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Die Literaturszene Chinas verlangt von den Schriftstellern, heikle Themen anzusprechen. Andernfalls rügt die Szene sie, im Kielwasser der einflussreichen Funktionäre zu schwimmen und sich von ihnen kaufen zu lassen.

Aber wenn der Autor sich heiklen Fragen widmet, ist er der Kritik ausgesetzt, und man rügt ihn der Liebedienerei gegenüber dem Westen.

Eine Zeitlang habe ich mir alle Mühe gegeben, nirgendwo anzuecken, denn ich fürchtete die Peitsche der ewig Selbstgerechten. Aber in letzter Zeit wird mir immer mehr klar, dass diese mich auch, wenn ich keinen einzigen Satz mehr schriebe, nicht in Ruhe ließen. Denn meine Literatur fühlt ihnen auf den Zahn, und ich bin schon lange der Feind solcher Leute.

So habe ich nun beschlossen, sie einfach hinter mir zu lassen, sie abzuschütteln und meinen eigenen Weg zu gehen. Nur meinem Gewissen Rechenschaft schuldig, suche ich mir die Themen aus, über die ich schreiben möchte.

Meine Ansichten über die Romanästhetik entscheiden über die Form. Eine Offenheit wie auf einem Seziertisch ist gefordert, wenn ich die Seelen und die Charaktere meiner Romanfiguren in meinen Büchern lebendig werden lasse und genauso mich, mein Innerstes in meinen Büchern offenlege.

Als ich mein Buch Frösche fertiggestellt hatte, lasteten mir acht steinschwere Schriftzeichen auf dem Herzen. Sie lauten:

他人有罪,我亦有罪

Wenn andere sich eines Verbrechens schuldig machen,

bin ich mitschuldig.

22. November 2009 in Pingan, Peking

Anmerkungen

1 Wenn man nach neuen Methoden entbinde, würden die Säuglinge windkrank Nach der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) macht der immer bösartige Einfluss frischen Windes krank. Im Inneren Kanon des Gelben Kaisers heißt es z. B. »Durch den Wind entwickeln sich die hundert Krankheiten.« Eine Erkältung wird in China in der chinesischen Medizin viel ernster genommen als in der westlichen Medizin.

2 in den »Geschichten aus dem Gelehrtenwald« Der chinesische Buchtitel der Inoffiziellen Geschichte aus dem Gelehrtenwald lautet »Rulin Waishi«, das Buch ist ein sehr bekannter Roman von Wu Jingzi aus dem Jahr 1749, der Kritik an der Beamtenschicht und Oberschicht übt.

3 Soldaten der Achten Route-Armee des Liautung-Militärgebiets In Liaoning, Provinz an der Grenze zu Korea mit dem Hafen Dalian/Port Arthur.

4 Materialien zur Literatur und Geschichte, die die Politische Konsultativkonferenz auf Kreisebene regelmäßig herausgibt Die Politische Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes (PKKCV) soll die Einwirkung auf die Meinungsbildung im Nationalen Volkskongress gestatten. Sie ist ein beratendes Gremium im Staatsapparat der Volksrepublik China, bestehend aus Mitgliedern der KPCH wie aus Nichtparteimitgliedern.

5 Dein Herr schickt dich, einen Hühnerfederbrief auszuliefern Hühnerfederbrief ist im alten China die Bezeichnung für einen Eilbrief.

6 Mensch gewordener Bodhisattva Guanyin ist eine wichtige Gottheit aus dem Lotussutra. Guanyin ist der chinesische Name des Bodhisattvas Avalokitesvara, der sich dem Weltgeschehen mit barmherzigem Mitleid ganz und absolut zuwendet. Diese wichtigste und populärste weibliche Gottheit Ostasiens verheißt in China vor allem auch Kindersegen.

7 ein ehrloser Betrüger wie Chen Shimei Der Fall Chen Shimei ist einer der überlieferten Fälle des berühmten Richters Bao Qingtian. Chen Shimei ist ein ehrloser Betrüger, der seine Ehe und Ehefrau verleugnete, nachdem er das Beamtenexamen bestanden hatte, und mit bestandenem Examen ohne sie in die Stadt ging, weil er auf gute Verbindungen bei Hofe aus war. Er wurde von Richter Bao zum Tode durch Enthaupten verurteilt.

