„Cliff', sagte Jessup grimmig, „wenn du ablenken willst..."
„Ich habe gesagt, Jess, das ist alles, was ich über den Mann weiß! Wir alle möchten gern mehr wissen. Nach der letzten Meldung scheint es so, als käme er ganz gut zurecht."
„Wie lange dauert es noch bis zum Absturz?" drängte Abrahams.
Howard wandte sich mit einem Ruck nach ihm um: „Reden Sie keinen Unsinn!" sagte er: „Sie werden in rund einer Stunde, vielleicht ein bißchen früher, hier sein."
„Bringt ihr sie auf dem Funk-Leitstrahl herein?"
„Ich weiß es nicht genau. Aber ich denke, Captain Treleaven wird ihn ohne weiteres heruntersprechen. Alles ist bestens in Ordnung. Die Luftlinien sind umgeleitet worden, und der Flugplatz ist frei. Die Stadtfeuerwehr steht als zusätzliche Hilfe bereit. Nur so - für den Fall..."
„Angenommen, sie verfehlt die Piste und fällt ins Wasser?"
„Kaum. Aber die Polizei hat - um auch für diesen Fall vorbereitet zu sein - jedes verfügbare Boot alarmiert. Nie zuvor habe ich derart vollkommene Vorsichtsmaßregeln gesehen!"
„Das ist eine Story!" Abrahams verschwand in der nächsten Telefonzelle. Er hielt die Tür offen, während er wählte, damit er noch weiter zuhören konnte. „Cliff', sagte Jessup mit einiger Sympathie für den Public-Relations-Mann, „wie lange wird der Sprit in dem Vogel reichen? "
„Weiß nicht. Aber es gibt noch einen Reservetank", antwortete Howard und löste seine Krawatte. Es klang nicht sehr überzeugend. Jessup schaute ihn einige Sekunden lang aus zusammengekniffenen Augen an. Dann kam ihm die Erleuchtung: „Moment! - Wenn an Bord Vergiftungen vorgekommen sind, dann hat es doch bestimmt nicht nur die beiden Piloten getroffen... "
„Ich brauche alle Hilfe, die ihr mir schicken könnt", sagte Abrahams ins Telefon. „Ich gebe euch Näheres durch, sobald ich was weiß. Wenn ihr für die erste Ausgabe genug habt, um abzuschließen, dann haltet im Schlußwort beide Möglichkeiten offen: entweder Absturz- oder Wunderlandung! Im übrigen abwarten. Okay? Verbindet mich mit Bert. Hallo - Bert. Bist du fertig? Dann los: In den frühen Morgenstunden erlebte Vancouver Airport...", begann er zu diktieren. „Du, Jess", sagte Howard eilig, „das ist eine brenzlige Angelegenheit. Du kannst alles erfahren - aber sei um Himmels willen fair. Denen da oben zuliebe. Sie arbeiten wie verrückt. Sie tun alles, um denen im Flugzeug zu helfen."
„Du kennst uns, Cliff. Klar, daß wir dich nicht hintergehen. Nun sag schon: Wie geht es den Passagieren?"
„Ein paar von ihnen sind krank. Aber ein Arzt ist an Bord, der ihnen jede Hilfe gibt, die momentan möglich ist. Wir haben außerdem am Funkgerät ärztliche Ratgeber für den Fall, daß sie gebraucht werden. Die Stewardeß ist prima und hilft Spencer. Sie gibt die Nachrichten durch. Das ist nun im wesentlichen alles."
„So eine Vergiftung ist 'ne mächtig ernste Sache", setzte Jessup unbarmherzig fort. „Ich meine den Zeitfaktor und so."
„Richtig."
„Wenn diese Leute nicht verdammt schnell runterkommen, dann könnten sogar welche - sterben?"
„Ich glaube", stimmte Howard zu. Er preßte die Worte zwischen den Lippen hervor.
„Aber - aber das ist ja eine Weltsensation! Wie ist die Lage im Augenblick?"
„Vor etwa zehn, fünfzehn Minuten... "
„Hör auf damit", brummte Jessup. „Einige Minuten bedeuten viel in solch einer Situation. Wir wollen wissen, wie es jetzt aussieht, Cliff. Wer ist der diensttuende Kontrolleur? Ruf ihn an - sonst tue ich es, wenn dir das lieber ist."
„Nein, vorläufig nicht, Jess! Ich bitte! Ich sage dir, sie sind dort oben..."
Jessup packte den Public-Relations-Mann an der Schulter. „Du warst selbst Zeitungsmann, Cliff. Auf jeden Fall wird dies die größte Luftstory auf Jahre hinaus, und du weißt das auch. In einer Stunde wird hier die Hölle los sein. Diese Bude wird von Reportern, Wochenschau- und Fernsehleuten wimmeln. Du mußt uns jetzt informieren - es sei denn, du willst, daß wir uns auf dem ganzen Flugplatz breitmachen. Sag uns jetzt, wie es steht; dann kannst du eine Zeitlang schnaufen, während wir unsere Stories durchgeben."
