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Verblaßt wie ein Regenbogen, geplatzt wie eine Seifenblase — ich gehörte nicht mehr dazu. Jene Kinder waren nicht die meinen, nie wieder würde ich mich mit ihnen auf dem Boden herumwälzen.

In tränenlosem Kummer dachte ich über diese Aspekte nach und verpaßte dabei beinahe, daß Anita sich mir gegenüber „großzügig“ verhalten hatte: In dem Vertrag, den ich mit der Familienfirma geschlossen hatte, stand im Kleingedruckten, daß das Gesamtkapital augenblicklich fällig sei wenn ich die Bedingungen des Vertrages überträte. Daß ich ein „Nichtmensch“ war — stellte das eine solche Übertretung dar? (Obwohl ich keinen Zahlungstermin versäumt hatte.) Sah man es aus meiner Sicht, so hatte ich mindestens achtzehntausend EnEs-Dollar zu fordern; aus anderer Sicht hatte ich nicht nur den bereits bezahlten Teil meiner Einlage verwirkt, sondern schuldete der Familie mehr als das Doppelte dieses Betrages.

Aber sie waren „großzügig“ — wenn ich ohne Aufsehen und unverzüglich verschwand, wollten sie ihre Forderung gegen mich nicht durchsetzen. Unausgesprochen blieb, was geschehen würde, wenn ich in der Stadt blieb und einen öffentlichen Skandal anzettelte.

Ich schlich mich davon.

Ich brauche keinen Psychologen, der mir erklärt daß ich das für mich selbst tat; dieser Umstand wurde mir klar, als mir Anita die schlechten Neuigkeiten offenbarte. Eine tieferzielende Frage ist schon: Warumhandelte ich so?

Ich hatte es nicht Ellen wegen getan, das konnte ich mir gar nicht erst einreden. Im Gegenteil — meine Torheit hatte es mir unmöglich gemacht, mich in irgendeiner Weise für sie einzusetzen.

Warum also hatte ich es getan?

Zorn?

Eine bessere Antwort fand ich nicht. Aus Zorn über die gesamte menschliche Rasse wegen der Ansicht daß ich und meinesgleichen keine Menschen sind und deshalb nicht gleich behandelt werden dürfen.

Eine Empörung, die sich seit dem Tag in mir aufgebaut hatte, da ich erfuhr, daß menschliche Kinder Privilegien genossen, die sie nur deswegen besaßen weil sie geboren worden waren, und die ich nie erringen konnte, nur weil ich kein Mensch im eigentlichen Sinne war.

Als Mensch durchzugehen überwindet in gewisser Weise die Hürde der Privilegien; damit endet aber nicht die Verstimmung gegenüber dem System. Der Druck baut sich um so mehr auf, als er keine Äußerung findet. Es kam der Tag, da es für mich wichtiger war herauszufinden, ob meine Familie mich als das akzeptieren konnte, was ich wirklich war, eine Künstliche Person, als die glücklichen Beziehungen aufrechtzuerhalten.

Und ich bekam meine Antwort. Kein einziger sprach sich für mich aus — so wie auch niemand für Ellen gewesen war. Ich glaube, ich wußte, daß man mich ausstoßen würde, als ich erfuhr, daß Ellen keine Unterstützung gefunden hatte. Das alles spielte sich aber in solchen tiefen Schichten meines Verstandes ab, daß ich mich damit nicht sehr gut auskenne — eshandelt sich da um jene dunklen Regionen, in denen sich nach Ansicht meines Chefs mein wirkliches Denken vollzieht.

Ich erreichte Auckland zu spät, um die tägliche SBR nach Winnipeg noch zu erreichen. Nachdem ich mir für den Start des nächsten Tages eine Koje reserviert und bis auf mein Handgepäck alles aufgegeben hatte überlegte ich, was ich mit den folgenden einundzwanzig Stunden anfangen sollte. Sofort fiel mir der lockige Wolf ein, Captain Ian. Nach seinen Äußerungen standen die Chancen, daß er in der Stadt sein würde, fünf zu eins gegen mich — doch in seiner Wohnung (wenn sie verfügbar war) mochte es gemütlicher sein als in einem Hotel. Ich suchte mir also ein öffentliches Terminal und gab seinen Kode ein.

Kurz darauf erhellte sich der Schirm; das fröhliche und ziemlich hübsche Gesicht einer jungen Frau erschien. „Hallo! Ich bin Torchy. Wer sind Sie?“

„Marj Baldwin“, antwortete ich. „Vielleicht habe ich mich vertippt. Ich möchte Captain Tormey sprechen.“

„Nein, Sie sind schon richtig, meine Liebe. Moment mal, ich lasse ihn aus seinem Käfig.“ Sie drehte sich um und entfernte sich vom Objektiv. Gleichzeitig rief sie: „Wuschel! Am Quatscher ist ’ne flotte Biene.