8 als fluteten die Wasser den Jinshan-Tempel in Zhenjiang Die Leifeng-Pagode und der Jinshan-Tempel in Zhenjiang, Jiangsu, sind der Ort, an dem der Legende nach die Geschichte von der Weißen Schlange (許仙與白娘子) spielt. Die Legende erzählt eine Liebesgeschichte eines weißen Schlangendämons, der sich in eine schöne Frau verwandelt und sich in Xu Xin verliebt. Weil die Liebe zwischen Schlangengetier und Menschen nicht dem Willen des Himmels entspricht, führt der Mönch Fahai ein Heer von Amphibien und dämonischem Meeresgetier gegen die weiße Schlange ins Feld, als diese ihren Geliebten sucht, und flutet den ganzen Jinshan. Der Mönch Fahai vom Jinshan-Tempel hatte sie in den Leifeng-Turm eingesperrt, der dann einstürzte.

9 Feuerbestattungen In China und in ganz Ostasien ist es üblich, dass die Urne mit der Asche im Tempel einen Platz bekommt, an dem täglich Mönche für den Toten beten und die Angehörigen ihn immer besuchen können.

10 zur Revolution in Permanenz verpflichtet »Revolution in Permanenz« ist ein Ausspruch von Marx, aber er trifft das von Mao geforderte Jixu Geming. Auch die permanente Revolution Trotzkis meint etwas Ähnliches.

11 mach aus Gift Medizin, du kannst noch alles Unglück in Glück verwandeln Im chinesischen Geschichtsklassiker, dem Shiji des Sima Qian, Biographie des Guan Yan, heißt es: »Begegne Unglück mit guten Taten, dann kommt Glück.« 史记•管晏列传:其为政也,善因祸为福,转败为功. Schlechte Wirkungen, also schlechtes, sich manifestierendes Karma, schlechtes unglückliches Schicksal – einem solchen Vorkommnis begegnet man in China traditionell, indem man glückverheißende Taten folgen lässt, also Heirat, Geburt usw. Man glaubt, dass man damit das unglückliche Karma noch abwenden und ändern kann.

12 Eine Schnecke im Fingerabdruck Schnecke, im Chinesischen Dou, ist ein Hohlmaß. Wie im Westen das Hufeisen ist es ein Glücksbringer; Sinnbild für Yang, Stärke. Die Dou-Linien sehen wie »Schnecken-Kringel« im Fingerabdruck aus.

13 ein neues Schutz-Papier Dieses Schutz-Papier ist ein spezielles Grabpapier, das beim Gräberfest Qingming zum Schutz, wie ein Mantra, auf dem Grabhügel, zum Beispiel mit einem Stein beschwert, befestigt wird und dann Glück bringen soll.

14 Der Strom brodelte flussabwärts, ungerührt Tag wie Nacht 源泉混混, 不舍昼夜 ist ein Zitat aus Mencius, ICS Mengzi: 8.18/42/12: . 孟子曰:「原泉混混,不舍晝夜。盈科而後進,放乎四海,有本者如是,是之取爾。苟為無本,七八月之閒雨集,溝澮皆盈;其涸也,可立而待也。故聲聞過情,君子恥之。 »Mencius replied, ›There is a spring of water; how it gushes out! It rests not day nor night. It fills up every hole, and then advances, flowing onto the four seas. Such is water having a spring! It was this which he found in it to praise. But suppose that the water has no spring. In the seventh and eighth when the rain falls abundantly, the channels in the fields are all filled, but their being dried up again may be expected in a short time. So a superior man is ashamed of a reputation beyond his merits.‹«

15 wie ein sich vorbeischiebendes Ehrentor Das »Scheintor«, chinesisch Pailou oder Paifang, ist ein Ehrentor, ähnlich wie im Westen der Triumphbogen.

16 linker Hand den Niangniang-Tempel der großen Himmelsmutter Tianhou Tianhou ist der chinesische Name für Himmelsmutter. Tianhou-Tempel sind in China sehr weit verbreitet. Die Tempel der populären Muttergottheit versprechen Kindersegen, die Tianhou-Göttin ist hier in Shandong die große Muttergöttin vom Taishan, nämlich die Taishan Niangniang.

17 nennst du alsbald die vier Lokapalas Die Lokapalas sind die vier Großen Himmelskönige, die vier Weltenwächter nach dem buddhistischen Glauben. Riesige Statuen der Tianwang befinden sich traditionell im Eingangsbereich eines jeden Tempels und sind mächtige Schutzgottheiten.