Dun wandte sich nicht um. Er streckte einen Arm aus und schaltete die Landescheinwerfer an. Ihr greller Strahl bohrte sich scharf in das Gemisch aus Regen und Schnee. Dann drehte er die Lichter wieder aus und begann die Motoren zu regulieren und die Enteisungsanlage in Betrieb zu setzen.
„Ich kann jetzt momentan nicht kommen, Janet", sagte er und hantierte weiter. „Sie sollten doch schauen, ob nicht ein Arzt unter den Passagieren ist. Und sorgen Sie dafür, daß sich die Leute anschnallen. Es kann ziemlich bockig werden. Ich komme, sobald ich kann. "
„Ja, Captain."
Als Janet aus dem Cockpit kam, sagte sie mit einer Stimme, die gerade laut genug war, daß die Passagiere, an denen sie vorüberging, sie hörten: „Bitte schnallen sie sich an. Es wird ein wenig böig werden." Sie beugte sich über die ersten beiden Passagiere zu ihrer Rechten. „Entschuldigen Sie", sagte sie leise, „aber ist einer der Herren zufällig Arzt?"
Der Mann, der ihr am nächsten saß, schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, nein", grunzte er. „Ist was nicht in Ordnung?"
„Es ist nichts Besonderes."
Ein Schmerzensschrei ließ sie herumfahren. Sie eilte über den Gang zu dem Platz, auf dem die kranke Frau im Arm ihres Mannes lag. Sie hatte die Augen geschlossen. Janet beugte sich hinab und tupfte ihr den glitzernden Schweiß von der Stirn. Childer starrte sie an. Auf seinem Gesicht lagen jetzt sorgenvolle Falten. „Was können wir nur machen, Miß? Was ist nur mit ihr los?"
„Warm halten, Sir", sagte Janet. „Ich versuche inzwischen, einen Arzt an Bord ausfindig zu machen."
„Ich dachte auch eben daran, ob vielleicht einer an Bord wäre. Was machen wir aber, wenn keiner da ist?"
„Machen Sie sich keine Gedanken, Sir. Ich komme gleich wieder." Janet sah die Frau prüfend an, dann ging sie weiter und wiederholte mit leiser Stimme ihre Frage nach einem Arzt.
„Ist jemand krank?" wurde sie gefragt. „Ein wenig", sagte sie. „Das kommt beim Fliegen ja öfters vor. Bitte entschuldigen Sie, daß ich Sie geweckt habe."
Plötzlich klatschte eine Hand auf ihren Arm. Sie gehörte einem der Vier des Whisky-Quartetts, dessen Gesicht gelb und durchscheinend wirkte. „Entschuldigen Sie, wenn ich Ihnen Arbeit mache, Miß. Aber ich fühle mich, als säße ich in der Hölle. Bitte, haben Sie ein Glas Wasser für mich?"
„Aber selbstverständlich", sagte Janet. „Ich bringe es Ihnen sofort."
„So miserabel war mir noch nie zumute", sagte der Mann. Er lehnte sich zurück und blies die Backen auf, als wäre es sehr heiß. Einer seiner Freunde erwachte, öffnete die Augen und setzte sich aufrecht. „Was ist denn los?" grölte er.
„Irgendwas mit meinen Innereien", versuchte der Kranke zu scherzen. „Es fühlt sich an, als kämen sie gleich allesamt heraus..." Seine Hand fuhr an den Magen, als ihn ein neuer Anfall überkam.
Janet rüttelte Spencer leise an der Schulter. Er öffnete erst ein Auge, dann alle beide. „Es tut mir schrecklich leid, Sir, Sie wecken zu müssen", sagte sie. „Aber ist einer von Ihnen Arzt?"
Spencer begann aufzuwachen. „Ein Arzt? Nein, ich denke nicht, Miß."
Sie nickte und wollte gerade weitergehen, als sie von Spencer zurückgehalten wurde: „Halt, Moment: ich erinnere mich jetzt erst - ja, klar ist einer hier. Der Herr neben mir ist Arzt."
„Gott sei Dank", seufzte die Stewardeß. „Würden Sie ihn bitte wecken, Sir?"
„Sicher." Spencer schaute auf die Gestalt neben sich. „Ist jemand krank, Miß?" fragte er vorsorglich. „Ja, jemand fühlt sich nicht ganz wohl", meinte Janet. „Hallo, Doktor, aufwachen!" sagte Spencer eindringlich. Der Doktor schüttelte den Kopf, grunzte und verschluckte sich. „Natürlich kann keine Nacht vergehen, ohne daß ich gerufen werde... "
„Sie sind Arzt, Sir?" fragte Janet begierig. „Ja, ja, ich bin Dr. Baird. Warum? Was ist los?"
„Wir haben zwei Passagiere an Bord, die ziemlich krank sind. Könnten Sie bitte einmal nach ihnen sehen?"
„Krank? Ja, natürlich. "
Spencer erhob sich, um den Arzt an sich vorbeizulassen. „Wo sind die Leute?" fragte Baird und rieb sich die Augen.
„Ich glaube, Sie sehen am besten zuerst nach der Dame", sagte Janet und ging voran. Dann sprach sie wieder lauter: „Bitte schnallen Sie sich an, meine Herrschaften, es wird ein wenig böig."
