„Wenn Sie aus der Kurve herauskommen", sagte Treleaven, „werden Sie die Landebahn genau vor sich sehen. Es regnet, und es ist wahrscheinlich gut, wenn Sie die Scheibenwischer einschalten. Der Schalter ist rechts unten am Copilotensitz. Er ist deutlich markiert."
„Suchen Sie ihn, Janet", sagte Spencer. „Halten Sie die Höhe auf tausend Fuß, George. Sie sind noch weit draußen und haben genügend Zeit. Janet soll nach dem Schalter für den Landescheinwerfer schauen. Er ist im oberen Instrumentenbrett, etwas links der Mitte. Halten Sie die Höhe!"
„Können Sie den Schalter finden?" fragte Spencer. „Moment -ja, ich habe ihn."
Spencer wagte einen schnellen Blick nach vorn. „Meine Güte", stöhnte er. Die Lichter der Landebahn, glitzernde Stecknadelköpfe, die aus dem blaugrauen Dunst auftauchten, schienen aus dieser Entfernung unglaublich dicht beieinander zu liegen. Fast wie eine kurze Strecke Eisenbahnschienen. Er wischte sich rasch über die Augen, die vor Überanstrengung tränten.
„Sie liegen gut auf Kurs", sagte Treleaven. „Halten Sie die Höhe. Hören Sie genau zu. Sie müssen auf dem ersten Drittel der Landebahn aufsetzen. Wir haben leichten Seitenwind. Er kommt von links. Also seien Sie darauf gefaßt, daß Sie etwas nach rechts gegensteuern müssen. "
Spencer brachte die Flugzeugnase langsam in die erforderliche Lage. „Wenn Sie zu weit hinten landen, dann nehmen Sie die Notbremse zu Hilfe. Sie brauchen dazu nur den roten Griff zu betätigen, der direkt vor Ihnen ist. Und wenn auch das nicht ausreicht, dann schalten Sie sofort die vier Zündschalter aus, die sich über Ihrem Kopf befinden."
„Sehen Sie die Schalter, Janet?"
„Ja."
„Wenn ich die brauche, muß es schnell gehen", sagte Spencer. „Wenn ich schreie, dann verlieren Sie keine Zeit." Seine Kehle war ausgedörrt. „Gut", antwortete Janet fast flüsternd. Sie preßte die Hände zusammen, um ihr Zittern zu verbergen. „Jetzt dauert' s nicht mehr lange. Was ist mit der Notglocke?"
„Ich habe sie nicht vergessen. Ich löse sie unmittelbar vor der Landung aus."
„Achten Sie auf die Geschwindigkeit..."
„120-115-120..."
„Er sinkt", sagte der Radar-Operateur. „Vierhundert Fuß pro Minute. Lassen Sie Fahrwerk und Klappen prüfen. Er soll den gegenwärtigen Kurs beibehalten."
„Gut, George", sagte Treleaven. „Jetzt raus mit den Klappen. Ganz. Nehmen Sie die Fahrt auf 115 runter. Trimmen Sie die Maschine aus und fangen Sie an, 400 Fuß pro Minute zu sinken. Ich wiederhole: Klappen voll ausfahren. Geschwindigkeit 115. 400 Fuß pro Minute sinken. Halten Sie Ihre gegenwärtige Richtung." Er wandte sich an Grimselclass="underline" „Ist auf dem Platz alles vorbereitet?"
Der Kontrolleur nickte. „Soweit vorbereitet, wie's menschenmöglich ist."
„Dann geht's jetzt los. In 60 Sekunden wissen wir alles." Sie konnten das Motorengeräusch des sich nähernden Flugzeugs hören. Treleaven griff nach dem Fernglas, das ihm der Kontrolleur reichte.
„Janet - bringen Sie die Klappen ganz raus", ordnete Spencer an. Sie stieß den Hebel ganz herunter. „Sagen Sie Höhe und Fahrt an!"
„Tausend Fuß, Fahrt 130 - achthundert Fuß, Fahrt 120 siebenhundert Fuß, Fahrt 105. Wir sinken zu schnell..."
„Höhe halten! " befahl Treleaven. „Höhe halten! Sie verlieren die Höhe zu schnell... "
„Ich weiß, ich weiß", bellte Spencer zurück. Er stieß die Gashebel vorwärts. „Weiter!" sagte er zu dem Mädchen. „650 Fuß - Fahrt 100. 400 Fuß - Fahrt 100..." Burdick schrie vom Balkon herein: „Sehen Sie doch, er hat keine Kontrolle darüber..." Das Fernglas auf das ankommende Flugzeug gerichtet, sagte Treleaven fast atemlos ins Mikrophon: „Los -los! Sie verlieren zu schnell Höhe! Kontrollieren Sie doch um Himmels willen die Fahrt! Die Nase ist zu hoch! Los schnell -oder die Maschine sackt Ihnen durch. Schnell, sage ich -schnell!!"
„Er hat Sie schon gehört", sagte Grimsell. „Er schafft's." Der Radar-Operateur berichtete: „Noch hundert Fuß unter der normalen Anflughöhe. 50 Fuß unter normaler Anflughöhe. Jetzt kreuzt er den Funkstrahl..."
„Runter - runter!" drängte Treleaven. „Wenn Sie die Alarmglocke noch nicht ausgelöst haben, dann tun Sie's jetzt. Die Sitze aufrecht stellen. Die Köpfe der Passagiere runter!" Als im Flugzeug die Alarmglocke schrillte, schrie Baird, so laut er konnte: „Alles ducken! Halten Sie sich, so fest Sie können!"
