Duellos grinste, salutierte und verschwand.
Rione saß noch immer an ihrem Platz, und nun drehte sie sich zu Geary um. »Du solltest mir Leute wie diese Midea überlassen. Ich bin kein Offizier dieser Flotte, und ich kann bei diesen Treffen nicht dabei mitreden, welches Schiff wo platziert sein soll. Aber sie treibt politische Spielchen, und auf dem Gebiet ist sie mir hoffnungslos unterlegen.«
Er dachte kurz darüber nach und nickte dann zustimmend.
»Und es sollte dir mehr Sorgen bereiten, wenn du diese Frau so weit außerhalb deiner Kontrolle einsetzt«, fügte sie warnend an. »Wie Captain Duellos bereits gesagt hat, geht sie entweder mehr und mehr aus sich heraus, weil Numos sie nicht mehr unter seiner Fuchtel hat, oder sie wird zu diesem Verhalten angestachelt. Tatsache ist, dass sie seit Numos' Verhaftung mit jeder Konferenz aggressiver und streitsüchtiger geworden ist.«
»Du meinst, auf ihrem Schiff führt sie sich genauso auf?«
»Ganz sicher sogar. Du hättest sie nicht zu dieser anderen Formation wechseln lassen dürfen. Sie wird sich da über deine Befehle hinwegsetzen, davon bin ich überzeugt. Und wenn das passiert, könnte sie andere Schiffe mit sich reißen.«
Damit veränderte sich Riones Beurteilung der Lage von ärgerlich hin zu besorgniserregend. »Verdammt, du könntest recht haben. Ich wünschte…« Es gelang ihm noch eben, den Rest seines Satzes hinunterzuschlucken.
Doch Rione wusste längst, was er hatte sagen wollen. »Dass ich diese Bedenken während der Besprechung geäußert hätte? Bei der Besprechung, bei der du mich unmissverständlich aufgefordert hast, ich solle die Klappe halten?«
»Das habe ich nicht zu dir gesagt!«
»Du hast mir deutlich zu verstehen gegeben, dass ich das Reden einstellen sollte«, antwortete sie kühl. »Ich kann es dir nicht verübeln. Ich hätte dich damit in die Zwickmühle gebracht.«
»Wieso?«, fragte er.
»Nun, wenn ich mich gegen Mideas Wechsel in die andere Formation ausgesprochen hätte und du wärst damit einverstanden gewesen, dann wäre das für jeden die Bestätigung gewesen, dass ich, die unnahbare Politikerin, zu viel Einfluss auf dich ausübe.« Rione machte eine wütende Geste. »Aber wenn ich nichts sage, so wie beispielsweise gerade jetzt, dann entgeht dir eine Sichtweise der Dinge, die dir von Nutzen sein könnte. Du kannst nicht auf eine Meinung reagieren, wenn ich sie nicht ausspreche.«
Nachdenklich setzte er sich hin. »Das ist genau das, was meine Widersacher innerhalb der Flotte wollen, nicht wahr? Sie treiben einen Keil zwischen mich und die Leute, deren Rückhalt und Ratschlag ich benötige. Du bist dafür ein Musterbeispiel, sogar das Musterbeispiel.« Rione deutete eine spöttische Verbeugung an. »Und dann diese Gerüchte über Desjani und mich, die uns davon abhalten, vernünftig zusammenzuarbeiten. Wie soll ich damit umgehen?«
»Meinst du das mit Bezug auf mich oder Desjani?« Ihr Tonfall war wieder reserviert geworden.
»Ich meine euch beide damit. Sie ist Captain meines Flaggschiffs, und du bist meine Beraterin und… und… ähm…«
»Liebhaberin. Das ist die höfliche Formulierung. Wenn du auf die Idee kommst, mich als deine Geliebte zu bezeichnen, dann wird dir das noch leid tun.«
»Ich werd's mir merken. Also, was schlägst du vor?«
»Du musst sicherstellen, dass du dich Captain Desjani gegenüber so tadellos verhältst, dass es keinerlei Nahrung für irgendwelche Gerüchte gibt, die ein vernünftiger Mensch glauben würde. Ich nehme an, es gibt ja zumindest ein paar vernünftige Offiziere unter den Befehlshabern deiner Flotte. Was mich angeht, zeig in der Öffentlichkeit ganz deutlich, dass du von mir unabhängig bist. Ich kann dir versichern, nicht nur ich habe deinen Befehl bemerkt, dass ich den Mund halten soll.«
»Ich habe nicht…«
»Und ich bin mir sicher, die meisten, die es mitbekommen haben, werden es so deuten, wie ich es beschrieben habe.« Sie zog einen Mundwinkel hoch. »Der Beweis, dass du mich dominierst, wird die besorgten Gemüter beruhigen, die der Ansicht sind, ich hätte dich unter meiner Fuchtel.«
»Ich soll dich dominieren?« Geary musste unwillkürlich lachen. »Auf den Gedanken bin ich wirklich noch nie gekommen.«
Rione zog fragend eine Augenbraue hoch.
