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»Ich weiß, dass ich nicht der bin, den die Leute für Black Jack halten.«

»Mir ist das klar. Aber…« Diesmal zog Rione grübelnd die Augenbrauen zusammen. »Bist du eifersüchtig auf ihn?«

Diese Frage traf ihn völlig unvorbereitet. »Was?«

»Bist du eifersüchtig auf Black Jack? Auf den großen Helden, der jede Schlacht gewinnen kann? Willst du beweisen, dass du genauso gut sein kannst wie er?«

»Nein! Das ist lächerlich!«

»Wirklich?« Sekundenlang betrachtete sie ihn eindringlich. »Viele deiner Anhänger, darunter auch gewisse Captains verehren Black Jack, aber nicht zwangsläufig auch dich. Jeden Menschen würde so etwas frustrieren.«

»Gewisse Captains wissen mittlerweile, wer ich bin.« Dennoch geriet Geary ins Grübeln. Er reagierte wütend, wenn die Rede auf Black Jack kam, fast so, als wäre der Mythos ein Rivale für den eigentlichen Mann dahinter. »Ich glaube nicht, dass ich versuche, irgendetwas zu beweisen.«

»Danke, dass du das so ausdrückst. Ich kann dich nur bitten, dir vor Augen zu halten, dass Neid auf Black Jack dein Denken beeinflussen könnte.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich finde immer noch, dass dieser Vorstoß in Richtung Allianz ein gefährlicher Zug war. Bislang hat es ganz gut funktioniert, aber jetzt sind wir in Ixion, und die Syndiks kommen uns wieder näher. Und ich frage mich unwillkürlich, ob du das vielleicht nur gemacht hast, weil Black Jack es auch getan hätte.«

Vielleicht ja. Immerhin waren die Captains seiner Flotte wieder unruhig geworden und wollten ein Vorankommen sehen, sie wollten einen mutigen, keinen bedächtigen Zug sehen. Er hatte es gewusst, und er hatte ihnen gegeben, was sie wollten. »Ich kann nicht ignorieren, was die Offiziere dieser Flotte erwarten und sehen wollen. Das weißt du.«

»Ja, ich weiß. Aber was diese Offiziere brauchen, ist ein umsichtiger, kluger Captain John Geary, kein heroischer Black Jack.« Sie machte einen Schritt nach hinten. »Lass dir das mal durch den Kopf gehen. So, ich muss mich jetzt um die Schiffe der Callas-Republik kümmern. Wir sehen uns heute Abend, wenn sich nichts Unvorhergesehenes ereignet.«

»Okay.« Er sah ihr nach, dann machte er sich auf den Weg zu seinem eigenen Quartier. Habe ich versucht, Black Jack zu übertreffen oder es ihm zumindest gleichzutun? Nein. So nervenaufreibend es auch ist, diese Legende am Hals zu haben, sie verleiht mir doch auch den Einfluss, den ich benötige, um diese Flotte zu führen. Es geht nicht darum, dass ich versuche, klüger als Black Jack zu sein. Nein, ich versuche, klüger als die Syndiks zu sein, seit mir dieses Kommando aufs Auge gedrückt wurde. Jetzt haben die Syndiks genug von mir erlebt, und jetzt können sie versuchen mich zu überlisten, während ich sie zu überlisten versuche. Aber wie überliste ich mich und die Syndiks gleichzeitig?

Ich muss mit jemandem reden. Aber mit wem? Duellos, Tulev, Cresida — sie können alle gute Ratschläge geben, dennoch denken sie alle in Strukturen, mit denen die Syndiks vertraut sind. Rione ist eine sehr scharfsinnige Politikerin, aber wenn es um Entscheidungen über die Flotte geht, dann stößt sie an ihre Grenzen. Desjani… Rione hat recht. Tanya Desjani hält es nicht für möglich, dass ich eine falsche Entscheidung treffen könnte.

Wer ist da noch? Ich kann nicht meine Widersacher in der Flotte fragen, weil ich weiß, wie sie denken. Midea, Casia, Numos, Faresa.

Und Falco.

Falco.

Rione würde einen Tobsuchtsanfall bekommen.

Trotzdem frage ich mich, was Falco sagen würde. Der Mann ist ein Narr und er ist verrückt, aber… aber wenn ich eine Meinung hören will, die sich völlig von dem unterscheidet, was ich normalerweise mache…

Sieben

»Wie geht es Captain Falco?«, fragte Geary in einem dienstlich forschen Ton, in den sich eine Spur von Sorge um einen Offizier der eigenen Flotte mischte. Schließlich sollte niemand behaupten können, er habe sich über Falco lustig gemacht.

