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»Gute Frage. Und man hat nicht nur ein paar Grünschnäbel geopfert, sondern auch Schlachtschiffe und Schlachtkreuzer. Warum werfen sie uns diese Schiffe praktisch zum Fraß vor?« Geary drehte sich um. »Madam Co-Präsidentin? Was meinen Sie dazu?«

»Ich glaube, ich muss mir da erst mal etwas erklären lassen«, erwiderte Rione. »Sie erkennen anhand ihres Verhaltens, dass diese Besatzungen unerfahren waren. Ich erinnere mich an etwas Ähnliches bei Sancere. Einige Kriegsschiffe der Syndikatwelten konnten nur mit Mühe eine Kollision verhindern. Aber hier war das erheblich schlimmer.«

»Die Formation bei Sancere bestand aus neuen Schiffen mit kaum geschulten Besatzungen«, machte Desjani deutlich. »Ähnlich wie die, der wir hier begegnet sind, allerdings etwas besser ausgebildet.«

»Und?«, hakte Rione nach. »Was macht das aus? Wie beeinflusst die Besatzung das Verhalten eines Schiffs, wenn ein Steuerbefehl gegeben wird? Werden die Schiffsbewegungen nicht von automatisierten Systemen kontrolliert?«

Geary nickte und musste zugeben, dass das eine völlig berechtigte Frage war. »Stimmt. Bei den Geschwindigkeiten, mit denen Kriegsschiffe unterwegs sind, wäre es fast Selbstmord, das manuell zu erledigen.«

»Welchen Unterschied macht es dann, wie gut ausgebildet und wie erfahren eine Crew ist?«

Desjani antwortete wie eine Lehrerin, die von Riones offensichtlich verärgertem Tonfall keine Notiz nahm: »Man unterteilt drei Phasen der Ausbildung und Erfahrung mit der Steuerung von Kriegsschiffen. Diejenigen mit der geringsten Erfahrung trauen den automatischen Steuersystemen einfach nicht über den Weg, schließlich wissen wir, dass alles Automatisierte unter Fehlfunktionen leiden kann. Das größte Problem sind dabei die relativistischen Verzerrungen, die den menschlichen Instinkt schlicht überfordern. Wir glauben, die Steuersysteme reagieren verkehrt, da unsere Erfahrung in einer viel langsameren Umgebung nicht zu dem passt, was wir zu sehen und zu fühlen scheinen, wenn wir mit einem Zehntel Lichtgeschwindigkeit reisen. Eine Besatzung in dieser Phase reagiert am ehesten mit Panik, kommt zu dem Schluss, dass das System einen schweren Fehler macht, und versucht manuell zu manövrieren.« Desjani deutete auf das Display. »Sie haben gesehen, was dabei herauskommt. Man benötigt eine Weile, bis man akzeptieren kann, dass die Steuersysteme wissen, was sie tun, und bis man versteht, was passieren wird, wenn man eingreift. Das ist die zweite Phase der Ausbildung und Erfahrung. Diejenigen, die lange genug überleben, gelangen zu der Erkenntnis, dass auch automatischen Steuersystemen schon mal eine Fehlberechnung unterlaufen kann, und in seltenen Fällen wird es tatsächlich nötig, manuell einzugreifen. Dann muss man wissen, wann man das macht und was dann zu tun ist, womit wir bei der dritten Phase wären.«

Desjani lächelte Geary an. »Korrekt, Sir?«

»So war es zu meiner Zeit auch. Man muss lange Zeit bei 0,1 Licht und bei bis zu 0,2 Licht reisen, um den Instinkt zu entwickeln, wann man an einem automatischen System zweifeln sollte.« Auch er zeigte auf das Display. »Ich rede ganz bewusst von Instinkt, weil sich das Ganze auf einer unterbewussten Ebene abspielen muss. Es bleibt nicht genug Zeit, um das Gehirn einzubeziehen. Und selbst dann würde nur ein Trottel eingreifen, wenn zwei Formationen einander durchfliegen. Wenn man nämlich dabei sieht, dass sich eine Kollision ereignen wird, hat man den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht und ist längst nur noch Teil eines Plasmaballs.«

»Vielen Dank«, erwiderte Rione tonlos. »Dann ist die Antwort auf Ihre Frage offensichtlich. Man zog in Erwägung, Sie könnten in dieses System kommen, aber es war nicht die wahrscheinlichste Route. Man hat eine Streitmacht für alle Fälle hier zurückzulassen, allerdings hat niemand damit gerechnet, dass die Flotte tatsächlich hier auftaucht.«

Geary sah zu Desjani, die ihm zunickte. »Das klingt plausibel. Nur warum soll das hier unser unwahrscheinlichstes Ziel gewesen sein?«

