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Bislang hatte Geary nicht die Möglichkeit in Betracht gezogen, die Syndiks könnten bei T'negu einen regelrechten Minenteppich ausrollen, aber der Gedanke war gar nicht so verkehrt. Die Nähe zur Allianz lockte dort, und wenn sie sich dem heimischen Gebiet weiter nähern wollten, dann war das nur in diese Richtung möglich. Das System T'negu verfügte über keinerlei bewohnbare Planeten, und nur auf einer Welt, die zu weit von der Sonne entfernt war, daher nicht genügend Wärme abbekam, und deren Atmosphäre zu dünn war, existierte eine kleine Syndik-Präsenz in unterirdischen Städten. Nicht nur jeder Sprungpunkt in diesem System, sondern das ganze System an sich konnte großflächig vermint werden. Wie großflächig, das hing einzig davon ab, wie viele Minen die Syndiks zur Verfügung hatten.

Falco starrte noch immer auf das Sternendisplay und schwieg.

»Wohin sollten wir stattdessen reisen?«, fragte Geary.

»Wohin?« Falco blinzelte, sah zu Geary und wandte sich dann wieder dem Display zu. »Lakota.«

»Lakota? Da gibt es ein Hypernet-Portal. Die Syndiks können mühelos mehr Streitkräfte in dieses System verlegen.«

»Eben. Den Syndiks ist bekannt, dass wir das wissen! Und das bedeutet, sie müssen keine Verstärkung schicken. Schließlich glauben sie, wir haben Angst, uns dorthin zu begeben.« Falco grinste triumphierend. »Wir werden sie überraschen.«

Geary versuchte, Falcos Argumentation zu folgen, und musste einsehen, dass es durchaus überzeugend klang. Zudem war es etwas, das Geary eigentlich nicht in Erwägung gezogen hätte. Lag Falco richtig? Die Syndiks mussten die Verluste zu spüren bekommen haben, die die Allianz-Flotte ihnen in den letzten Monaten zugefügt hatte. Sie hatten zahlreiche Schiffe verloren. Aber würden sie es wagen, keine Verstärkung nach Lakota zu schicken, nur weil sie glaubten, die Allianz-Flotte würde den Sprung in dieses System gar nicht erst wagen?

Falco wusste nichts von der Zerstörung des Hypernet-Portals bei Sancere, und ihm war damit auch nicht bekannt, dass die Syndiks lieber ein Portal zerstörten, anstatt der Allianz-Flotte Gelegenheit zu geben, durch das Portal zu entkommen. Aber die Syndiks wussten, dass die Allianz-Flotte darüber informiert war.

»Es wird eine Syndik-Streitmacht anwesend sein, um das Hypernet-Portal zu bewachen«, machte Geary ihm klar. »Die können es sich nicht leisten, auf eine große Flotte im System zu verzichten.«

»Sicher«, stimmte Falco ihm zu und winkte ab. »Aber damit kommen wir klar. Wir werden die Verteidiger ausradieren, die bewohnte Welt in Schutt und Asche legen, und dann verlassen wir das System, wenn wir es wollen.«

Das mochte so sein, doch Geary hatte nicht die Absicht, zivile Ziele zu bombardieren. Das Material von Baldur, das Lieutenant Iger ihm gezeigt hatte, war nur eine Bestätigung seiner eigenen Ansicht gewesen, dass die Strategie der Allianz, einen bedingungslosen Krieg zu führen, ganz massiv nach hinten losgegangen war. Die Bürger einer durchschnittlichen Syndikatwelt fürchteten sich vor der Allianz und hatten Angst, ihre Heimatwelten könnten verwüstet werden, und aus diesem Grund setzten sie sich umso energischer gegen die Allianz zur Wehr. Aber was war mit dem grundsätzlichen Argument, Lakota zum Ziel zu nehmen? War Falco einfach nur völlig verrückt?

Geary betrachtete das Display. Für eine Weiterreise mit Sprungantrieb ging es von Lakota aus zu drei weiteren Sternen.

Es könnte funktionieren.

»Danke, Captain Falco. Und entschuldigen Sie die Störung.« Als Falco ihn wieder anlächelte, verspürte Geary Schuldgefühle, da er einen geisteskranken Mann getäuscht hatte. »Geht es Ihnen gut?«

Falco überlegte kurz. »Ob es mir gut geht? Ja, natürlich. Wenn man einmal von dem Stress absieht, den ein solches Kommando mit sich bringt. Aber Sie wissen ja selbst, wie das ist. Dennoch, es ist mir eine Ehre, der Allianz in jeder denkbaren Hinsicht zu dienen. Das ist meine Pflicht.« Dann lächelte er wieder.

