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Rione zog die Augenbrauen zusammen, aber Geary konnte auch einen Hauch Angst erkennen. Überlegte sie, was genau sie letzte Nacht gesagt hatte? Fragte sie sich, ob sie ihm erklärt hatte, wie weit sie gehen würde, um die Allianz vor Black Jack zu beschützen?

Geary sprach unverändert harsch weiter: »Sie haben mir mehr als einmal gesagt, wie wichtig Ihnen die Allianz ist. Die Allianz ist auf die Rückkehr dieser Flotte angewiesen. Wenn ich die Flotte nach Hause bringen soll, dann brauche ich Sie, damit ich vernünftig bleibe. Es behagt mir immer mehr, das Kommando zu haben, und es fällt mir schwerer und schwerer, nicht einfach irgendetwas zu tun, nur weil ich dazu in der Lage bin. Dem legendären Black Jack Geary würde man eine Menge durchgehen lassen, das John Geary weder für klug noch für ehrbar hält. Was ist Ihnen wichtiger, Madam Co-Präsidentin? Ihr eigenes Elend oder das Wohl der Allianz, von dem Sie behaupten, es liege Ihnen so sehr am Herzen?«

Rione setzte sich auf, das Bettlaken rutschte runter, doch davon schien sie nichts mitzubekommen, während sie ihn mit geröteten Augen wütend ansah. »So viel zum Thema mitfühlender Flottenkommandant.«

»Wenn Sie etwas gegen Depressionen einnehmen wollen, dann greifen Sie zu etwas Wirkungsvollerem als Alkohol«, fuhr Geary fort, woraufhin Riones Augen zornig aufblitzten. »Sie wollen sich offenbar selbst nicht vergeben, und es soll Ihnen wohl auch niemand sonst vergeben. Ich kann daran nichts ändern. Aber ich kann darauf bestehen, dass Sie mir die bestmögliche Unterstützung geben, zu der Sie fähig sind. Und ich kann von Ihnen verlangen, kein Verhalten an den Tag zu legen, das der Allianz als Ganzem oder der Callas-Republik schaden könnte. Ich erwarte von Ihnen ein Auftreten, das Ihrer Position als Senatorin der Allianz und als Co-Präsidentin angemessen ist.«

Sie hatte eine Faust geballt und machte den Eindruck, als wolle sie ihm an den Kragen gehen. »Wäre das dann alles, Captain Geary?«, knurrte sie ihn an.

»Nein.« Er hielt inne und bemerkte erst jetzt, dass sie halb nackt dasaß und ihn wütend anstarrte. Ihr Anblick erinnerte ihn an eine Göttin, die kurz davor stand, auf einen Ungläubigen Blitze herabzuschleudern. Trotz seiner Verärgerung über ihr Verhalten, hatte sie nie verführerischer ausgesehen als in diesem Moment. »Wenn es Ihnen lieber ist, hat es die letzte Nacht nicht gegeben. Und wenn Sie wollen, war auch nie etwas zwischen uns. Hauptsache, Sie bekommen sich wieder in den Griff.«

Sie stand auf und stellte ihren Körper zur Schau, auch wenn sie nach wie vor Zorn ausstrahlte. »Bedeute ich Ihnen so wenig? Wollen Sie das damit sagen?«

»Nein.« Er erhob sich ebenfalls und musste sich zwingen, auf Abstand zu bleiben, da er sie sonst an sich gedrückt hätte und mit ihr aufs Bett gesunken wäre. »Damit will ich sagen, dass Sie mir so viel bedeuten.«

Da er nicht wusste, wie lange er sich noch würde beherrschen können, machte Geary auf dem Absatz kehrt und verließ sein Quartier.

* * *

Ein ganzer Schlachtkreuzer stand ihm zur Verfügung — eine ganze Flotte aus Schlachtkreuzern und Schlachtschiffen —, und doch gab es keinen Platz, an dem er sich unbeobachtet aufhalten konnte, ohne dass jemand bei seinem Anblick darüber grübeln würde, ob er die letzte Nacht wohl in einem Sessel geschlafen hatte. Dann fiel ihm doch noch der Konferenzraum als mögliche Zuflucht ein. Er machte sich auf den Weg dorthin, schloss die Luke hinter sich und ließ sich in den Sessel am Kopfende des Konferenztischs sinken.

Es war ein seltsames Gefühl, sich ganz allein hier aufzuhalten. Keiner der anderen Plätze war besetzt, und der Raum selbst wies nur seine wahren Dimensionen auf, anstatt sich scheinbar in die Unendlichkeit zu erstrecken, damit alle Commander der Flotte dort sitzen konnten. Geary rief das Display auf, ließ dann die Flottenformation einblenden und musterte seine Schiffe. Ja. Meine Schiffe. Ich bin für sie alle verantwortlich. Und ich weiß, dass die Syndiks bei Ixion auf uns warten. Aber es ist egal, wohin wir von hier aus springen, sie haben für uns überall etwas vorbereitet.

