber an jemanden wie mich gebunden sein, oder möchten Sie die Freiheit haben, mehr über eine Frau wie Tanya Desjani herauszufinden?«

»Ich habe nie…«

»Nein, und das werden Sie auch nicht. Zum Teufel mit Ihnen.« Rione drehte sich auf dem Absatz um und stürmte aus Gearys Kabine.

* * *

Geary schreckte aus dem Schlaf hoch, als die Tür zu seiner Kabine aufging und sich dann wieder schloss. Er drückte auf den Lichtschalter, die schwache Nachtbeleuchtung schaltete sich ein, und dann sah er Victoria Rione, wie sie dastand und ihn stumm betrachtete.

»Hallo, John Geary.« Sie kam mit etwas unsicheren Schritten auf ihn zu, setzte sich am Fußende auf sein Bett und stierte ihn an. »Willst du mich nicht fragen?«

Er konnte deutlich riechen, dass ihr Atem nach Wein roch, obwohl sie so weit von ihm entfernt saß. »Was soll ich dich fragen?«

»Wie es gelaufen ist.« Sie machte eine ausholende Geste. »Mit mir, mit meinen Vorfahren, mit Captain Desjani. Das wirst du doch sicher wissen wollen.«

»Victoria…«

»Nichts.« Sie schüttelte träge den Kopf, ihre Stimme klang belegt. »Ich habe ihnen erklärt, was passiert ist. Ich habe ihnen gesagt, wie sehr ich alles bedauere. Ich habe sie um Rat gebeten. Nichts. Ich habe nichts gespürt. Sie haben mir keine Antwort geschickt. Meine Vorfahren wollen mich nicht mal mehr zur Kenntnis nehmen, John Geary.«

Schließlich setzte er sich auf. »Das kann nicht sein.«

»Frag die ehrbare Captain Desjani! Zum Teufel mit ihr und zum Teufel mit dir.« Schwerfällig stand sie auf und begann sich auszuziehen.

Geary stand ebenfalls auf. »Was machst du da?«

»Ich gebe mich so, wie ich bin.« Sie ließ das letzte Kleidungsstück fallen, dann sank sie zurück aufs Bett und sah ihn an. »Mach schon, worauf wartest du?«

»Du musst verrückt sein, wenn du glaubst, dass ich deine momentane Situation ausnutze.«

»Weil du zu ehrbar bist? Mach dir nichts vor. Sei einfach für eine Weile Black Jack. Tu, was dir Spaß macht.«

Er starrte sie an und versuchte, die Worte für eine passende Erwiderung zu finden.

Rione redete weiter und schaute dabei an Geary vorbei, als sehe sie etwas anderes. »Du weißt, ich werde ihn umbringen, wenn es sein muss. Wenn Black Jack versucht, der Allianz zu schaden, und wenn es keinen anderen Weg gibt, um ihn zu stoppen, dann werde ich ihn umbringen. Zu viele andere sind schon gestorben, und ihr Opfer darf nicht vergebens gewesen sein. Vielleicht habe ich an dem Punkt meine Ehre verloren, als ich mir schwor, alles zu tun, um Black Jack aufzuhalten.« Mit Mühe kehrte ihr Blick zu ihm zurück. »Wirklich alles.«

Es kam ihm nicht mühelos über die Lippen, doch er musste den Gedanken aussprechen, der ihm durch den Kopf ging. »Hast du deshalb angefangen, mit mir zu schlafen?«

Sie bewegte die Lippen, schüttelte dann aber schwach den Kopf. »Nein«, flüsterte sie. »Ich glaube, nicht mal ich würde das tun.«

»Nicht mal du? Du hast mal von Dingen gesprochen, die nicht mal ich tun würde, und jetzt gehst du mit dir genauso hart ins Gericht. Vielleicht sogar noch härter. Ich glaube, deine Vorfahren können dir gar nicht vergeben, solange du dich weigerst, dir selbst zu vergeben.«

Lange Zeit herrschte Stille, dann stellte er fest, dass Rione eingeschlafen war. Sogar im Schlaf war ihr Gesicht von Sorgenfalten durchzogen.

Als man Geary auf die Dauntless gebracht und ihn aufgeweckt hatte, da war er zu benommen gewesen, um von den Leuten in der Flotte richtig Notiz zu nehmen, von den Nachfahren jener Menschen, die er noch gekannt hatte. Als er dann das Kommando über die Flotte übernahm, da wurden ihm schnell die Veränderungen deutlich, die im Lauf von hundert Jahren eingetreten waren; hundert Jahre, die zudem von einem ebenso langen Krieg geprägt worden waren. Er hatte unter dem Eindruck gestanden, von Fremden umgeben zu sein, von denen keiner so fühlte oder dachte wie er. Die Wochen vergingen, und er brachte mehr über diese Menschen in Erfahrung, und schließlich gelangte er zu der Ansicht, dass er zu hart über diese Leute geurteilt hatte und in Wahrheit grundlegende Dinge mit ihnen teilte.