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04 Uhr 35 - 05 Uhr 05

Wie in einem Alptraum, besessen von rasender Verzweiflung, die Zähne zusammengebissen, das Gesicht schweißbedeckt, so kämpfte Spencer darum, die Kontrolle über das Flugzeug wiederzugewinnen. Die eine Hand am Gashebel, die andere fest ums Steuerhorn geklammert. In seinem Innern kämpfte die Empfindung, etwas Unwirkliches zu erleben, mit wachsendem Ärger und Widerwillen. Was war geschehen? Er hatte nicht nur rasend schnell die Höhe verloren, sondern praktisch auch die ganze Fahrtgeschwindigkeit. Sein Verstand weigerte sich, zu bedenken, was in den letzten zwei Minuten hätte geschehen können.

Irgend etwas hatte sich ereignet, das ihn verwirrte. Das war alles, woran er sich erinnern konnte. Oder war das nur eine Entschuldigung vor sich selbst? Er konnte in diesen paar Sekunden gar nicht so viel Höhe verloren haben. Schon vorher mußten sie ständig im Sinken gewesen sein, obwohl es nicht lange her war, seit er das Variometer das letztemal überprüft hatte. Oder hatte das Instrument nicht funktioniert? Oder lag es am Gas? Plötzlich spürte er den unbezähmbaren, immer stärker werdenden Wunsch, zu schreien. Zu schreien wie ein Kind. Die Steuer im Stich lassen. Diesem hämischen Flackern der Instrumentennadeln zu entfliehen, sich nicht mehr um dieses ganze Chaos von Anzeigegeräten zu kümmern und einfach davonzulaufen. Zurückzurennen in den warmen, freundlich erleuchteten Passagierraum des Flugzeuges und zu schreien: „Ich kann es nicht machen. Keinem Menschen kann man zumuten, das hier zu tun...! "

„Wir gewinnen langsam Höhe", kam Janets Stimme sichtlich erleichtert.

Spencer erinnerte sich plötzlich daran, daß jemand neben ihm saß. Und erst in diesem Moment drangen auch die Schreie einer Frau hinten im Passagierraum in sein Bewußtsein. Wilde, wahnsinnige Schreie. Er hörte einen Mann rufen: „Es ist nicht der Pilot! Beide sind ausgefallen. Beide Piloten! Wir sind geliefert!"

„Halten Sie das Maul und setzen Sie sich!" Das war Bairds scharf klingende Stimme. „Sie haben mir nichts zu befehlen!"

„Ich sagte: gehen Sie zurück und setzen Sie sich!"

„Schon gut", kam die ölige Stimme von Otpot, dem Lancashire-Mann. „Überlassen Sie ihn nur mir, Doktor. Nun, Sie... "

Spencer schloß einen Moment die überanstrengten Augen, um danach die beleuchteten Instrumentennadeln, die vor ihm tanzten, wieder klarer sehen zu können. Er war, konstatierte er mit Bitterkeit, total erledigt. Ein Mann kann Jahre damit zubringen, von einer Stadt zur anderen zu hasten, immer unterwegs zu sein und sich einzureden, er wäre diesem Leben niemals gewachsen, wenn nicht sein Körper absolut auf der Höhe wäre. Doch wenn dann zum erstenmal eine Krise eintritt, wenn zum erstenmal wirkliche Anforderungen an den Körper gestellt werden, bricht er zusammen. Und dies ist das Grausamste: das Bewußtsein, daß die Körperkräfte nicht mehr mitmachen, und sich vorzukommen wie ein altes Auto, das im Begriff ist, rückwärts den Berg hinunter zu rollen. „Entschuldigen Sie", sagte Janet.

Spencer, der sich noch immer gegen das Steuer stemmte, warf ihr einen überraschten Blick zu. „Was?" fragte er stumpfsinnig.

Das Mädchen saß ihm zugewandt. Im grünlichen Licht des Instrumentenbrettes erschien ihr blasses Gesicht fast durchsichtig.

„Entschuldigen Sie, daß ich das alles so gemacht habe", sagte sie einfach. „Es war schlimm für Sie. Ich - ich konnte nichts dafür... "

„Keine Ahnung, wovon Sie reden", sagte er rauh. Er wußte nichts weiter zu sagen. Er schämte sich. Der weibliche Passagier hinten schluchzte jetzt laut. „Ich versuche, den Kahn so schnell in die Höhe zu bringen, wie ich kann. Aber ich wage es nicht, zu schnell zu steigen! Sonst sacken wir wieder ab! " Unter dem Donnern der Motoren kam Bairds Stimme von der Tür her: „Was ist bei euch eigentlich los? Ist alles in Ordnung?"

„Tut mir leid, Doktor", sagte Spencer. „Ich konnte das Ding einfach nicht halten. Ich glaube aber, jetzt ist es okay."

