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Ich bin nicht wie Falco, und ich will auch nicht so sein wie er. Die Unterschiede zwischen uns sind der Grund, wieso ich mit ihm reden möchte.

Letztlich beließ er es bei einem Schulterzucken. »Mag sein, Doktor. Aber ich wollte das Kommando über diese Flotte eigentlich nie haben. Mir blieb keine andere Wahl. Ich bin der dienstälteste Offizier und ich habe meine Pflicht zu erfüllen.«

Der Arzt nickte auf eine Weise, als stimme er einem Patienten allein aus dem Grund zu, selbst seine Ruhe zu haben. »Ja, natürlich. So oder ähnlich formulieren sie es alle. Die Pflicht, die Verantwortung, um die Allianz zu retten, und so weiter.«

Geary seufzte, da ihm die Richtung nicht gefiel, in die sich diese Unterhaltung entwickelte. »Ich habe die Verantwortung, Leben zu retten, Doktor, und wenn Sie die Datenbank der Flotte aufrufen, werden Sie sehen, dass ich der bei Weitem dienstälteste Captain der Flotte bin.« Vor hundert Jahren hatte man ihn zum Captain befördert, posthum, weil man glaubte, er sei bei Grendel ums Leben gekommen, doch das war für die Regularien der Flotte unerheblich. Als er lebend aufgefunden wurde, zählte nur noch, seit wann er Captain war. »Kann ich für Captain Falco eine Behandlung anordnen? Damit er in die Realität zurückkehrt?«

»Wenn Sie der Flottenkommandant sind, können Sie das anordnen. Natürlich werden sich die Allianz-Behörden später damit befassen.«

Die Entscheidung hätte ihm eigentlich leichtfallen müssen. Warum sollte ein Mann dem Wahnsinn überlassen bleiben, wenn es auch anders ging? Aber Falco stand unter Arrest und hatte sich einer Reihe von Verstößen gegen Flottenbestimmungen und Gesetze der Allianz schuldig gemacht, die die Todesstrafe nach sich ziehen würden. Wenn er ein Heilmittel bekam, fand er sich in einer Realität wieder, die deutlich unerfreulicher war als die Wahnvorstellungen, in deren Bann er sich befand. Aber wer hatte das Recht zu entscheiden, einem anderen die Heilung seiner Krankheit zu verweigern, wenn es in seiner Macht stand? »Keine leichte Entscheidung«, befand er schließlich.

»Ich würde davon abraten«, ließ der Doktor ihn wissen. »Wenn man alle Umstände bedenkt, könnte Captain Falco in tiefe Depressionen versinken und einen Suizid versuchen, sobald er wieder in der Lage ist, die Realität wahrzunehmen. Mit den Fakten sollte er besser erst konfrontiert werden, wenn er in einer entsprechenden Einrichtung untergebracht ist, die über angemessen ausgebildetes Personal verfügt.«

Das war die Ausrede, auf die Geary gehofft hatte. So musste er nicht selbst die Entscheidung treffen. »Ich sehe keinen Grund, mich über Ihre Empfehlung hinwegzusetzen. Informieren Sie mich bitte umgehend, wenn es einen Grund für Sie gibt, Ihre Meinung zu ändern, oder wenn sich Captain Falcos Zustand ändert oder deutlich verschlechtert.«

»Ich denke, das kann ich machen. Ja, Sie sind der Flottenkommandant, und damit sind Sie auch autorisiert, diese Informationen einzusehen.«

»Danke. Ich würde Captain Falco gern im virtuellen Modus besuchen.«

»Ihn besuchen?«, wiederholte der Arzt verdutzt.

»Bekommt Captain Falco keinen Besuch?«

»Er steht unter Arrest. Wussten Sie das nicht?«

»Doch«, erklärte Geary geduldig. »Ich bin derjenige, der den Arrest angeordnet hat.«

»Oh. Ja. Aber wollen Sie ihn jetzt sehen?«

»Sehen und mit ihm reden.«

Der Doktor machte eine nachdenkliche Miene, dann nickte er. »Aus der Sicht von Captain Falcos Zustand spricht nichts dagegen. Und da Sie nicht körperlich anwesend sein werden, besteht für keinen von Ihnen Verletzungsgefahr. Ich würde Ihnen allerdings raten, ihn nicht nachdrücklich auf seinen wahren Zustand anzusprechen.«

»Das hatte ich auch nicht vor. Ich nehme doch an, die Software im Konferenzraum erlaubt einen virtuellen Besuch in Falcos Quartier. Dafür benötige ich von Ihnen den Link und alle notwendigen Zugriffscodes.«

Es folgten weiteres Stirnrunzeln sowie ergänzende Warnungen und Hinweise auf medizinische Abläufe und Wahrung der Privatsphäre, aber letztlich gab der Arzt die erforderlichen Daten heraus. Erleichtert machte sich Geary auf den Weg zum Konferenzraum, wobei er ein ungutes Gefühl abzuwehren versuchte.