»Du bist nicht der Typ, der sich dominieren lässt«, ließ er sie wissen.
»Na, wenigstens ist dir das schon deutlich geworden«, kommentierte sie ironisch.
»Mir wurden ja auch ein paar Lektionen erteilt.« Er stand wieder auf. »Ich glaube, ich gehe jetzt zurück zur Brücke, beschäftige mich mit den Statusmeldungen der Flotte und lasse noch ein paar Simulationen laufen.«
»Warum auf der Brücke? Das kannst du auch in deinem Quartier erledigen.«
»Das stimmt.« Er musterte sie und fragte sich, warum sie diese Alternative betonte. »Bist du auch in die Richtung unterwegs?«
»Später«, erwiderte sie schulterzuckend. »Erst muss ich noch ein paar Dinge erledigen.«
»Falls Captain Midea tot mit einem Messer im Leib gefunden wird, werde ich die Tatwaffe nach deinen Fingerabdrücken und deinen DNS-Spuren untersuchen lassen«, merkte Geary an, um die Atmosphäre aufzulockern, die plötzlich wieder aus unerfindlichen Gründen gereizt war.
Sie lächelte ihn an und entgegnete halb im Scherz, halb im Ernst: »Wäre ich die Täterin, würdest du auf dem Messer keine Fingerabdrücke und keine DNS-Spuren finden, John Geary.«
Neun
Über drei Tage waren inzwischen vergangen, und die Syndiks hatten sich nach wie vor nicht von der Stelle gerührt. Während die Flotte das Lakota-System durchquerte, nahm die Entfernung zum Portal allmählich ab, und in ein paar Stunden würde der Moment erreicht sein, an dem sie dem Hypernet-Portal am nächsten wären — auch wenn das ein sehr relativer Begriff war, betrug die Distanz doch immer noch dreieinhalb Lichtstunden.
Geary hatte die Syndik-Flotte und seine Formation Echo Five Five nicht aus den Augen gelassen, aber seit Captain Midea mit der Paladin in diese Formation übergewechselt war, hatte sie sich ruhig verhalten und ihre Position nahe der Orion und der Majestic beibehalten.
Die einzige Abwechslung in dieser Zeit hatten die kinetischen Geschosse geboten, die ihrem Weg unbeirrt folgten. Sobald jedes dieser Geschosse sein Ziel erreichte, lieferten die Sensoren gestochen scharfe Bilder vom jeweiligen Einschlag, bei dem Verteidigungsanlagen der Syndiks und fest installierte Waffensysteme in einer Explosion aus Plasma und Trümmern vergingen.
»Wenigstens haben wir irgendetwas in diesem System leisten können«, brummte Desjani, während sie zusahen, wie eine weitere Syndik-Anlage in einen von Schutt umgebenen Krater verwandelt wurde. Dann schaute sie verlegen zu Geary. »Ich wollte damit nicht…«
»Schon gut. Ich bin auch frustriert.«
Von einer Seite näherten sich langsam die gekaperten Erzfrachter; sie wurden von den Allianz-Zerstörern bewacht wie ein paar Schafe von einer Hundemeute. Um mit der Flotte zusammenzutreffen, brauchten die Syndik-Schiffe fast ihre gesamte Antriebsenergie auf, doch das war nicht weiter von Bedeutung, da die Allianz sie nicht mehr benötigte, wenn sie erst mal das Erz an Bord geholt hatten.
»Sieben Stunden, bis Echo Five Five mit diesen Erzfrachtern zusammentrifft«, meldete Desjani.
»Ja. Warum unternehmen die Syndiks nichts? Sie haben sich noch nie so passiv verhalten, wenn wir in ein System gekommen sind.«
Bedauerlicherweise konnte ihm auch der Geheimdienst nicht weiterhelfen. Lieutenant Igers einziger Vorschlag lautete, dichter an der bewohnten Welt vorbeizufliegen, weil das wahrscheinlich einen regeren Funkverkehr mit den Syndiks auslösen würde, der dann ausgewertet werden konnte. Jedoch wollte Geary nicht unnötig Brennstoffzellen verbrauchen, nur um einen Schlenker hin zu dem Planeten zu machen, und er hatte auch nicht die Absicht, seine Schiffe zu nahe an die Syndik-Verteidigungsanlagen auf dieser Welt heranzuführen, weshalb er sich letztlich gegen den Vorschlag aussprach.