„Versuchen Sie wenigstens, waagrecht zu bleiben", beklagte sich Baird. „Wir haben schließlich kranke Leute an Bord."

„Es war mein Fehler", sagte Janet. Sie sah, daß Baird vor Erschöpfung schwankte und sich am Türpfosten festhielt.

„Nein", protestierte Spencer. „Wenn Sie nicht gewesen wären, wären wir abgestürzt. Ich beherrsche dieses Ding nicht. Das ist alles."

„Unsinn", sagte Baird kurz. Sie hörten einen Mann schreien: „Geht ans Funkgerät!" Der Arzt rief laut in den Passagierraum hinein: „Nun hören Sie alle mal zu. Eine Panik wäre das Schlimmste, was uns jetzt passieren könnte - und das Tödlichste!"

Dann schlug die Tür zu und schnitt seine Stimme ab. „Das war eine gute Idee", sagte Janet ruhig. „Ich sollte mit Captain Treleaven in Verbindung bleiben. "

„Ja", stimmte Spencer zu. „Sagen Sie ihm, was passiert ist, und daß wir dabei sind, wieder Höhe zu gewinnen. " Janet stellte den Mikrophonknopf auf „Senden" und rief Vancouver an. Es kam keine Antwort. Sie rief wieder. Nichts war zu hören.

Spencer spürte Angst in sich aufsteigen. Er befahl sich selbst, sie zu unterdrücken.

„Was ist los?" fragte er Janet. „Sind Sie sicher, daß Sie durchkommen?"

„Ja, ich glaube."

„Blasen Sie ins Mikrophon. Wenn es in Ordnung ist, können Sie das hören."

Sie tat es. „Ja, es ist zu hören. Hallo - Vancouver!! Hallo -Vancouver! Hier ist 714. Können Sie mich hören? Bitte kommen." Ruhe.

„Hallo - Vancouver. Hier ist 714. Bitte antworten! Bitte kommen!" Immer noch Ruhe.

„Lassen Sie mich", sagte Spencer. Er nahm die rechte Hand von den Gashebeln und drückte auf seinen Mikrophonknopf. „Hallo - Vancouver! Hier ist Spencer, 714. Notruf! Bitte kommen! "

Die Stille schien greifbar und undurchsichtig wie eine Wand. Es war, als seien sie die einzigen Menschen in der ganzen Welt.

„Der Sendeanzeiger schlägt aus", sagte Spencer. „Ich bin sicher, daß wir richtig senden. " Nochmals versuchte er es -wieder ohne Resultat. „Ich rufe alle Stationen. Mayday -mayday - mayday! Hier ist Flug 714 in ernsten Schwierigkeiten. Irgend jemand kommen! Bitte kommen!"

Der Äther schien absolut tot.

„Damit ist alles klar, Janet. Wir sind von der Frequenz abgekommen. "

„Wie konnte das passieren?"

„Fragen Sie mich nicht. In unserer Lage kann alles passieren. Sie müssen alle Frequenzen durchprobieren, Janet."

„Ist das nicht zu gewagt? Unsere Frequenz zu wechseln?"

„Meiner Ansicht nach ist sie schon gewechselt. Keine Ahnung, wie das passieren konnte. Ich weiß nur das eine: Ohne Funk kann ich die Nase dieses Vogels getrost gleich jetzt runterdrücken, um endlich Schluß zu machen. Ich habe keine Ahnung, wo wir sind. Und wenn ich's wüßte, würde es nichts nützen, weil ich die Maschine nicht heil runterbringe."

Janet glitt aus ihrem Sitz, zog die Schnur des Kopfhörers hinter sich her und trat ans Funkgerät. Im Kopfhörer krachte und krächzte es.

„Ich hab jetzt alle Frequenzen versucht", sagte Janet schließlich.

„Machen Sie weiter", sagte Spencer. „Sie müssen etwas bekommen. Wenn's nötig ist, werden wir auf jedem einzelnen Kanal rufen." Weit, weit weg war plötzlich seine Stimme. „Warten Sie, Janet! Was ist das?" Janet drehte eilig zurück. „Stellen Sie's stärker ein!"

„...auf 128,3", sagte die Stimme, stärker werdend. „Vancouver Control an Flug 714. Wechseln Sie Ihre Frequenz auf 128,3. Wiederholen Sie bitte. Bitte kommen."

„Behalten Sie das!" sagte Spencer zu Janet. „Ist das so die richtige Einstellung? Dem Himmel sei Dank! Bestätigen Sie's ganz schnell... schnell!"

Janet kletterte in ihren Sitz zurück und rief hastig. „Hallo -Vancouver. 714 antwortet. Empfangen Sie laut und klar? Bitte kommen. "

Sofort kam Vancouver zurück. Die Stimme des Funkers klang so, als habe der Mann eben tief aufgeatmet. „714? Hier ist Vancouver. Wir haben Sie verloren. Was war passiert? Bitte kommen. "