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Desjani nickte und machte eine finstere Miene.

»Und jetzt warten wir darauf, dass genau das passiert?«, fragte Rione ungläubig.

»Nicht, wenn ich etwas dagegen unternehmen kann.« Er lehnte sich zurück und versuchte nachzudenken. Eines war offensichtlich: Er musste seine Flotte auf einen neuen Kurs schicken. »Alle Schiffe, bei Zeit vier drei ändern Sie den Kurs um zwei null Grad nach oben und eins null Grad nach Steuerbord.«

Und nun? Der Feind war ihm zahlenmäßig um ein Vielfaches überlegen, und das verbesserte seine Situation nun wirklich nicht. Wenn es ihm gelang, etwas absolut Geniales zu vollbringen, dann könnte er als Sieger dieses System verlassen. Aber es gab keine Möglichkeit, irgendetwas annähernd Geniales zu leisten, ohne dabei den größten Teil der eigenen Flotte zu verlieren. Die Allianz-Schiffe, die so etwas überleben würden, hätten keinerlei Chance auf eine Heimkehr, und damit wären sie genauso verloren. Ein Sieg ließ sich hier nur erringen, wenn er seine Flotte opferte, und das würde nur zu einer erneuten Pattsituation in diesem Krieg führen. Syndiks und Allianz wären für eine Weile gezwungen, die Kampfhandlungen zu unterbrechen, damit beide Seiten ihre Flotten wieder aufrüsten könnten, und dann würde der Krieg wie gehabt bis in alle Ewigkeit weitergehen. Aber vielleicht würden ja auch die Regierungen beider Seiten zusammenbrechen, was einer Anarchie Tür und Tor öffnete.

Selbst wenn es mir gelingen sollte, gegen eine solch gewaltige Übermacht einen Sieg zu erringen, könnten auch meine größten Anstrengungen das Unvermeidliche nur für eine Weile hinauszögern. Letztlich würden die Syndiks doch diese Flotte vernichten und dabei genügend Schlagkraft bewahren, um gegen die geschwächten Streitmächte vorzugehen, die das Territorium der Allianz verteidigen sollen.

Desjani biss sich auf die Unterlippe, ihre Miene hatte einen entschlossenen Ausdruck. Sie würde tun, was Geary befahl, da sie davon überzeugt war, dass seine Entscheidung zum Sieg führen musste. Er schaute sich auf der Brücke um und konnte bei den Wachhabenden in unterschiedlichen Variationen die gleiche Angst beobachten, die sich mit einem Mut paarte, der es diesen Offizieren und Matrosen erlauben würde, aller Furcht zum Trotz ins Gefecht zu ziehen. Diese Matrosen wären bereit, auf der Stelle ihr Leben zu opfern, wenn Geary es befahl. Es bestand kein Zweifel daran, dass sie alle ihr Äußerstes geben würden, um einen Sieg zu erringen, auch wenn die Chancen noch so schlecht standen.

Aber er hatte bereits erleben müssen, wohin eine solche Einstellung führen konnte. Die Crew der Paladin war von der gleichen Bereitschaft erfüllt gewesen, zu kämpfen und zu sterben, und am Ende hatte für sie alle der Tod gestanden. Er konnte von diesen Matrosen nicht verlangen, ihr Leben zu geben, nur weil sie bereit waren, jeden seiner Befehle auszuführen. Es musste schon eine begründete Hoffnung bestehen, dass durch ein solches Opfer auch etwas erreicht wurde.

Also gut. Welche Möglichkeiten standen zur Wahl? Die Vernichtung dieser Syndik-Formation, bevor die zuletzt eingetroffene Flotte sie erreichte, und anschließend die Flucht nach Branwyn? Nein, das konnte nur funktionieren, wenn der Kommandant der Syndik-Streitmacht ein völliger Idiot war, doch genau das schien er nicht zu sein. Außerdem war ihnen offensichtlich der Befehl erteilt worden, sich von der Allianz-Flotte fernzuhalten, solange die nicht versuchte, das System zu verlassen.

Sollte er sich die zuletzt eingetroffene Streitmacht vornehmen und darauf hoffen, dass geschicktes Taktieren die feindliche Überlegenheit schon wettmachen würde? Das war ein sehr dürrer Strohhalm, an den er sich da klammern müsste, zumal die Bravo-Formation ihnen sofort folgen würde, sollten sie einen solchen Angriff unternehmen. Und wie er bereits zu Rione gesagt hatte, war diese Formation mühelos in der Lage, sie zu überholen, sodass sie letztlich doch wieder der versammelten Flotte gegenüberstünden. Dieser geballten Macht würde es ohne Probleme gelingen, seine Hilfsschiffe zu vernichten, selbst wenn es Geary irgendwie gelingen sollte, den Rest seiner Flotte überleben zu lassen.