Rione machte eine ausholende Geste und sprach mit übertriebener Betonung: »Weil der große Black Jack Geary wiederholt demonstriert hat, dass er nicht auf dem schnellsten Weg zur Allianz zurückzukehren gedenkt. Er bewegt sich vorsichtig und macht einen Bogen um die offensichtliche Route, um stattdessen eine zu wählen, die von den Syndiks als unwahrscheinlich angesehen wird.«

Das hörte sich nach einem logischen Argument an. »Sie versuchen, mich anhand meines bisherigen Verhaltens einzuschätzen, aber in diesem Fall bin ich völlig uncharakteristisch vorgegangen.«

»So kann man es auch nennen«, stimmte Rione ihm sarkastisch zu.

»Auf jeden Fall hat es funktioniert«, merkte Desjani in spitzem Tonfall an, da sie Geary sofort wieder zu beschützen versuchte.

»Aber darauf können wir uns ein zweites Mal nicht verlassen«, gab Rione im gleichen Ton zurück. »Sie sehen, dass der erste Syndik-Jäger bereits den Sprungpunkt ansteuert. Er wird überall die Nachricht verbreiten, wo sich die Allianz-Flotte aufhält, und dann werden die Syndiks das neue Verhaltensmuster sehen.«

»Ja«, ging Geary dazwischen, um einem Streit vorzubeugen. »Sie haben beide recht.« Glücklich schien das keine der Frauen zu machen. »Ich muss über unser nächstes Ziel nachdenken. Danke für Ihre Ausführungen, Captain Desjani, Madam Co-Präsidentin.« Er stand auf und fühlte sich steif, da er seit der Ankunft in Ixion seinen Platz nicht mehr verlassen hatte.

Rione stand ebenfalls auf und folgte Geary von der Brücke. Als ihnen im Gang niemand mehr entgegenkam, sagte sie zu ihm: »Das funktioniert nicht noch mal.«

»Ich habe gesagt, ich muss darüber nachdenken«, antwortete er etwas schroffer als beabsichtigt.

»Da gibt es nicht viel nachzudenken. Ich weiß, der nächste Stern auf direktem Weg zum Allianz-Territorium ist T'negu. Wenn wir dorthinfliegen, erwartet uns eine viel tödlichere Falle, als die, die uns diese armen Narren zu stellen versucht haben.«

»Damit könntest du recht haben.«

»Damit habe ich recht! Auch wenn mir nicht all die kleinen Details über die Abläufe in einer Flotte bekannt sind, die du so gern mit Captain Tanya Desjani teilst.«

Abrupt blieb er stehen und sah Rione finster an. »Hat das mit deiner Frage nach der Erfahrung zu tun? Du hast gefragt, wir haben dir geantwortet. Und das, wo du dir Mühe geben willst, um die Gerüchte zu entkräften, dass du auf Captain Desjani eifersüchtig bist!«

»Eifersüchtig?« Rione schüttelte lächelnd, aber völlig humorlos den Kopf. »Wohl eher nicht. Ich will dir nur vor Augen halten, dass Captain Desjani den Boden küsst, den du betrittst. Das beeinflusst, welchen Ratschlag sie dir gibt. Sie glaubt nicht daran, dass du scheitern könntest.«

»Das ist ja…« Geary zwang sich, sein Temperament zu zügeln. »Also gut. Ich gebe zu, es ist wichtig, mir das vor Augen zu führen. Ich habe es auch nicht vergessen. Und jetzt erkläre ich dir noch mal, dass ich mich bislang nicht entschieden habe, wohin wir als Nächstes fliegen werden. Warte bitte, bis ich mich entschlossen habe, dann kannst du mir immer noch sagen, wie verkehrt ich damit liege.«

»Bis dahin werde ich gerne warten.« Rione seufzte und fuhr sich durchs Haar. »Ich will dich damit nicht ärgern, aber ich bin besorgt. Dieser Sprung in Richtung Allianz ist viel glatter gelaufen, als jeder von uns es erwartet hätte. Du bist doch auch überrascht, oder nicht? Danke, dass du das zugibst. Es verläuft ein schmaler Grat zwischen dem Selbstvertrauen, das nötig ist, um diese Flotte zu führen, und jener Selbstüberschätzung, die ihr den Untergang bringen wird.«

Aus ihrer Stimme waren weder Spott noch Wut herauszuhören, also antwortete er genauso ernst: »Ich weiß, und deshalb brauche ich jemanden, dem ich vertrauen kann, dass er meine Entscheidungen hinterfragt.«

»Jemand, der weiß, dass du in Wahrheit auch nur menschlich bist«, betonte Rione.