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Und dann würden sie in die Fänge der Syndik-Wölfe gelangen, die in Kürze aus dem Sprungraum in das System folgten. Es fiel Geary nicht schwer, sich das vorzustellen, immerhin hatte er bereits entsprechende Simulationen durchspielen lassen: die Allianz-Flotte auf der Flucht zum nächsten Sprungpunkt, die schnelleren Syndiks hinter ihnen, Schwärme aus Leichten Kreuzern und Jägern, die sich jene Allianz-Schiffe vornahmen, die zu schwer beschädigt waren, um mit der Flotte mitzuhalten. Und dann ließe sich die Flotte von hinten aufrollen und ein Antrieb nach dem anderen zerstören, sodass die getroffenen Schiffe zurückfielen und von der Syndik-Flotte geschluckt werden konnten.

Er simulierte, was geschehen würde, wenn er seine Flotte hier neu aufstellte, um die überlegene Syndik-Streitmacht in Empfang zu nehmen, die Ixion früher oder später nach Ixion erreichen musste. Angesichts der zahlreichen beschädigten Schiffe, des geringen Ladestands der Brennstoffzellen und der niedrigen Munitionsvorräte lief die Simulation jedes Mal auf eine vollständige Vernichtung der Allianz-Flotte hinaus.

Vorausgesetzt, nach der anstehenden Flottenkonferenz war er überhaupt noch der Befehlshaber der Flotte. Jetzt, da die Bedrohung von außen so ernst war, wusste er, dass ihm aus den eigenen Reihen noch größere Gefahr drohte.

Sie konnten keine Sekunde länger in Ixion bleiben als unbedingt nötig, und sie würden diesem System nicht entfliehen können, ohne weitere Schiffe zu verlieren. Falls die Allianz-Flotte überhaupt noch aus Ixion herauskam, gab es diesmal keine Chance, die Syndik-Verfolger abzuschütteln. Und es gab keine Möglichkeit, die schweren Verluste bei Lakota zu rechtfertigen. Ringsum auf der Brücke der Dauntless sah er, wie die Wachhabenden sich hilflos und verängstigt ansahen, während sie sich ihr eigenes Bild vom Zustand der Flotte machten.

Sie konnten nicht bleiben, und sie konnten nicht fliehen.

Genau in diesem Moment erkannte Geary, was die Allianz-Flotte zu tun hatte. Zum Teufel mit der Flottenkonferenz! Ich habe mich entschieden, und sie alle werden meine Befehle befolgen.

Er holte tief Luft, warf einen letzten Blick auf die lange Liste beschädigter Schiffe seiner Flotte und drückte dann in aller Ruhe auf die Komm-Taste. »An alle Schiffe der Allianz-Flotte, hier spricht Captain Geary. Gehen Sie mit sofortiger Wirkung auf Gegenkurs. Ich wiederhole: Alle Schiffe gehen sofort auf Gegenkurs.«

Captain Desjani gab den Befehl fast reflexartig an ihre Crew weiter, erst dann stutzte sie und sah Geary verwundert an. Er musste außer ihr niemanden ansehen, um zu wissen, dass alle anderen genauso reagierten. »Sir?«, fragte sie. »Kursumkehr? Wenn wir die Minen verteilen wollen, über die wir noch verfügen…«

»Wir werden keine Minen verteilen«, erklärte er. »Wir haben gar nicht mehr genug Minen, um damit noch irgendetwas zu erreichen.«

»Captain Geary«, ging ein Ruf ein. »Hier ist Captain Duellos von der Courageous. Bestätigen Sie bitte Ihren letzten Befehl.«

»Befehl bestätigt. Sofort auf Gegenkurs gehen. Also los.«

Insgeheim fragte er sich, ob wohl irgendwelche Schiffe einfach weiter ins Sternensystem hineinfliegen würden, doch es gab hier kein Versteck, keinen Unterschlupf, nur die weitläufige Leere rund um Ixion. Wie es schien, wollte wohl niemand riskieren, in dieser Leere allein zurückzubleiben, indem er den Befehl ignorierte. Er konnte beobachten, wie seine Schiffe zum Wendemanöver ansetzten. Von einer Formation war ihnen momentan nicht viel anzumerken, dennoch blieb ihm keine Zeit, daran etwas zu ändern. Trotz der relativ niedrigen Geschwindigkeit, mit der die Flotte den Sprungpunkt verlassen hatte, dauerte alles viel länger, als es Geary recht war, schließlich jedoch waren alle Schiffe wieder auf den Sprungpunkt ausgerichtet.