Nicht zu wissen, wie er seine Flotte arrangieren sollte, war ihm schlicht zuwider. Wie soll ich das machen, wenn ich nicht weiß, was uns bei Ixion erwartet? Ich bin daran gewöhnt, die feindlichen Streitkräfte mindestens etliche Stunden oder sogar Tage bis Wochen im Voraus sehen zu können, damit ich meine Flotte so anordnen kann, wie ich sie dem Feind gegenüberstellen will. Ich kann mir so etwas wie bei der Ankunft hier in Daiquon nicht noch einmal leisten.

Es war so wie die Tatsache, dass er nicht wusste, wo sich Rione im Moment aufhielt. Möglicherweise befand sie sich noch in seinem Quartier, aber vielleicht würde er ihr auch in die Arme laufen, wenn er in irgendeinem Korridor um die nächste Ecke bog. Und dann? Er würde vom Schlimmsten ausgehen und die Initiative ergreifen müssen, damit Rione keine Gelegenheit bekam, ihm nach seiner kleinen Predigt den Hals umzudrehen.

Die Initiative ergreifen. Verdammt. Das klingt so einfach. Ich bin zu sehr an normale Raumschlachten gewöhnt, wo man Zeit genug hat, um das Aufeinandertreffen zu planen. Ich muss einfach davon ausgehen, dass die Syndiks mit einer großen Streitmacht auf uns warten. Und mit einem Minenfeld gleich vor dem Sprungpunkt. Sie wollen uns in einen Hinterhalt locken, das ist mir klar. Und mir bleibt keine andere Wahl, als in diese Falle zu fliegen. Also muss die Flotte in dem Moment manövrieren und kämpfen, da sie den Sprung verlässt.

Warum nicht? Die alte Flotte hätte das zu Gearys Zeiten nicht bewerkstelligen können. Und zwar nicht, weil es über ihre Fähigkeiten hinausging, sondern weil es sich zu sehr von dem unterschied, wofür sie geschult worden waren. Alles war zu der Zeit geordnet und geplant verlaufen, für chaotische Gemetzel hatte es keinen Platz gegeben. Aber diese Flotte, deren Offiziere nichts lieber mochten, als wild auf den Feind loszustürmen, konnte einen solchen Plan nicht nur in die Tat umsetzen, sie wollte es auch. Sie brauchten nur einen guten Plan, der zu ihrer Bereitschaft passte, alles Notwendige zu unternehmen, um die Syndiks zu töten.

Okay, wie wird der Hinterhalt bei Ixion aussehen? Geh vom Schlimmsten aus. Wenn es weniger als das Schlimmste wird, kann ich darauf immer noch reagieren. Also im ärgsten Fall Minen direkt vor dem Sprungpunkt. Gleich dahinter eine große Syndik-Streitmacht, die das Feuer eröffnen wird, sobald unsere Schiffe ins Minenfeld geraten sind. Sie werden das versuchen, was wir mit ihnen bei Ilion gemacht haben, nur werden sie alles noch dichter an den Sprungpunkt verlegen als wir. Wenn sie aufgepasst haben, wie ich vorgehe, warten ihre Schiffe auch noch über und unter dem Sprungpunkt sowie links und rechts davon. So können sie uns von allen Seiten ins Visier nehmen, während wir dem Hauptpulk ihrer Flotte in die Arme fliegen. Vielleicht auch nicht. Dafür benötigt man eine große Anzahl Schiffe. Ich muss ihnen einen Strich durch die Rechnung machen, indem ich diese Schiffe so agieren lasse, wie sie es normalerweise nicht tun würden. Auf eine Weise, wie diese Flotte sonst nicht vorgeht.

Er veränderte das Display und testete verschiedene Formationen und Flottenbewegungen, bis er zufrieden in sein Quartier zurückkehrte. Auf dem Weg dorthin war er sich unschlüssig, ob er ihr dort begegnen wollte oder nicht.

Seine Kabine war jedoch verlassen. Gleich hinter der Tür blieb er stehen und dachte an Victoria Riones Gesichtsausdruck, als er sie zuvor hier allein zurückgelassen hatte. Einen Moment lang überlegte er ernsthaft, ob er das Quartier nach Sprengfallen absuchen sollte. Nur seine Vorfahren konnten wissen, zu welcher Art von Vergeltungsschlag jemand wie Rione fähig war.