Sollte er die Flucht ergreifen? Und wenn ja, wohin? Abgesehen von der Tatsache, dass viele seiner Captains selbst unter den gegenwärtigen Umständen murren würden, wenn er den Rückzug befahl, stand er immer noch vor dem Problem, dass er nicht schneller beschleunigen konnte als die Syndik-Schiffe. Außerdem führte der Sprungpunkt nach T'negu seine Flotte in ein Gewirr aus Minen, während ihm der Feind sofort im Nacken sitzen würde. Einfach in den leeren Raum zu steuern, mochte die Syndiks von einer Verfolgung abhalten, doch das war nichts weiter als ein Selbstmord auf Raten, da die Schiffe innerhalb kürzester Zeit fernab irgendeines Sterns mit leeren Brennstoffzellen festsitzen würden.

Ihm stand immer noch der Sprung zurück nach Ixion offen, aber die Syndik-Streitmacht, die von dort kommend unterwegs war, konnte jeden Moment auftauchen und…

Okay, das ist eine Möglichkeit. Vielleicht nicht gerade der Weg, den Black Jack gehen würde, aber ich bin auch nicht Black Jack.

Jetzt brauchte er nur noch einen Plan, wie er sich dem einzigen sicheren Fluchtweg aus diesem Sternensystem nähern konnte, ohne es für alle Beteiligten offensichtlich zu machen, was er beabsichtigte. Dank der zu erwartenden Ankunft einer weiteren feindlichen Streitmacht eröffnete sich ihm ein Weg, wie er seine Flotte in die Nähe des Sprungpunkts bringen und dabei sowohl dem Feind als auch seinen eigenen Leuten seine wahren Absichten solange wie möglich verheimlichen konnte.

»Wir müssen Zeit gewinnen, und wir müssen uns eine Streitmacht nach der anderen vornehmen«, erklärte er, wobei ihm bewusst wurde, wie ruhig es plötzlich auf der Brücke geworden war, da alle darauf warteten, was er ihnen zu sagen hatte. »Das können wir nur erreichen, indem wir die Bravo-Flotte dazu verleiten, uns zu verfolgen. Es gibt einen Weg, wie wir das schaffen und dabei auch noch die nächste Syndik-Streitmacht gebührend empfangen können, die in Kürze dieses System erreichen wird.« Er deutete auf das Display. »Wir kehren zurück… zum Sprungpunkt nach Ixion. Es ist jeden Moment damit zu rechnen, dass die Syndik-Flotte hier eintrifft, die uns bei Ixion zum Sprungpunkt in dieses System gefolgt ist. Wenn wir nahe genug am Sprungpunkt sind, können wir sie überwältigen, sobald sie hier auftaucht.« Diese Streitmacht hatte nur aus vier Schlachtschiffen und vier Schlachtkreuzern bestanden. »Die Flotte, mit der wir uns eben noch ein Gefecht geliefert haben, wird den Schiffen zu Hilfe eilen müssen, und dann bekommen wir die Gelegenheit, sie wieder unter Beschuss zu nehmen.«

»Die größte Syndik-Flotte ist damit aber immer noch ein Problem«, wandte Rione ein.

»Das ist richtig. Wir werden abwarten, wie diese Flotte reagiert, und dann entscheiden, was wir tun können.« Belüg sie nicht. Schaff dir eine Grundlage, um aus diesem Sternensystem fliehen zu können. »Wir können uns nicht mit allen Formationen gleichzeitig auseinandersetzen. Wir müssen sie uns einzeln vornehmen.«

Captain Desjani studierte die Anzeige auf dem Display und lächelte zufrieden. »Wir ziehen uns nicht zurück.«

»Nein, Captain«, beteuerte Geary so überzeugend, wie er es nur vortäuschen konnte. »Wir ändern die Ausrichtung unseres Angriffs.«

* * *

Er wiederholte diesen Satz zehn Minuten später vor einer hastig einberufenen Konferenz, während die Schiffe der Allianz-Flotte bereits Kurs auf den Sprungpunkt nach Ixion nahmen. »Wir ändern die Ausrichtung unseres Angriffs.«

Ausgiebiges Schweigen folgte, zum Teil weil seine befehlshabenden Offiziere diese Neuigkeit erst einmal verarbeiten mussten, zum Teil weil das Licht erst einmal die Information zwischen den unterschiedlich weit entfernten Schiffen der Flotte hin und her transportieren musste. »Wir wissen nicht, ob die andere Syndik-Streitmacht durch diesen Sprungpunkt kommen wird«, hielt Captain Cresida dagegen. So loyal sie auch zu ihm stand, wollte sie doch gegen die Syndiks kämpfen.