Mrs. Childer lag nun soweit ausgestreckt, wie es der Sitz erlaubte. Ihr Körper wurde von Krämpfen geschüttelt. Sie atmete schwer und mit langen, keuchenden Stößen. Ihr Haar war naß von Schweiß. Baird sah sie einen Augenblick aufmerksam an. Dann bückte er sich und griff nach ihrem Handgelenk. „Der Herr ist Arzt", sagte Janet beruhigend zu der Kranken.
„Ich bin froh, daß Sie da sind, Doktor", sagte Mr. Childer aufatmend.
Die Frau öffnete die Augen. „Doktor...", stammelte sie und versuchte weiterzusprechen. Aber ihre Lippen zitterten und schlossen sich wieder. „Bitte entspannen Sie sich", sagte Baird, die Augen auf den Sekundenzeiger seiner Armbanduhr gerichtet. Er zählte den Puls, ließ ihr Handgelenk los, griff in sein Jackett und nahm einen Augenspiegel heraus. „Machen Sie die Augen weit auf", befahl er sanft und prüfte beide Augen in dem breiten Lichtstrahl des Instruments. „Jetzt - Schmerzen?" Die Frau nickte mühsam.
„Wo? Hier - oder hier?" Als er ihren Leib berührte, zuckte sie zusammen und schrie auf. Der Arzt steckte den Spiegel zurück und erhob sich. „Ist die Dame Ihre Frau?" fragte er Childer. „Ja, Doktor."
„Hat sie außer über diese Schmerzen noch über irgend etwas anderes geklagt?"
„Sie war sehr krank und hat alles erbrochen."
„Wann fing es an?"
„Es ist noch nicht lange her." Childer schaute Janet hilflos an. „Es kam ganz plötzlich. "
Baird nickte nachdenklich. Er trat beiseite, nahm Janet am Arm und sprach leise, damit die anderen in der Nähe nichts hören konnten, auf sie ein: „Haben Sie ihr etwas gegeben?"
„Nur Aspirin und Wasser", antwortete Janet. „Oh, da fällt mir ein, daß ich dem Mann, der sich ebenfalls nicht wohl fühlt, ein Glas Wasser bringen wollte..."
„Warten Sie einen Moment", flüsterte Baird. Seine Schläfrigkeit war inzwischen völlig verflogen. Er war wach und in seinem Auftreten respekteinflößend. „Wo haben Sie Krankenpflege gelernt?" Janet errötete über seinen Ton. „Warum? In der Stewardessenschule der Linie natürlich. Aber..."
„So! Es ist aber nicht üblich, jemand Aspirin zu geben, der sich erbricht - Sie machen es damit nur noch schlimmer. In diesem Fall gibt man nur Wasser, sonst nichts."
„Es...es tut mir leid, Doktor", stammelte Janet. „Ich glaube, es ist besser, wenn Sie jetzt zum Captain gehen", sagte Baird. „Sagen Sie ihm, er möchte schnellstens landen. Die Frau muß sofort in ein Krankenhaus. Sagen Sie ihm, er soll einen Krankenwagen zum Flugplatz bestellen. "
„Wissen Sie, was ihr fehlt, Doktor?"
„Hier kann man keine präzise Diagnose stellen. Aber die Sache ist dringend genug, um auf dem nächsten Platz zu landen, von dem aus ein Krankenhaus erreichbar ist. Sagen Sie das dem Captain."
„Gut, Doktor. Würden Sie bitte so nett sein und auch nach dem anderen kranken Passagier sehen? Er hat dieselben Beschwerden und Schmerzen." Baird sah sie scharf an. „Dieselben Schmerzen, sagen Sie? Wo ist er?"
Janet führte ihn zu dem kranken Mann. Er saß - von seinem Freund im Nachbarsitz gestützt - vornübergeneigt und würgte, Baird beugte sich herab, um dem Kranken ins Gesicht zu sehen.
„Ich bin Arzt. Würden Sie bitte Ihren Kopf zurücklehnen?" Nach einer kurzen Untersuchung sagte er: „Was haben Sie in den letzten vierundzwanzig Stunden gegessen?"
„Das Übliche", murmelte der Mann. „Zum Frühstück Schinken und Eier... Zum Mittagessen Salat... Auf dem Flugplatz ein Sandwich und dann hier das Abendessen." Ein kleiner Speichelfaden lief an seinem Kinn herab. „Diese Schmerzen, Doktor, und meine Augen... "
„Was ist mit Ihren Augen?" fragte Baird schnell. „Ich kann nicht deutlich sehen. Ich sehe alles doppelt." Sein Freund begann, es komisch zu finden: „Der Schnaps hat ihn solide erwischt, Sir", bemerkte er. „Seien Sie still", sagte Baird. Er erhob sich, um Janet zu suchen, und fand den Captain neben ihr stehen. „Packen Sie ihn warm ein - legen Sie ihm mehr Decken um", ordnete der Doktor, zu Janet gewandt, an. Der Captain winkte ihm, mit in die Kombüse zu kommen. Nachdem sie allein waren, fragte der Doktor: „Wie schnell können wir landen, Captain?"