„Nein, aber …“
„Ich aber. Abgesehen von der Hitze ist das ein himmlisches Fleckchen Erde. Wart’s nur ab, bis du es selbst mal erlebst. Dieser Mann … Was macht er von Beruf? Wenn er nur herumsitzt und Mahagonistatuen für Touristen schnitzt, könnte ich Anitas Unbehagen verstehen. Geht es darum?“
„Nein. Aber ich bezweifle, daß er sich eine Frau leisten kann. Und Ellen kann sich einen Mann nicht leisten; sie hat ihr Studium nicht abgeschlossen. Er ist Meeresbiologe.“
„Ich verstehe. Er ist nicht reich — und Anita respektiert nur Geld. Aber arm ist er auch nicht — wahrscheinlich wird er mal Professor in Auckland oder Sydney. Obwohl es heute durchaus vorkommen kann, daß ein Biologe reich wird. Vielleicht entwirft er eine neue Pflanze oder ein neues Tier, das ihm viel Geld einbringt.“
„Liebling, du verstehst noch immer nicht, worum es geht.“
„Da hast du wohl recht. Also sag’s mir!“
„Nun ja … Ellen hätte jemand von ihrer Art heiraten sollen.“
„Was soll das heißen — ›von ihrer Art‹, Albert? Jemand, der in Christchurch wohnt?“
„Das wäre sicher von Vorteil gewesen.“
„Reich?“
„Das ist nicht Voraussetzung. Obwohl die Dinge im allgemeinen glatter laufen, wenn sich die finanziellen Dinge nicht zu einseitig darstellen. Aber wenn ein polynesischer Strandfaulenzer eine weiße Frauaus reichem Hause heiratet, hat das immer einen unguten Beigeschmack.“
„Oh, oh! Er hat keinen Pfennig, und sie hat gerade ihren Familienanteil kassiert — ist das der Haken?“
„Nein, nicht genau. Verdammt, warum hat sie keinen Weißen heiraten können? Wir haben sie doch wirklich gut erzogen!“
„Bertie, um alles auf der Welt, was soll das? Du redest wie ein Däne, der sich über einen Schweden ausläßt. Ich hatte angenommen, daß Neuseeland von solchen Komplexen frei wäre. Ich weiß noch, wie Brian mich darauf aufmerksam machte, daß die Maori den Engländern in jeder Hinsicht politisch und gesellschaftlich gleichgestellt seien.“
„Und das stimmt auch. Aber … aber es ist nicht dasselbe.“
„Da muß es wohl irgendwo bei mir aussetzen!“
(Oder war Bertie der Dummkopf? Maori sind Polynesier, ebenso wie die Tonganer. Wo lag also das Problem?)
Ich ließ das Thema fallen. Ich hatte nicht den weiten Weg von Winnipeg zurückgelegt, um mich über die Verdienste eines Schwiegersohns zu streiten, den ich noch gar nicht kannte. „Schwiegersohn …“ — Was für eine seltsame Vorstellung! Ich fand es immer wieder entzückend, wenn die Kleinen mich mit „Mama“ und nicht mit „Marjie“ anredeten — aber über die Möglichkeit, daß ich einmal einen Schwiegersohn haben könnte, hatte ich noch nicht nachgedacht.
Dabei war er nach EnEs-Gesetz mein Schwiegersohn — und ich kannte noch nicht einmal seinen Namen. Ich hielt den Mund, versuchte alle störenden Gedanken auszuschalten und überließ es Bertie, mirein Gefühl des Willkommenseins zu vermitteln — darauf versteht er sich.
Nach einer Weile hatte ich genug damit zu tun ihm zu zeigen, wie sehr ich mich über meine Heimkehr freute — die störende Unterbrechung war vergessen.
7. Kapitel
Ehe ich am nächsten Morgen das Bett verließ, faßte ich den Entschluß, Ellen und ihren Mann nicht von mir aus zu erwähnen, sondern abzuwarten, bis jemand anders darauf zu sprechen kam. Schließlich konnte ich mir eine Meinungsäußerung erst erlauben wenn ich alle Tatsachen kannte. Ganz unterdrücken wollte ich das Problem nicht, schließlich ist Ellen auch meine Tochter. Aber ich wollte nichts überstürzen. Anita sollte sich erst beruhigen.
Aber das Thema blieb tabu. Es folgten angenehme Tage der Faulheit, die ich nicht näher beschreiben will, da ich nicht annehme, daß Sie sich für Geburtstagsfeiern oder Familienausflüge interessieren — die mir lieb und teuer waren, einem Außenstehenden aber langweilig erscheinen mußten.
