Zu beiden Seiten der Hauptformation fanden sich Echo Five Two und Five Three. Zu Five Two gehörten die acht Schlachtkreuzer der Ersten und Zweiten Division, außerdem einige leichtere Schiffe, während Five Three aus den acht Schlachtschiffen der Zweiten und Fünften Division sowie aus leichteren Einheiten bestand. Die Nachhut bildete Echo Five Five, zu der die vier Hilfsschiffe, beschädigte Kriegsschiffe wie die Warrior, die Orion und die Majestic sowie die Indefatigable, die Defiant und die Audacious der Siebten Schlachtschiffdivision gehörten.
Die restlichen fünf Schlachtkreuzer — darunter die Dauntless —, die dreizehn übrigen Schlachtschiffe und die beiden Scout-Schlachtschiffe bildeten den Kern der Unterformation Echo Five Four, der von den übrigen Schweren und Leichten Kreuzern sowie den Zerstörern begleitet wurde. Insgesamt betrachtet sollte die Allianz-Flotte mit allem zurechtkommen können, was sich ihnen womöglich in den Weg stellte, sobald sie den Sprungpunkt bei Lakota verließen.
»Alle Einheiten haben ihre Geschwindigkeit auf 0,04 Licht reduziert«, meldete Captain Desjani. »Alle Einheiten melden, dass sie zum Sprung bereit sind.«
Geary nickte bedächtig und hoffte inständig, dass ihm jetzt nicht jener Fehler unterlief, vor dem er schon seit dem Tag Angst hatte, an dem ihm das Kommando über diese Flotte übertragen worden war. »An alle Einheiten: Gehen Sie in Gefechtsbereitschaft, wenn Sie bei Lakota den Sprungraum verlassen. Alle Einheiten: Springen Sie jetzt.«
Acht
Fünfeinhalb Tage bis Lakota. Weitere fünfeinhalb Tage, in denen es nichts anderes zu sehen gab als das endlose graue Nichts des Sprungraums.
»Wie fühlst du dich?«, fragte Rione ihn.
»Besorgt«, erwiderte Geary, ohne den Blick vom Display zu nehmen.
Sie setzte sich neben ihn und schaute ebenfalls auf die Darstellung der Umgebung. »Erzähl mir doch mal, wie das Leben im Sprungraum so war.«
»Sehr witzig.«
»Oh, ganz so witzig ist das gar nicht gemeint.« Sie atmete tief durch. »Erinnerst du dich an irgendetwas?«
Er sah sie an. »Du meinst den Kälteschlaf.«
»Ja. Hundert Jahre. Es gibt nicht viele Menschen, die das so lange Zeit überlebt haben. Genau genommen kenne ich nur einen.«
»Ich Glückspilz.« Er dachte über ihre Frage nach. »Ich weiß es nicht. Manchmal glaube ich, dass ich mich an Träume erinnere, aber das können auch Erinnerungen an Träume vor der Schlacht bei Grendel sein. Ich sprang in die Rettungskapsel, als mein Schiff kurz vor der Explosion stand, ohne dass mir noch Zeit blieb, an die Schlacht zu denken. Und als die Flottenärzte mich aufweckten, da hatte ich das Gefühl, nur ein paar Minuten geschlafen zu haben. Zuerst habe ich ihnen kein Wort geglaubt. Ich hielt das für irgendeinen Syndik-Trick. Ich konnte nicht fassen, dass jeder, den ich mal gekannt hatte, tot war. Alles, was ich gekannt hatte, lag hundert Jahre hinter mir.«
»Und dann musstest du erfahren, dass aus dir Black Jack Geary geworden war, der mythische Held der Allianz«, fügte Rione mit sanfter Stimme an.
»Ja. Das Einzige, was mich gerettet hat, war dieses Kommando, das ich übernehmen musste. Dadurch war ich gezwungen, aus dem Schneckenhaus hervorzukommen, in das ich mich zum Schutz vor allem zurückgezogen hatte.« Er erinnerte sich an das Eis, das anfangs in ihm existiert hatte, an die Kälte, die versucht hatte, einen Wall zu errichten, damit die Welt um ihn herum nicht bis zu ihm vordringen konnte. »Wäre das nicht gewesen…« Geary schüttelte den Kopf.
»Glück für uns, und Glück für dich.«
»Und bist du glücklich?«, fragte er sie.