„Okay, okay. Macht mir's doch nicht so schwer!" Howard griff nach dem Hörer eines Hausapparates, der auf dem Tisch stand. „Hier ist Howard. Kontrollraum bitte." Er zog, Jessup zugewendet, die Oberlippe herunter. „Wegen dir werde ich noch gesteinigt. Hallo - Control? Ist Burdick dort? Gib ihn mir, es ist eilig. Hallo, Harry? Hier spricht Cliff. Die Presse macht mich fertig. Ich kann sie euch nicht länger vom Hals halten. Sie wollen die jetzige Situation kennen. Sie wollen die Story noch in die Morgenblätter bringen."
„Sicher", schnarrte Burdick sarkastisch im Kontrollraum. „Sicher. Wir werden veranlassen, daß der Absturz sofort stattfindet. Alles für die Presse!"
„Sei nicht so, Harr/', drängte Howard. „Die Jungens tun auch bloß ihre Arbeit."
Burdick ließ den Hörer sinken und sagte zum Kontrolleur, der mit Treleaven vor dem Funkgerät stand: „Mr. Grimsell, die Dinge werden für Cliff brenzlig. Ich möchte nicht von hier weggehen. Glauben Sie, Stan kann sich einen Moment Zeit nehmen und mit den Presseleuten reden?"
„Ich glaube ja", sagte der Kontrolleur. Er schaute zu seinem Assistenten hinüber. „Wie steht's? Es dürfte besser sein, die Burschen im Zaum zu halten. Sie könnten das schnell machen. "
„Sicher, Sir. Ich gehe schon."
„Keinen Punkt zurückhalten", wies Burdick an. „Erzählen Sie ruhig alles. Mit Ausnahme dieses..." Er nickte zum Funkgerät hinüber.
„Verstehe. Überlassen Sie das nur mir." Der Assistent verließ den Raum. „Der Assistent des Kontrolleurs kommt runter, Cliff."
Burdick legte den Hörer auf. Er wandte sich in seiner ganzen Breite den beiden Männern am Funkgerät zu. Er wischte sich mit einem zerknitterten Taschentuch über das Gesicht. „Bekommt ihr was herein?" fragte er mit gepreßter Stimme.
Treleaven schüttelte den Kopf. Er drehte sich nicht um. Sein Gesicht war grau und müde. „Nein", sagte er dumpf, „sie sind weg."
Der Kontrolleur wandte sich an einen anderen Mann: „Geben Sie an Calgary und Seattle ein dringendes Fernschreiben durch. Suchen Sie zu erfahren, ob man dort 714 noch empfangen kann. "
„714 - 714. Vancouver Control an 714. Bitte kommen, 714!" rief der Mann am Funkgerät ununterbrochen ins Mikrophon.
Treleaven stützte sich auf den Tisch. Die Pfeife, die er in der Hand hielt, war erloschen. „Nun", sagte er müde, „das dürfte das Ende der Geschichte sein."
„714 - 714. Hören Sie mich? Bitte kommen, bitte kommen! "
„Viel kann ich jetzt nicht mehr vertragen", sagte Burdick. „Hier, Jonny", wandte er sich an einen der Angestellten, „holen Sie mir noch Kaffee - schwarz und stark."
„Ruhe!" rief der Radio-Operateur. „Haben Sie was?" fragte der Kontrolleur hastig. „Ich weiß nicht. Eben dachte ich.." Er beugte sich dicht über den Apparat und drehte minutenlang an der Feineinstellung. „Hallo - 714, 714 - hier ist Vancouver!" Er rief über die Schulter: „Ich höre etwas. Das können sie sein. Ich bin nicht sicher. Wenn sie's sind, dann sind sie von der Frequenz runter."
„Wir müssen es riskieren", sagte Treleaven. „Sagen Sie ihnen, sie sollen die Frequenz wechseln."
„Flug 714", rief der Operateur, „hier ist Vancouver, hier ist Vancouver. Wechseln Sie Ihre Frequenz auf 128,3. Verstehen Sie? Frequenz 128,3!"
Treleaven wandte sich an den Kontrolleur. „Verlangen Sie bei der Air Force noch einen Radar-Check", schlug er vor. „Sie müßten jetzt bald auf unserem Schirm sein."
„714. Wechseln Sie auf Frequenz 128,3. Bitte kommen!" wiederholte der Funker.
Burdick setzte sich schwer auf die Tischkante. „Das kann nicht sein, das kann nicht sein...", protestierte er mit gebrochener Stimme. „Wenn wir sie verloren haben, dann sind sie erledigt - jeder einzelne von ihnen ist erledigt... "