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Einen Moment lang überlegte er, Captain Desjani zu rufen, um sie zu diesen Dingen zu befragen. Aber Desjani würde womöglich Badayas Einstellung befürworten, und Geary wollte sich lieber nicht der Tatsache stellen, dass sie solch grenzenloses Vertrauen in ihn setzte. Sie hatte zu keiner Zeit besonderen Respekt vor Politikern erkennen lassen, wenn man einmal von Co-Präsidentin Rione absah. Natürlich gab sie sich nach außen hin respektvoll, doch ihr war deutlich anzumerken, dass sie der politischen Führung der Allianz nicht vertraute. Und jetzt hatte sich auch noch herausgestellt, dass sie mit ihrer Meinung keineswegs allein war.

Vorfahren, was ist geschehen? Ich war der Ansicht, dass ich weiß, wie die Menschen in dieser Flotte denken, und mir klar ist, was sich durch ein Jahrhundert Krieg verändert hat. Aber jetzt muss ich eingestehen, dass ich vieles dabei gar nicht berücksichtigt habe und dass die Lage eigentlich viel ernster ist.

Irgendwann schlief er ein, ohne Antworten auf die Fragen gefunden zu haben, die ihm zu schaffen machten.

* * *

Etwas holte Geary aus dem Schlaf, ohne dass er wusste, was es war. Jemand saß in der Nähe. Er blinzelte, um in der Dunkelheit Konturen zu erkennen. »Madam Co-Präsidentin?«

»Das ist richtig.« Sie sprach in einem gelassenen Tonfall, was ihn ganz erheblich beruhigte. »Mich wundert, dass Sie die Sicherheitseinstellungen nicht angepasst haben, um mir den Zugang zu Ihrem Quartier zu verwehren.«

Er setzte sich auf und vertrieb den letzten Schlaf aus seinem Kopf. »Ich dachte, es wäre nicht schlecht, wenn Sie wissen, dass Sie weiter Zugang haben.«

»Ich weiß einiges von dem, was ich an dem Abend sagte, als ich betrunken war, John Geary. Ich weiß, was ich zu Ihnen gesagt habe.«

»Dass Sie alles in Ihrer Macht Stehende tun werden, um Black Jack aufzuhalten. Ja, ich weiß.«

»Ich habe mehr als nur das gesagt«, beharrte sie.

»Dass Sie mich töten werden, wenn es sein muss«, erwiderte er. »Vielleicht ist es ja gar nicht so schlecht, dass diese Drohung über mir schwebt.«

»Sie sind entweder sehr vertrauensvoll oder sehr naiv oder sehr dumm«, konterte sie aufgebracht.

»Versuchen Sie's mal mit ›sehr verängstigt‹«, schlug er ihr vor.

»Angst vor sich selbst?«, fragte sie und redete gleich weiter, ohne seine Antwort abzuwarten. »Wie ich hörte, hat man Ihnen ein Angebot gemacht.«

Er wünschte, er könnte ihr Mienenspiel sehen. Er hatte sich schon gefragt, ob Riones Spione in der Flotte davon irgendwie Wind bekommen würden. »Was haben Sie denn sonst noch so gehört?«

»Dass Sie geantwortet haben, Sie würden darüber nachdenken.«

»Nein, meine Antwort lautete, dass es dazu nicht kommen wird, und das habe ich klar und deutlich zu verstehen gegeben.«

Daraufhin begann sie zu lachen. »Ach, John Geary. Sie wissen nichts über die erste Lektion, die jeder Politiker lernt. Was Sie sagen, interessiert nicht. Es zählt nur, was die Leute hören wollen. Jemand, der Ihnen die Kontrolle über die Allianz anbietet, will von Ihnen kein Nein hören.« Sie ließ eine kurze Pause folgen. »Sie sagten, Sie wollten mit mir reden. Ich nehme an, Sie fühlen sich versucht, nicht wahr?«

»Ja«, gab er unumwunden zu. »Wegen der Hypernet-Portale.«

»Sie vertrauen den Politikern nicht, was das Wissen über diese Waffe angeht, richtig? Ich kann es Ihnen nicht verübeln. Aber Sie trauen sich selbst nicht über den Weg, oder? Das war doch der Grund, warum Sie mir das Programm für die Energieberechnung gegeben haben, die beim Zusammenbruch eines Hypernet-Portals freigesetzt wird.«

»Vielleicht sollten Sie der Diktator sein.«

»Ich glaube, ich habe Ihnen genügend Beweise für meine eigenen Unzulänglichkeiten geliefert, John Geary.« Sie hielt inne und seufzte. »Sie haben mir die ungeschminkte Wahrheit gesagt, und ich habe sie als solche erkannt. Sie können jetzt gern wieder einen Witz darüber reißen, dass eine Frau Ihnen recht gegeben hat.«

