„Ja, das ist schon richtig", stimmte Treleaven zu. Dann sprach er in das kleine Mikrophon: „Radar - lassen Sie mich sofort wissen, wenn Sie etwas haben!" Zum Kontrolleur: „Ich kann es nicht riskieren, ihn durch die Wolken runterzubringen, ohne zu wissen, wo er ist. Bitten Sie die Air Force um einen weiteren Check, Mr. Grimsell."
Er nickte dem Funker zu: „Verbinden Sie mich wieder! Hallo - 714. George, hören Sie jetzt gut zu. Wir gehen jetzt die ganze Sache nochmals durch. Aber vorher will ich noch ein paar Dinge erklären, die Sie vielleicht vergessen haben, oder die nur bei großen Flugzeugen vorkommen. Hören Sie mich? Bitte kommen." Janet antwortete: „Fangen Sie an, Vancouver. Wir hören genau zu. Bitte kommen. "
„Allright, 714. Bevor Sie landen können, müssen verschiedene Prüfungen und Korrekturen vorgenommen werden. Ich sage Ihnen später, wann und wie das zu machen ist. Ich wiederhole jetzt nochmals einiges, um Sie vorzubereiten. Zuerst muß die hydraulische Pumpe eingeschaltet werden. Dann muß der Bremsdruck etwa 900 bis 1000 Pfund pro Quadrat-Inch anzeigen. An einige dieser Dinge werden Sie sich vielleicht aus Ihrer Jagdflugzeugpraxis erinnern, aber ein Auffrischungskursus kann nicht schaden. Wenn das Fahrwerk herausgelassen ist, drehen Sie die Benzinpumpen an und kontrollieren, ob der Durchfluß ausreicht. Zuletzt stellen Sie das Gemisch auf ,reich' und regulieren die Propellerverstellung. Haben Sie das alles verstanden? Wir werden es Schritt für Schritt machen, so daß Janet die Schalter stellen kann. Ich werde Ihnen jetzt sagen, wo sie zu finden sind. Fangen wir an..."
Janet und Spencer fanden mit Treleavens Hilfe alle Schalter.
„Sagen Sie ihm, wir haben sie geprüft, Janet."
„Hallo - Vancouver. Es ist alles klar."
„Gut, 714. Es bestehen also über die Stellung all dieser Hebel keinerlei Zweifel mehr, Janet? Sind Sie ganz sicher? Bitte kommen. "
„Hallo - Vancouver. Ja, ganz sicher. Bitte kommen."
„714. Vergewissern Sie sich nochmals, daß Sie in horizontalem Flug sind. Bitte kommen. "
„Vancouver - ja. Wir fliegen horizontal und über den Wolken. "
„Also, George, lassen Sie uns die Klappen wieder auf 15 Grad stellen. Geschwindigkeit 140. Wir gehen die ganze Fahrgestellprozedur nochmals durch. Überwachen Sie diesmal die Geschwindigkeit wie ein Luchs! Wenn Sie bereit sind, fangen wir an."
Grimmig begann Spencer mit der Prozedur. Er folgte konzentriert jeder Anweisung, während Janet ihm besorgt die Geschwindigkeit zurief und die Klappen- und Fahrwerkhebel bediente. Nochmals fühlten sie den starken Druck, als die Geschwindigkeit gebremst wurde. Im Osten tasteten sich die ersten Streifen eines schwachen Tageslichtes herauf.
Im Kontrollraum von Vancouver trank Treleaven den ersten Schluck kalten Kaffee. Er nahm von Burdick eine Zigarette an und blies den Rauch geräuschvoll von sich. Er sah überanstrengt aus.
„Wie schaut's jetzt aus?" fragte der Airline-Manager. „Nicht schlecht. Besser konnten wir's nicht erwarten", antwortete der Captain. „Aber die Zeit ist gefährlich kurz. Er müßte mindestens ein dutzendmal die Klappen und das Fahrwerk aus- und einfahren. Mit etwas Glück bringen wir es auf dreimal, bevor er da ist. Sofern er auf Kurs bleibt."
„Werden Sie mit ihm Anflüge trainieren?" warf der Kontrolleur ein.
„Ich muß. Zumindest zwei oder drei. Ich würde sonst keinen roten Heller für seine Chancen geben, bei der Erfahrung, die er mitbringt. Mal sehn, wie er sich macht. Andererseits... " Treleaven zögerte.
Burdick warf seine Zigarette auf den Boden und trat sie aus. „Andererseits was?" fragte er. Treleaven umging die Antwort. „Es ist besser, den Tatsachen ins Gesicht zu sehen", sagte er. „Der Mann dort oben hat vor Angst fast den Verstand verloren, und mit gutem Grund. Wenn seine Nerven nicht durchhalten, wird's besser sein, auf dem Ozean zu wassern."