Vickie und ich fuhren über Nacht zum Einkaufen nach Auckland. Nachdem wir unser Zimmer im Hotel Tasman Palace bezogen hatten, fragte Vickie:
„Marj, kannst du ein Geheimnis für dich behalten?“
„Gewiß“, sagte ich. „Hoffentlich ist es etwas Pikantes. Hast du einen Freund? Oder etwa zwei?“
„Wenn ich auch nur einen Freund hätte, würde ich ihn natürlich mit dir teilen. Nein, die Sache ist komplizierter. Ich möchte mit Ellen sprechen und mich deswegen nicht mit Anita herumstreiten. Auf dieser Reise habe ich zum erstenmal Gelegenheit dazu.
Kannst du vergessen, daß ich das getan habe?“
„Nicht ganz, denn ich möchte ja selbst mit ihr sprechen. Aber ich werde Anita nicht erzählen, daß du mit Ellen gesprochen hast, wenn du es nicht willst.Was soll das alles, Vick? Ich weiß, daß sich Anita über Ellens Heirat geärgert hat — aber erwartet sie, daß wir anderen nun nie wieder mit Ellen reden? Mit unserer eigenen Tochter?“
„Ich fürchte, im Augenblick ist es einzig und allein ›ihre‹ Tochter. Sie reagiert nicht gerade logisch.“
„Hört sich ganz so an. Na, ich lasse es nicht zu, daß Anita mich von Ellen trennt. Ich hätte sie schon früher angerufen, aber ich wußte nicht, wie ich mich mit ihr in Verbindung setzen konnte.“
„Ich zeige es dir. Ich rufe an, und du kannst es aufschreiben. Es ist …“
„Moment!“ unterbrach ich sie. „Laß das Terminal in Ruhe! Anita soll doch nichts davon wissen.“
„Richtig. Deshalb rufe ich ja auch von hier aus an.“
„Und der Anruf wird auf unserer Hotelrechnung stehen, und diese Rechnung zahlst du mit deiner Davidson-Kreditkarte, und dann … Überprüft Anita noch immer jede Rechnung, die ins Haus kommt?“
„O ja. Ach, Marj, ich bin ein Dummkopf!“
„Nein, du bist nur ehrlich. Anita hätte sicher nichts gegen die Ausgabe, aber ihr fällt bestimmt jeder Kode auf, der auf einen Auslandsanruf hindeutet. Wir sollten lieber zur Post hinübergehen und von dort aus anrufen. Gegen bar. Oder, was noch einfacher ist, wir nehmen meine Kreditkarte, die nicht über Anita abgerechnet wird.“
„Natürlich! Marj, du gäbst eine gute Spionin ab.“
„O nein; das ist mir zu gefährlich. Ich habe nur Übung darin, meiner Mutter aus dem Weg zu gehen.
Legen wir die Ohren an und gehen wir zur Post hinüber. Vickie, was ist denn eigentlich mit Ellens Mann?
Hat er zwei Köpfe oder was?“
„Äh, er ist Tonganer. Oder wußtest du das schon?“
„Natürlich wußte ich das. Aber Tonganer zu sein ist doch keine ansteckende Krankheit. Außerdem geht das nur Ellen etwas an. Es ist ihr Problem — wenn es überhaupt eins ist. Aber ich wüßte nicht wie.“
„Äh … Anita hat ungeschickt darauf reagiert. Sobald es geschehen ist, muß man eben sehen, daß man gute Miene zum bösen Spiel macht. Aber eine Mischehe ist immer unschön, meine ich — besonders wenn es das Mädchen ist, das unter seinem Stande heiratet wie man es bei Ellen sehen muß.“
„›Unter ihrem Stande‹! Bisher hat man mir nur gesagt, daß er Tonganer ist. Tonganer sind groß und hübsch und gastfreundlich und etwa so braunhäutig wie ich. Vom Aussehen her sind sie von Maori nicht zu unterscheiden. Was wäre, wenn dieser junge Mann ein Maori gewesen wäre — aus einer guten Familie, die einst mit einem Kanu hier eingetroffen ist — und mit viel Land?“
„Ehrlich, ich glaube nicht, daß Anita das gefallen hätte, Marj — aber sie wäre zur Hochzeit gegangen und hätte die Feier ausgerichtet. Ehen mit Maori gibt es hier, viele; das muß man akzeptieren. Gefallen muß es einem aber nicht. Die Rassen zu vermischen ist immer schlecht.“
(Vickie, Vickie, weißt du einen besseren Weg, die Welt aus dem Chaos zu führen, in dem sie sich befindet?) „Na und? Vickie, meine eingebaute Sonnenbräune, weißt du, woher ich die habe?“
„Du hast es uns erzählt. Du bist Indianerin. Eine ›Cherokee‹, wie du gesagt hast. Marj! Habe ich dich irgendwie gekränkt? Du meine Güte! Das ist es dochgar nicht! Alle wissen, daß Indianer … na ja, genau wie Weiße sind. In keiner Weise minderwertiger.“