»Hier ist die Colossus. Was haben Sie vor, Captain Geary? Sollten wir nicht erst eine Flottenkonferenz abhalten? Es gibt wichtige Dinge zu besprechen.«

»Hier ist die Conqueror, ich schließe mich der Meinung der Colossus an.«

»Danke für Ihre Meldung«, gab Geary zurück. »Aber es bleibt keine Zeit für eine Konferenz. Wir verlassen dieses System.« Er hielt nur lange genug inne, damit jeder die Worte hören und darüber grübeln konnte, was er damit wohl meinte. »An alle Schiffe der Allianz-Flotte, hier spricht Captain Geary. Wir werden uns nicht mal einen Kilometer weiter zurückziehen. Diese Flotte hat in Lakota noch eine Rechnung offen. Wir kehren nach Lakota zurück und gehen auf jede Syndik-Flotte los, die sich dort noch aufhält. Und dann werden wir sehen, wie viele Crewmitglieder der Audacious, Indefatigable, Defiant, Paladin und Renown und der anderen Schiffe, die wir dort zurücklassen mussten, wir noch bergen können. Danach wird diese Flotte ihren Weg in Richtung Allianz-Territorium fortsetzen, ohne Rücksicht darauf, was die Syndiks uns alles zwischen die Beine zu werfen versuchen.«

Wieder atmete er tief durch und fragte sich, was die anderen jetzt wohl dachten. »Wir gehen so, wie wir sind, in den Sprung über, damit wir die Syndiks überraschen können. Bei der Ankunft in Lakota werden alle Schiffe sofort den Kurs um acht null Grad nach Steuerbord ändern und gefechtsbereit sein. Wir werden Lakota erst verlassen, wenn wir den Syndiks eine Lektion erteilt haben, was es heißt, gegen die Allianz zu kämpfen.« Und vielleicht würde daraus auch eine Lektion werden, die Aliens sehen zu lassen, wie schwierig es sein konnte, die Menschheit zu besiegen. Auch wenn es in der Flotte von deren Spionen wimmelte, blieb denen nicht viel Zeit, ihre Auftraggeber vorzuwarnen, wenn die Schiffe gleich wieder in den Sprungraum zurückkehrten.

»Jawohl, Sir!« Desjani grinste breit und streckte die geballte Faust in die Höhe. Die Wachhabenden, die Geary von seinem Platz aus sehen konnte, jubelten und klopften sich gegenseitig auf die Schultern. Er konnte ein tiefes Grollen hören, und erst nach und nach begriff er, dass das der kollektive Jubel der Crew der Dauntless war.

Er schaute über die Schulter zu Victoria Rione, die das Treiben auf der Brücke mit einem Gesichtsausdruck verfolgte, als sei sie in einem Irrenhaus gelandet. »Captain Geary«, protestierte sie mit erstickter Stimme. »Ihre Flotte verfügt kaum noch über Munition, die Brennstoffzellen sind fast aufgebraucht, und zahlreiche Schiffe sind beschädigt. Und Sie fliegen mit dieser Flotte zurück nach Lakota?«

»Das ist richtig«, bestätigte er. »Wir können nicht hier bleiben und kämpfen. Wir können auch nicht entkommen. Also werden wir angreifen.«

Rione sah von Geary zu den feiernden Besatzungsmitgliedern. »Aber das ist doch Wahnsinn! Was soll denn sein, wenn die Syndiks in erdrückender Überzahl bei Lakota auf unsere Rückkehr warten?«

»Ich würde sagen, dann haben sie schlechte Karten«, entgegnete er. Er wusste, jede seiner Bemerkungen machte auf die eine oder andere Weise in der Flotte die Runde. Das war nicht der richtige Moment, um zu zweifeln oder um jedes Wort auf die Goldwaage zu legen. Ich muss diese Flotte führen. Mögen die lebenden Sterne dafür sorgen, dass ich sie nicht in den Untergang führe. Aber falls doch, dann werden wir im Kampf untergehen, nicht auf der Flucht. Desjani lächelte ihn stolz an, während die Schiffe der Allianz-Flotte wieder den Sprungpunkt erreichten. Als Offizier der Flotte verstand sie etwas, das Rione vermutlich nie würde nachvollziehen können. »An alle Schiffe«, sendete Geary. »Springen Sie jetzt. Wir sehen uns in Lakota.«