„Aber der Aufprall...", rief Burdick. „Und die kranken Leute -und das Flugzeug! Es würde einen Totalverlust bedeuten! "
„Mit Risiken müssen Sie rechnen", sagte Treleaven eisig und blickte dem rundlichen Manager scharf in die Augen. „Wenn unser Freund über die Rollbahn hinausschießt, müssen Sie das Flugzeug sowieso abschreiben."
„Harry hat das nicht so gemeint", mischte sich der Kontrolleur hastig ins Gespräch.
„Zum Teufel nein, wirklich nicht", sagte Burdick unbehaglich.
„Außerdem besteht die Gefahr", fuhr Treleaven fort, „daß -wenn er hier aufschlägt - garantiert Feuer ausbricht und wir froh sein müßten, wenn wir überhaupt einen Menschen retten. Wir müssen darauf gefaßt sein, daß er außerdem noch am Boden allerhand mitreißt. Wenn er dagegen auf dem Ozean heruntergeht, bricht das Flugzeug zwar auseinander - aber wir haben die Chance, einige Passagiere zu retten, wenn auch nicht die Schwerkranken. Bei diesem leichten Nebel und annähernder Windstille wird das Wasser glatt sein und den Aufprall mildern. Durch Radar können wir ihn für die Bauchlandung so nahe wie möglich an die Rettungsboote heranbringen."
„Verlangen Sie die Navy! " befahl der Kontrolleur seinem Assistenten. „Außerdem die Air Force. Die Luft-Seehilfe ist schon in Bereitschaft. Sie sind ausgefahren und warten auf Anweisungen durch Funk."
„Trotz alledem möchte ich es nicht tun", sagte Treleaven. Er drehte sich zur Wandkarte um. „Es würde darauf hinauslaufen, daß wir die kranken Passagiere einfach aufgeben. Wir könnten das Glück haben, sie herauszubekommen, bevor das Flugzeug sinkt, aber..." Er sprach in sein kleines Mikrophon: „Radar! -Haben Sie etwas?"
„Immer noch nichts", kam die ruhige, unpersönliche Antwort. Dann: „Halt - warten Sie einen Moment! Das könnte er sein. Ja, Captain, ich habe ihn jetzt. Er ist zehn Meilen südlich vom Kurs. Lassen Sie ihn nach rechts gehen, auf einen Kurs von 265 Grad."
„Gut gemacht", sagte Treleaven anerkennend. Er gab dem Funker einen Wink, damit er die Verbindung zur Maschine wiederherstellte. In diesem Augenblick rief der Funker: Die Air Force meldet Sichtkontakt, Sir! Voraussichtliche Ankunftszeit in 38 Minuten."
„Gut! „Treleaven nahm das Handmikrophon vom Tisch. „Hallo - 714! Haben Sie die umgekehrte Prozedur mit Klappen und Fahrwerk durchgeführt? Bitte kommen. "
„Ja - Vancouver! Bitte kommen." Janets Stimme. „Hat diesmal alles geklappt? Sind Sie in horizontaler Lage geblieben?"
„Alles in Ordnung, Vancouver, sagt der Pilot!" Sie hörten, daß Janet ein kleines, nervöses Lachen von sich gab.
„Gut, 714. Wir haben Sie jetzt auf dem Radarschirm. Sie befinden sich zehn Meilen südlich vom Kurs. Drehen Sie nun vorsichtig nach rechts, benützen Sie die Gashebel, um die gegenwärtige Geschwindigkeit zu halten und das Flugzeug auf einen Kurs von 265 Grad zu bringen. Ich wiederhole. 265 Grad. Ist das klar? Bitte kommen. "
„Verstanden, Vancouver." Treleaven warf einen flüchtigen Blick durchs Fenster.
Die Dunkelheit draußen begann sich langsam zu lichten. „Gott sei Dank", sagte er, „sie werden ein bißchen was sehen -wenn auch erst in den letzten Minuten. "
„Jetzt muß alles bereit sein", sagte der Kontrolleur. Er rief seinen Assistenten: „Sagen Sie auf dem Turm Bescheid. Sie sollen die Feuerwehrleute alarmieren!" Dann, zum Telefonisten gewandt: „Geben Sie mir die Stadtpolizei."
„Und mir anschließend Howard im Presseraum", fügte Burdick hinzu. Dann zu Treleaven: „Wir werden die Burschen am besten auf die Möglichkeit einer Wasserung aufmerksam machen, bevor sie überstürzt eigene Entschlüsse fassen. Nein -warten Sie!" Er starrte den Captain an. „Es würde bedeuten, daß wir die kranken Passagiere abschreiben. Wenn wir das sagen, kann ich mich gleich aufhängen!" Treleaven hörte ihm nicht zu. Er hatte sich auf einen Stuhl fallen lassen, stützte den Kopf in die Hände und nahm das verworrene Gemurmel ringsum nicht mehr wahr. Aber beim ersten Knistern im Lautsprecher kam wieder Leben in ihn. Er sprang auf die Füße und nahm das Mikrophon zur Hand.