Er wollte nicht darüber nachdenken, was mit Falco geschehen war. Eigentlich wollte er den Mann dafür hassen, dass er den sinnlosen Tod so vieler Schiffe und Besatzungsmitglieder auf dem Gewissen hatte. In gewisser Weise tat ihm der Mann aber sogar leid, zugleich fürchtete er sich jedoch davor, was Falco noch alles anrichten würde, wenn er in die Realität zurückgeholt wurde — oder zumindest in seine Version der Realität, wie er sie sich vor langer Zeit zurechtgelegt hatte.

Geary achtete darauf, den Zugang zum Konferenzraum mit seinem eigenen Zugangscode zu versiegeln, dann aktivierte er die Konferenzsoftware auf der höchsten Sicherheitsstufe und gab die Daten ein, um sich an Falco wenden zu können.

Einen Moment später stand das Bild des Captains vor ihm, makellos in seine Uniform gekleidet, und machte den Eindruck, als sei er gerade mit etwas Wichtigem beschäftigt gewesen. Er sah sich um und entdeckte Geary. »Ja?« Es dauerte wohl nicht mal eine Sekunde, da wich sein verärgerter Gesichtsausdruck jenem einstudierten, kameradschaftlichen Lächeln, das Geary von ihm in Erinnerung hatte.

»Captain Falco, ich wollte Sie fragen, ob Sie wohl Zeit hätten, um ein paar Dinge mit mir zu besprechen«, begann Geary behutsam.

»Zeit? Sie wissen, ein Flottenkommandant wie ich trägt eine immense Verantwortung«, machte Falco ihm klar und lächelte erneut. »Aber für einen Offizier der Flotte kann ich immer ein paar Minuten erübrigen. Ich habe die Ehrengarde der Marines vor meinem Quartier angewiesen, jeden Offizier passieren zu lassen, der mich sprechen möchte.«

Wie der Arzt gesagt hatte, glaubte Falco tatsächlich, er habe das Kommando über die Flotte. Selbst für die Wachen vor seiner Tür hatte er eine Erklärung, die sich in seine Wahrnehmung der Realität einfügte. Ob er ihn überhaupt wiedererkannte? »Es geht um ein taktisches Anliegen, das die Bewegung der Flotte betrifft.«

»Ja, selbstverständlich. Ich habe mich mit der Situation beschäftigt, aber ich bin noch zu keiner Entscheidung gekommen, welches System wir als Nächstes ansteuern sollen.«

Das klang so sehr nach der Antwort, die Geary Rione gegeben hatte, dass er sich zusammenreißen musste, um nicht vor Schreck zusammenzuzucken. »Darf ich?«, fragte er Falco und aktivierte das Sternendisplay, das die aktuelle Umgebung anzeigte. Falco betrachtete die Darstellung, als kenne er sie bereits in- und auswendig. »Die Flotte befindet sich bei Ixion.«

»Ja, natürlich. Die jüngste Offensive verläuft bestens«, erklärte Falco.

»Ahm… ja. Aber wir haben jetzt Kurs auf das Allianz-System genommen.«

»Hmmm.« Falco studierte das Display, und einen Moment lang wirkte er verwirrt. »Hypernet. Das Hypernet der Syndiks.«

»Wir können es benutzen«, entgegnete Geary. »Doch die Syndiks werden versuchen, jedes Portal zu zerstören, bevor wir es erreicht haben.«

»Richtig«, stimmte Falco ihm zu. »Der direkte Weg in Richtung Allianz führt über T'negu. Aber das wird nicht unser Ziel sein.«

»Nicht?« Geary hatte erwartet, Falco würde T'negu als ihre einzige Alternative bezeichnen.

»Natürlich nicht!« Falco lächelte noch eine Spur gefälliger. »Das ist eine Falle! Ganz offensichtlich sogar. Ist das nicht deutlich?« Geary nickte, auch wenn ihm in Wahrheit gar nichts deutlich war. »Minen! Das System wird mit Minen übersät sein.« Falcos Miene fiel förmlich in sich zusammen, und er murmelte: »Minen.« Geary fragte sich, ob der Mann daran zurückdachte, welche Verheerungen das Minenfeld der Syndiks bei Vidha angerichtet hatte.