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Hat sie dir bei der Geburt geholfen?

AUGENBRAUE: Richter Bao, bevor ich in den Kreißsaal kam, haben sie mir die Augen verbunden.

GAO MENGJIU: Diesen Fall kann das Gericht nicht lösen. Macht einen DNA-Test.

Der Regisseur kommt und flüstert ihm etwas ins Ohr. Beide scheinen sich leise zu streiten.

GAO MENGJIU: (seufzt schwer, singt)

~ Ein sehr ungewöhnlicher Fall ~ Der mir sehr zu schaffen macht. ~ Wem soll ich das Kind geben? ~ Ein tückischer Plan kommt mir. ~

(geht von der Bühne, kommt wenig später zurück)

Ihr hört mir jetzt zu: Da ihr mir den Fall übergeben habt, will ich ihn nun auch entscheiden! Amtsdiener!

AMTSDIENER: Jo!

GAO MENGJIU: Wer meinen Anweisungen nicht folgt, kriegt die Schuhsohle ins Gesicht.

AMTSDIENER: Richtig!

GAO MENGJIU: Augenbraue, Kleiner Löwe: Was jeder von euch vorbringt, erscheint mir gerecht und vernünftig. Deswegen fällt es mir schwer, das Urteil zu fällen. Bitte, Kleiner Löwe, gib mir das Kind.

KLEINER LÖWE: Ich will nicht ...

GAO MENGJIU: Amtsdiener!

AMTSDIENER: (gemeinsam im Chor)

Woh Woh Woh Wah Shubiduwa!

Der Regisseur flüstert Kaulquappe etwas ins Ohr, der pufft Kleiner Löwe mit dem Ellenbogen in die Seite und bedeutet ihr, dem Richter das Kind zu geben.

GAO MENGJIU: (blickt auf das Kind in seinem Arm herab)

Es ist wirklich ein feines Kind, kein Wunder, dass sich beide Familien darum streiten. Augenbraue, Kleiner Löwe, hört mir jetzt gut zu. Ich kann nicht entscheiden, wem ich das Kind zusprechen soll. Ihr könnt es euch aus meinem Arm holen. Wer es als erster schafft, es mir zu entwenden, kriegt es. Einem verdrehten Fall gebührt eine verdrehte Lösung. (hebt das Kind in die Höhe)

Achtung, los!

Chen Augenbraue und Kleiner Löwe stürzen nach vorn. Beide zerren am Kind. Es beginnt zu weinen. Da packt Augenbraue es mit einem festen Griff und nimmt es auf den Arm.

GAO MENGJIU: Amtsdiener! Nehmt Augenbraue das Kind ab und gebt es mir.

Die Amtsdiener nehmen ihr das Kind ab und übergeben es Gao Mengjiu.

GAO MENGJIU: Augenbraue, du warst so kühn zu behaupten, du seist die Mutter des Kindes, aber als du um das Kind kämpfen solltest, hast du es an Sorge und Mitgefühl fehlen lassen. Das zeigt mir, dass deine Behauptung, seine Mutter zu sein, falsch ist. Als Kleiner Löwe sich bemühte, es zu ergattern, hat sie vom ihm abgelassen, sobald es zu weinen begann, weil sie es liebt und nicht verletzen möchte. Richter Bao hat in Kaifeng einen ähnlichen Streitfall genauso entschieden. Diejenige, die vom Kind ablässt, ist die Mutter. Deswegen spreche ich analog zur erwähnten Entscheidung Kleiner Löwe das Kind zu. Augenbraue hat sich erdreistet, andrer Leute Kind zu beanspruchen, und Lügenmärchen gestreut. Somit muss eine Strafe von zwanzig Schuhsohlenschlägen an ihr vollstreckt werden. Weil sie aber eine Behinderung hat, setze ich den Vollzug der Strafe aus. Alle haben den Gerichtsstand zu verlassen. Die Sitzung ist beendet.

Gao Mengjiu gibt Kleiner Löwe das Kind. Augenbraue wird von den Amtsdienern festgehalten, sie wehrt sich und brüllt dabei aus Leibeskräften.

CHEN NASE: Gao Mengjiu, du Nachtwächter!

LI HAND: (pufft Nase)

Freund, Folgendes: Ich habe mit Backe und Kaulquappe schon alles abgesprochen, sie werden Augenbraue mit hunderttausend Yuan entschädigen.

Ende des achten Aufzugs

Neunter Aufzug

Gugus Haushof, Bühnenbild wie zuvor. Hao Große Hand und Qin Strom sind immer noch in das Modellieren der Tonkinder vertieft. Kaulquappe knetet an seinem Stapel Manuskriptpapier, er steht abseits und rezitiert sein Stück mit heller Stimme.

KAULQUAPPE: Wenn mich jemand fragen würde, welche Farbe in Nordost-Gaomi die wichtigste sei, sagte ich ohne Umschweife: Grün!