»Nein, danke.«

»Bei meinen Vorfahren, Sie haben tatsächlich etwas über Frauen gelernt, nicht wahr? Warum ist diese Flotte nach Ixion unterwegs?«

Sie wechselte so abrupt das Thema, dass er sich fast überrumpelt vorkam. »Weil es die beste von vielen schlechten Möglichkeiten ist.«

»Sie gehen davon aus, dass die Syndiks uns dort mit einer Streitmacht erwarten.«

»Ich gehe davon aus, dass sie uns in jedem Sternensystem erwarten, das wir von hier aus erreichen können.« Er schlug die Bettdecke zur Seite und drehte sich zu Rione um. »Ich kann nicht unentwegt Glück haben. Daiquon war äußerst knapp. Wäre das Minenfeld fertig gewesen, dann hätten wir genauso viele Schiffe verlieren können, ohne dabei dem Gegner irgendeinen Verlust beizubringen. Was haben Ihre Spione sonst noch berichtet? Ich muss wirklich wissen, was Ihnen zugetragen wird.«

»Casia und Midea sind nicht die Rädelsführer, die gegen Ihr anhaltendes Kommando über die Flotte Stimmung machen. Bislang konnte ich nicht herausfinden, wer der eigentliche Drahtzieher ist. Ich weiß nur, dass die beiden im Auftrag eines anderen handeln. Auch wenn Numos und Faresa von den Marines festgenommen und bewacht werden, ist es ihnen irgendwie gelungen, mit jenen Offizieren in Kontakt zu bleiben, die nach wie vor an sie glauben.«

Das war keine große Überraschung. »Aber Numos und Faresa sind nicht diejenigen, die meine Gegner anführen, oder?«

»Nein.« Plötzlich änderte sich Riones Tonfall und klang gekünstelt. »Und Sie sollten wissen, dass sich hartnäckig Gerüchte halten, wonach ich von Eifersucht auf Ihr Verhältnis mit Captain Desjani förmlich aufgefressen werde.«

Geary schlug sich mit der Faust auf den Oberschenkel. »Meine angebliche Beziehung?«

Sie ließ sich einen Moment Zeit, ehe sie antwortete: »Diesen Gerüchten begegne ich wohl am besten, indem ich aufhöre, einen Bogen um Sie zu machen, und indem ich mich gegenüber Desjani wieder normal benehme. Außerdem bin ich meinen Pflichten nicht nachgekommen, wie Sie mir ganz richtig vorgehalten haben. Wenn Sie mir gegenüber ehrlich waren, dann waren meine Ratschläge für Sie von Nutzen. Sie können darauf zählen, dass Sie mich wieder um Rat fragen dürfen.«

»Danke.« Geary zögerte, da er sich nicht sicher war, wie er die offensichtlichen nächsten Fragen formulieren sollte.

»Was geschehen ist, ist geschehen«, erklärte sie sanft. »Was ich zuerst gesagt habe, trifft unverändert zu: Mein Herz wird immer einem anderen gehören. Aber davon abgesehen hat sich eigentlich nichts geändert. Selbst wenn mein Ehemann noch lebt, ist er für mich so verloren, wie ich es für ihn bin, als hätte der Tod ihn geholt. Verpflichtet fühle ich mich unverändert der Allianz. Ich weiß, Sie braucht mich.«

Das klang nicht richtig. »Madam Co-Präsidentin…«

»Victoria.«

Es war schon eine Weile her, seit sie für ihn Victoria gewesen war. »Victoria, ich brauche deinen Rat, und ich schätze deine Gesellschaft. Mehr als das kann ich von dir nicht verlangen.«

»Meine Ehre wurde bereits infrage gestellt, John Geary. Ich muss das tun, was ich von nun an für das Beste halte. Und du hast mir gefehlt. Das hat nicht ausschließlich mit meiner Pflicht zu tun.«

»Das höre ich gern.«

»Ich wollte es nicht so unpersönlich klingen lassen. Willst du mich? Ich bin nicht betrunken. Ich… ich brauche dich.«

Er betrachtete sie in der Düsternis seiner Kabine und konnte kaum die Umrisse ihres Gesichts erkennen. Sie klang so, als würde sie es ernst meinen. Doch wenn es Riones oberste Priorität war, die Allianz vor Black Jack zu beschützen, dann war es für sie von Vorteil, wenn er wieder im gleichen Bett schlief wie sie. Sie wusste, ihm war das Angebot unterbreitet worden, das sie ihm vorausgesagt hatte. Und sie wusste, dass er sich davon in Versuchung geführt fühlte. War es ein Zufall, dass sie am Abend des Tages in sein Bett zurückkehrte, an dem Captain Badaya ihm den Posten eines Diktators angeboten hatte, der angeblich bei der Mehrheit der Flotte Rückhalt fand?