Kennt sogar deinen richtigen Namen.“

Als sie sich abwandte, fiel mein Blick auf bloße Brüste. Gleich darauf konnte ich das Mädchen zur Gänze sehen. Sie war nackt bis zu den Fersen. Ein gutgewachsener Körper — an der Basis vielleicht ein wenig breit, doch mit langen Beinen, schmaler Taille und Brüsten, die mir Konkurrenz machten — und ichhabe noch keine Klagen gehört.

Lautlos verfluchte ich meine Dummheit. Ich wußte sehr gut, warum ich den Captain angerufen hatte: Ich wollte drei treulose Männer vergessen, indem ich mich in die Arme eines vierten stürzte. Ich hatte ihn gefunden, doch es sah so aus, als wäre er bereits belegt.

Er tauchte auf und war ebenfalls nur leicht bekleidet — in einem kurzen Bademantel. Verwirrt starrte er mich an, dann erkannte er mein Gesicht. „He! Miß …

Baldwin! Richtig! Das ist ja toll! Wo stecken Sie?“

„Am Flughafen. Ich habe nur mal Ihre Nummer gewählt, um zu sehen, ob Sie da sind.“

„Bleiben Sie, wo Sie sind! Rühren Sie sich nicht von der Stelle, lassen Sie auch das Atmen sein! Es dauert sieben Sekunden, Hemd und Hosen anzuziehen dann hole ich Sie.“

„Nein, Captain. Ich wollte nur Hallo sagen. Ich steige nur mal wieder um.“

„Umsteigen? Wohin? Wann fliegen Sie weiter?“

Verdammt hoch drei — ich hatte mir meine Geschichte nicht zurechtgelegt. Nun ja, die Wahrheit ist oft besser als eine ungeschickt zusammengezimmerte Lüge. „Ich fliege nach Winnipeg zurück.“

„Aha! Dann steht Ihr Pilot vor Ihnen. Ich habe morgen den Mittagsstart. Sagen Sie mir genau, wo Sie sind, dann hole ich Sie in … äh … vierzig Minuten ab wenn ich schnell genug ein Taxi bekomme.“

„Captain, das ist wirklich sehr nett von Ihnen, aber das geht doch nicht. Sie haben doch längst Gesellschaft. Die junge Frau, die sich eben meldete — Torchy.“

„›Torchy‹ heißt sie nicht, so ist sie. Übrigens meineSchwester Betty aus Sydney. Wohnt hier, wenn sie in der Stadt ist. Wahrscheinlich habe ich schon von ihr gesprochen.“ Er drehte den Kopf und rief: „Betty komm her und stell dich vor! Aber zieh dir erst was Anständiges an!“

„Für den Anstand ist es wohl zu spät“, antwortete ihre fröhliche Stimme, und schon tauchte sie hinter seiner Schulter auf, sich der Kamera nähernd. Im Gehen legte sie sich ein Badetuch um die Hüften, womit sie Mühe zu haben schien, und ich vermutete, daß sie etwas getrunken hatte. „Ach, was soll’s! Mein Bruder möchte mich immer gern an die Kandare nehmen — mein Mann hat längst das Handtuch geworfen. Hören Sie, Schätzchen, ich habe genau gehört, was Sie gesagt haben. Ich bin seine verheiratete Schwester das stimmt. Es sei denn, Sie hätten die Absicht, ihn zu ehelichen — dann wäre ich seine Verlobte. Tragen Sie sich mit solchen Plänen?“

„Nein.“

„Gut. Dann können Sie ihn haben. Ich will gerade Tee machen. Trinken Sie Gin? Oder Whiskey?“

„Ich trinke dasselbe wie Sie und der Captain.“

„Der darf nichts von beidem; er startet in weniger als vierundzwanzig Stunden. Aber wir beide säuseln uns einen an.“

„Dann schließe ich mich Ihrer Wahl an. Alles außer Gift.“

Anschließend überzeugte ich Ian, daß es besser sei wenn ich mir am Flughafen eine Droschke suchte, wo ich schneller eine finden würde als er, der erst nach einem Wagen telefonieren müßte, um hin und her zu fahren.

Locksley Parade Nr. 17 ist ein neuer Wohnblockmit doppelter Außensicherung; mein Weg zu Ians Wohnung führte durch eine Art Schleusensystem, als befände ich mich an Bord eines Raumschiffes. Betty nahm mich zur Begrüßung in die Arme und küßte mich auf eine Weise, die mir bestätigte, daß sie getrunken hatte; anschließend nahm mich mein lockiger Wolf in Empfang und küßte mich auf eine Weise, die mir bestätigte, daß er nicht getrunken hatte, daß er aber erwartete, mich in naher Zukunft ins Bett zu bekommen. Nach meinen Ehemännern erkundigte er sich nicht; ich sagte auch von mir aus nichts über meine Familie — meine ehemalige Familie. Ian und ich verstanden uns gut, weil wir beide die Signale zu deuten wußten, weil wir uns richtig darauf einstellten und folglich den anderen nicht in die Irre führten.