GROSSE HAND: (unzufrieden vor sich hin brummelnd)

Und was ist mit Rot? Rote Mohrenhirse, rote Sonne, rote Steppjacken, rote Chilis, rote Äpfel ...

QIN STROM: Gelbe Erde, gelbe Kacke, gelbe Zähne, gelbe Marder, nur eben kein Gold, diese gelben Barren gibt’s hier nicht.

KAULQUAPPE: Würde mich jemand fragen, welches Geräusch wohl in Nordost-Gaomi das wichtigste sei, so sagte ich ihm stolz und ohne Umschweife: das Quaken der Frösche!

GROSSE HAND: Warum sollte man darauf stolz sein?

QIN STROM: Das Schreien der Babys ist das Geräusch, auf das man wirklich stolz sein kann.

KAULQUAPPE: Fröschequaken, wie wimmerndes Blöken kleiner Kälbchen, wie trauriges Meckern kleiner Zicklein, wie zeterndes, aber frei herausgeschmettertes Gackern der Henne, wenn sie ihr Ei gelegt hat, Quaken, wie das traurige und durchdringend laute Schreien der Säuglinge.

GROSSE HAND: Was ist mit Hundegebell? Was mit Katzenmiauen? Was mit Eselsiahen?

KAULQUAPPE: (entnervt)

Diese ewigen Widerworte, wie wippende Sänften, die nicht mehr zu stoppen sind.

QIN STROM: Ich finde, dein Theaterstück ist genau das und nichts anderes als eine arg in Schwung geratene Sänfte, die nicht mehr zu stoppen ist.

GUGU: (mit eiskalter Stimme)

Was du gerade gelesen hast, habe ich das gesagt?

KAULQUAPPE: Die Figur Gugu im Theaterstück hat das gesagt.

GUGU: Bin ich die Gugu in deinem Stück? Oder bin ich es nicht?

KAULQUAPPE: Eigentlich bist du es schon, aber im Grunde auch wieder nicht.

GUGU: Was du da sagst, musst du mir schon genauer erklären. So versteh ich das nicht.

KAULQUAPPE: Das ist ein ganz verbreitetes Muster des künstlerischen Schaffensprozesses. Eigentlich der gleiche Vorgang wie das, was beim Formen der Niwawa-Tonkinder bei den beiden passiert. Die Formen und Bilder sind zwar dem realen Leben entnommen, werden aber dank der Kreativität des Künstlers mit neuen Inhalten gefüllt.

GUGU: Fürchtest du nicht, dass einiger Ärger auf uns zukommt, wenn das Stück wirklich aufgeführt wird? Du hast die Namen und Vornamen ja doch alle so gelassen wie im realen Leben.

KAULQUAPPE: Das ist ein Manuskript, Gugu. Wenn die Endfassung steht, tausche ich die Namen aller Figuren gegen ausländische aus. Gugu heißt dann Tante Maria, Große Hand heißt dann Henry, Qin Strom wird zu Allende, Augenbraue zu Dounia, Nase wird dann Figaro heißen, sogar unser Nordost-Gaomiland wird das kleine Dorf namens Macondo werden müssen.

GROSSE HAND: Henry? Der Name hat was.

QIN STROM: Aus mir machst du besser einen Rodin oder Michelangelo, deren Natur und ihre Art zu arbeiten sind mir näher.

GUGU: Kaulquappe, wir sollten nicht abschweifen, Theaterspielen gehört ins Theater! Real Vorgefallenes ist nun mal in der Realität vorhanden und bleibt da auch. Ich finde immer, wir hätten, ich schließe mich da nicht aus, Augenbraue nicht so verächtlich behandeln dürfen. Ich leide in letzter Zeit wieder stark unter meiner Schlafstörung. Der Plagegeist Schuldeneintreiber-Dämon führt seine Schar schwerbehinderter Frösche jede Nacht zu mir und rumort an meinem Bett. Ich spüre ihre kühle, feuchte Haut und nehme den fischigen Körpergeruch wahr.

GROSSE HAND: Das sind alles Halluzinationen, Anwandlungen, die du wegen deiner schwachen Nerven hast.

KAULQUAPPE: Gugu, ich kann dich verstehen, aber irgendwie mussten wir die Sache doch in den Griff bekommen. Wenn nicht so, wie geschehen, wie dann? Wie wir es auch drehen und wenden, Augenbraue ist geisteskrank, dazu ist sie noch schwer entstellt, eine Verbrennungskranke, eine Verrückte mit einem grimmigen, monströsen Aussehen. Wenn wir ihr das Kind gegeben hätten, damit sie es großzieht, wäre das unverantwortlich gewesen. Und außerdem bin ich vom biologischen Standpunkt aus gesehen der Vater des Kindes, obwohl ich es nicht freiwillig geworden bin. Wenn die Mutter nervenkrank ist und schon mit ihrem eigenen Leben Probleme hat, entspricht es dem Gesetz des Himmels, dass der Vater das Kind großzieht. Da würde es immer mir zugesprochen werden, egal von welchem Gericht. Bist du meiner Meinung?