Der Flottenarzt auf dem Bildschirm zog leicht die Augenbrauen zusammen. »Er ist glücklich.«

Was nur bedeuten konnte, dass Falco weiter in seinen Wahnvorstellungen lebte. Hätte er gewusst, dass er unter Arrest stand, aber nicht das Kommando über die Flotte innehatte, wäre es vermutlich zu einem Tobsuchtsanfall gekommen. »Wird er behandelt?«

»Er wird in einer stabilen Verfassung gehalten«, erwiderte der Arzt. »So lauten unsere Befehle, und das ist auch die übliche Vorgehensweise, wenn kein Verwandter verfügbar ist, der über die weitere Behandlung entscheiden kann. Wir sorgen dafür, dass sich sein Zustand nicht verschlechtert, und wir achten darauf, dass er nicht gewalttätig wird oder sich sogar selbst Verletzungen zufügt. Die meiste Zeit verbringt er damit, Feldzüge zu planen und sich um organisatorische Bedürfnisse einer virtuellen Flotte zu kümmern, auf die er zugreifen kann.«

»Als ich mich das letzte Mal erkundigt hatte, führten die Arzte bei ihm noch immer Tests durch, um seinen Zustand zu beurteilen. Können Sie mir sagen, ob eine Heilung möglich ist?«, fragte Geary, auch wenn er sich gar nicht sicher war, ob er die Antwort darauf tatsächlich hören wollte.

»Warten Sie, ich muss seine Unterlagen aufrufen.« Das Bild des Doktors verschwand, an seine Stelle rückte ein Platzhaltermotiv, das Flottenärzte bei der Arbeit zeigte. Geary versuchte, sich nicht über das Benehmen des Mannes zu ärgern, das die gleiche Art von Arroganz gegenüber medizinischen Laien erkennen ließ, wie es schon in seiner Zeit hundert Jahre zuvor an der Tagesordnung gewesen war — und wohl auch schon in den Jahrtausenden davor.

Schließlich tauchte der Doktor wieder auf dem Schirm auf. »Eine Heilung ist möglich. Sogar wahrscheinlich, würde ich sagen. Aber nur für einen Teil der Symptome«, erklärte er dann. »Wir könnten die Wahnvorstellungen deutlich reduzieren. Ich habe mich mit Captain Falcos Unterlagen und Vorgeschichte beschäftigt, und bei ihm besteht eine lange Vorerkrankungszeit. Sein Verhalten ist für ihn zur Gewohnheit geworden, und eine grundlegende Behandlung würde jetzt auch nichts mehr an Captain Falcos Denkstrukturen ändern.«

»Eine lange Vorerkrankung? Sie meinen, Captain Falco hat dieses Verhalten entwickelt, als er sich in der Gefangenschaft der Syndiks befand?«

»Nein, nein«, widersprach der Arzt in diesem leicht gereizten Tonfall, der bei seinem Berufsstand weit verbreitet war und immer dann zum Vorschein kam, wenn er mit einem Nicht-Mediziner sprach, der die Geheimnisse der Medizin zu begreifen versuchte. »Viel länger als das. Lange vor seiner Gefangennahme zeigte Captain Falco bereits diese Symptome, da er glaubte, er allein sei dazu qualifiziert und fähig, die Allianz-Flotte zu befehligen und den Krieg für die Allianz zu gewinnen. Das kommt viel häufiger vor, als Sie sich vorstellen können«, führte der Arzt aus, der offenbar bereits vergessen hatte, dass er mit dem Befehlshaber der Flotte sprach.

»Tatsächlich?«

»O ja. Vor einigen Jahrzehnten trat das so gehäuft auf, dass man dem Verhalten einen Namen gab.«

»Einen Namen?«

»Aber selbstverständlich. Man nennt das einen Geary-Komplex.« Der Doktor stutzte, dann sah er Geary an und kniff die Augen ein wenig zusammen. »Das sind Sie, nicht wahr?«

»Soweit ich weiß, ja«, entgegnete Geary und fragte sich, wie viele Offiziere wohl in den letzten hundert Jahren unter dem Geary-Komplex gelitten haben mochten.

Der Arzt nickte nachdenklich und musterte Geary eindringlich, als erwarte er jeden Moment, dass er einen Wutanfall bekam. »Na, dann dürften Sie ja wissen, wovon ich rede.«

Geary begann zu lachen, dann geriet er aber ins Stocken. Er konnte sich nur zu gut vorstellen, was Victoria Rione dazu sagen würde, und zum Teil hätte sie damit sogar recht. Er glaubte tatsächlich, dass er am besten geeignet war, um diese Flotte zu befehligen. Doch das lag daran, dass er seine Legende nutzen konnte, um die Flotte zusammenzuhalten, und dass er durch Ausbildung dasjenige Wissen aus der Vergangenheit besaß, das ihm hier half, Siege zu erringen. Er hatte keine überzogenen Vorstellungen von seinen Fähigkeiten, er glaubte auch nicht, dass nur er allein die Flotte zum Sieg führen konnte, und er wollte sich auch nicht mit der Legende von Black Jack messen.