»Benötigen Sie irgendetwas?«

»Ja, wir sollten in Kürze eine Flottenkonferenz anberaumen. Bereiten Sie bitte alles vor, Captain…?«

»Geary.«

»Tatsächlich? Sind Sie verwandt mit dem großen Helden?«

Geary nickte. »Ja, entfernt verwandt.«

»Großartig. Gut, wenn Sie mich dann entschuldigen würden — die Pflicht ruft.« Plötzlich sah sich Falco unsicher um.

Er unterbrach die Verbindung, das Bild des Captains verschwand. Verdammt, verdammt, verdammt!

* * *

»Lakota?«, fragte Victoria Rione so laut, dass sie fast schrie. »Wie kommst du denn auf diese Idee?« Dann riss sie entsetzt die Augen auf. »Du hast heute Nachmittag mit Captain Falco gesprochen! War das seine Idee? Hast du auf ihn gehört?«

»Ich…« Plötzlich stutzte Geary. »Du weißt, dass ich mit Falco gesprochen habe? Diese Unterhaltung unterlag der höchsten Geheimhaltungsstufe.«

»Ich weiß nicht, was du mit ihm besprochen hast, wenn dich das beruhigt.« Kopfschüttelnd drehte sie sich weg. »Sag mir bitte, dass du ihn nicht um Rat gefragt hast.«

»So würde ich das nicht ausdrücken.« Geary fühlte sich in die Defensive gedrängt, zumal er wusste, dass Rione allen Grund hatte, sich zu entrüsten. »Ich wollte nur wissen, was er tun würde.«

»Irgendetwas Blödsinniges! Das hätte ich dir auch so sagen können!«

»Er wollte nicht nach T'negu.«

Rione wirbelte herum und sah Geary mit zusammengekniffenen Augen an.

»Falco meint, in T'negu lauert eine Falle auf uns.«

Sie fuchtelte wild mit den Händen. »Und jetzt muss ich auch noch feststellen, dass ich mit Captain Falco einer Meinung bin. Ich hätte nicht gedacht, dass ich den Tag erleben werde.«

Geary warf einen prüfenden Blick zur Luke, ob die auch tatsächlich geschlossen war. Er wollte nicht, dass irgendjemand diese Unterhaltung belauschte. »Sieh mal, ich persönlich würde nicht nach Lakota fliegen.«

»Dann tu es auch nicht.«

»Naja, aber die Syndiks werden vermutlich wissen, dass ich das nicht machen würde«, erklärte Geary mit aller Geduld, die er aufbringen konnte. »Sie wissen, wohin ich die Flotte wahrscheinlich schicken werde, nämlich zu einem der anderen Sterne, die von Ixion aus zu erreichen sind. Und sie wissen, welcher Stern unser Ziel ist, wenn wir weiter in Richtung Allianz-Territorium vordringen wollen. Lakota fällt in keine dieser Kategorien.«

»Weil es Irrsinn ist, nach Lakota zu fliegen!«

»Die Syndiks wissen, dass es Irrsinn ist, und wir wissen das ebenfalls, und genau deshalb halten sie es vielleicht für am unwahrscheinlichsten, dass wir dorthin fliegen.«

Rione sah ihn starr an. »Das ist dein Ernst, nicht wahr?«

»Ja.« Geary ging in seinem Quartier auf und ab, dann blieb er stehen und warf einen Blick auf das Sternendisplay, in dessen Mitte sich Ixion befand. »T'negu ist ein zu offensichtliches nächstes Ziel. Wenn wir dorthin fliegen, müssen wir davon ausgehen, dass jeder Sprungpunkt mit mehr Minen bestückt ist als hier. Kehren wir nach Daiquon um, dann versetzen wir der Moral dieser Flotte einen Tiefschlag, und wir laufen Gefahr, einer Syndik-Streitmacht zu begegnen, die uns möglicherweise von System zu System verfolgt. Vosta führt uns wieder tiefer ins Syndik-Territorium hinein, und mit dem Sprungantrieb können wir von da nur zwei Sterne erreichen. Kopara führt seitlich von hier weg, dort entlang nähern wir uns der Allianz nicht, aber wir verlieren auch nicht an Boden. Von da gibt es allerdings nur einen einzigen Stern, den wir per Sprung erreichen können, nämlich Dansik. Nach den Aufzeichnungen, die wir in unseren Besitz gebracht haben, handelt es sich dabei um ein regionales Militärhauptquartier, das auf jeden Fall über erhebliche Verteidigungsanlagen verfügen wird. Damit bleibt nur Lakota.«

Riones Blick wanderte vom Display zu Geary und zurück, wobei ihre Miene nichts verriet. »Wohin würde Captain Geary reisen?«