»Ich?« Rione seufzte leise. »Ich frage mich immer, ob mein Ehemann eines dieser Lichter ist. Ich frage mich, wie meine Vorfahren über mich denken. Ich frage mich, was uns bei Lakota erwartet und was aus der Allianz werden wird. Kann man von Glück reden, wenn man in solchen Zeiten lebt und mit solchen Fragen konfrontiert wird?«
»Da würde ich eher von Unglück reden.«
»Ja, das sehe ich auch so.«
Wenigstens gab es Papierkram zu erledigen, mit dem er sich die Zeit vertreiben und sich von seinen ständigen Überlegungen ablenken konnte, was sie wohl erwartete, wenn sie Lakota erreichten. Das Eigenartige daran war, dass von allem Papierkram kaum etwas auf Papier ausgedruckt wurde, weshalb er sich zwangsläufig die Frage stellte, woher dieser Begriff eigentlich kam. Geary stutzte, als er eine Nachricht von der Furious entdeckte. Routinemäßige Versetzungen von Personal sollten ihn eigentlich nicht mal als Kopien zur Information erreichen. Wenn das auch anfing, würde er in Papierkram untergehen.
Dann aber las er den Namen auf der Versetzungsliste und nahm mit Captain Desjani Kontakt auf. »Ich habe hier einen Versetzungsbefehl von der Furious und…«
»Jawohl, Sir, ich komme sofort runter, um mit Ihnen darüber zu reden, Sir.«
Geary wartete und grübelte bis zu Captain Desjanis Eintreffen, was nun wieder los war. Er bedeutete ihr, Platz zu nehmen, und sie setzte sich wie üblich in Habachthaltung hin. Seit die Gerüchte über sie beide zu kursieren begonnen hatten, bat er sie längst nicht mehr, sich zu entspannen. Er fragte sich, ob diese Versetzung in einem Zusammenhang mit den Gerüchten stand. »Mir liegt hier der Befehl vor, dass Lieutenant Casell Riva von der Furious auf die Vambrace versetzt werden soll.«
Desjani verzog keine Miene, während sie nickte. »Ein Schwerer Kreuzer mag ihm lieber sein, aber die Bedürfnisse der Flotte haben in jedem Fall Priorität.«
»Ich verstehe.« Nein, eigentlich nicht. »Wussten Sie darüber Bescheid?«
»Captain Cresida hat mich davon in Kenntnis gesetzt, dass sie beabsichtigte, Lieutenant Riva zu versetzen, Sir.«
»Und das ist für Sie in Ordnung?«
»Sir, ich kann mich nicht mit dem Schicksal jedes Junioroffiziers auf anderen Schiffen der Flotte befassen.«
Geary gab sich Mühe, sich seine Verwunderung nicht anmerken zu lassen. »Normalerweise haben Sie damit sicher recht. Mich sollte es auch nicht kümmern, wenn ich in diesem speziellen Fall nicht wüsste, dass Sie gehofft hatten, mit Lieutenant Riva wieder eine persönliche Beziehung aufzubauen.« Wie lange war das eigentlich her, dass er mit ihr darüber gesprochen hatte? Er konnte es nicht sagen. So viel Zeit galt seiner eigenen Beziehung zu Rione, hinzu kamen die Gerüchte über sein angebliches Verhältnis mit Desjani. Es war eindeutig zu lange her, dass er irgendwelches Interesse daran gezeigt hatte, was sich eigentlich in ihrem Privatleben abspielte.
Desjani zuckte mit den Schultern. »Co-Präsidentin Rione und ich haben gewisse Dinge gemeinsam, Sir.«
Das überraschte ihn nun wirklich.
Sie musste es seinem Gesichtsausdruck angesehen haben, da sie behutsam erklärte: »Geister aus unserer Vergangenheit, die alte Emotionen aufrühren und in ihrem Kielwasser Trümmer hinterlassen.«
»Ich verstehe nicht. Ich dachte, Sie und Lieutenant Riva…«
»Lieutenant Riva entwickelte großes Interesse an einer Offizierin an Bord der Furious, und er beschloss, im Sinne dieses Interesses zu handeln.«
»Aber das ist…«
»Jawohl, Sir. Captain Cresida musste energisch durchgreifen, weil er die Ordnung und Disziplin an Bord nachhaltig gestört hatte. Deshalb habe ich auch nur davon erfahren. Lieutenant Riva hielt es nicht für nötig, mich von seinen neuen Interessen in Kenntnis zu setzen.«