Joe und Hazel Greer, die beiden Sportfans, legten, in ihre Sitze gekauert, fest die Arme umeinander. Childer, ungeschickt in seiner Hast, versuchte, seine bewußtlose Frau an sich zu ziehen, so nahe er konnte. Von irgendwo in der Mitte war der monotone Klang einer betenden Stimme zu hören und von weiter hinten ein Ruf aus den Reihen des trinkfesten Quartetts: „Gott steh uns bei - jetzt geht's los..."
„Halt die Klappe", fauchte Otpot.
„Jetzt sind sie auf dem Leitstrahl", sprach Grimsell in sein Mikrophon. „An alle Feuerwehrwagen und Bergungstrupps: Stehenbleiben, bis das Flugzeug vorbei ist! Die Maschine könnte seitlich ausbrechen." Seine Stimme brach sich metallisch an den Gebäudewänden. „Er ist wieder auf 200 Fuß herauf, berichtete der Radar-Operateur. „Aber immer noch zu tief. Er ist zu tief, Captain! Hundert Fuß..."
Treleaven riß sich die Kopfhörer ab. Er sprang auf, hielt das Mikrophon in der einen Hand und das Fernglas in der anderen. „Höhe halten, bis Sie am Pistenrand sind!" rief er. „Bleiben Sie völlig ruhig. So, das sieht aus, als war's richtig."
„Verdammter Regen", fluchte Spencer. „Ich kann so schlecht sehen. " Er konnte jetzt erkennen, daß sie über Gras flogen. Dann hatte er das unbestimmte Gefühl, als begänne die Landebahn.
„Kontrollieren Sie die Fahrt", ordnete Treleaven an. „Ihre Nase kriecht schon wieder aufwärts..." Einen Augenblick lang hörte man andere Stimmen im Hintergrund. - „Richten Sie sie gerade", fuhr Treleaven fort, „bevor Sie Bodenberührung haben, und seien Sie darauf gefaßt, daß Sie wegen Seitenwind rechts gegensteuern müssen. Jetzt geht's los."
Der Anfang der grauen Rollbahn glitt unter dem Flugzeug weg.
„Jetzt!" rief Treleaven. „Sie kommen zu schnell an. Nase etwas höher. Höher! Gas zurück. Ganz zurück! Nase hoch! Nicht zu sehr! Nicht zu sehr!! Achtgeben auf den Seitenwind. Ruhig runter, ruhig runter..." Während die Räder des Flugzeuges ein paar Fuß hoch über die Pistenoberfläche huschten, zog Spencer das Steuer sanft zurück und drückte es wieder vor. Er versuchte, sich an den Boden heranzutasten. Seine Kehle war wie zugeschnürt, denn erst jetzt kam ihm zum Bewußtsein, daß die Pilotenkabine hoch über dem Boden war - höher als in jedem Flugzeug, das er bisher geflogen hatte. Eine Schätzung des Abstandes zwischen den Rädern und dem Boden war ihm beinahe nicht möglich. Es schien ein Jahrhundert zu dauern. Die Räder glitten über die Rollbahn - ohne sie zu berühren. Dann setzten sie mit einem Stoß auf. Gummi kreischte - eine Staubwolke stob davon. Der Stoß ließ das Flugzeug in die Luft zurückwippen. Dann versuchten die Reifen wieder, den Boden zu finden.
Der dritte Aufschlag folgte, dann noch einer und noch einer. Durch die zusammengebissenen Zähne fluchend zog Spencer das Steuer bis zum Magen an sich heran. Der Alptraum der letzten Stunden wurde jetzt zur schrecklichen Wirklichkeit. Der graue Streifen unter dem Flugzeug sprang ihm entgegen -entfernte sich wieder und sprang ihm wieder entgegen. Dann blieb er plötzlich wunderbarerweise in gleicher Entfernung: sie waren unten!
Er trat auf die Fußbremse und drückte sie mit aller Kraft ganz durch. Ein hohes Pfeifen ertönte, aber von einem Ruck war nichts zu spüren, das Rolltempo schien nicht abzunehmen. Aus dem Augenwinkel konnte er sehen, daß schon mehr als zwei Drittel der Piste aufgefressen waren. Er würde das Flugzeug niemals rechtzeitig zum Stehen bringen können. „Sie landen zu schnell", röchelte Treleaven. „Nehmen Sie die Notbremse. Ziehen Sie am roten Griff! " Spencer zerrte verzweifelt an dem Griff. Er zog die Steuersäule bis an den Bauch an sich heran, gleichzeitig trat er noch stärker auf die Bremsen. Er fühlte in den Armen einen ziehenden Schmerz, als das Flugzeug langsamer wurde. Die Räder waren blockiert, sie rutschten und rasten dann wieder frei davon. „Zündschalter aus!" schrie er dem Mädchen zu. Einen nach dem anderen schaltete sie aus. Das Motorengeräusch starb ab und hinterließ in der Kabine nur noch das Brummen des Funkgeräts - abgesehen vom Kreischen der Reifen. Spencer starrte gebannt und entsetzt geradeaus. Ohne Motoren raste das Flugzeug immer noch vorwärts. Der Boden huschte verschwommen unter ihnen weg. Spencer konnte jetzt eine große Markierung sehen, die das Ende der Rollbahn anzeigte. Im Bruchteil einer Sekunde nahmen seine Augen das Bild eines Feuerwehrwagens auf, dessen Fahrer eben auf den Sitz kletterte, um loszurasen.