Выбрать главу

„Keine Frage — auf der Liste stehen die Namen der meisten Leute, die in diesem Land wirkliche Macht ausüben. Einmal angenommen, du stündest auf der Todesliste und wärst dann so verschreckt, daß du alles tun würdest, nur um nicht getötet zu werden. Waswürdest du tun? Was ist Gerechtigkeit?“

(„Was ist Wahrheit?“ fragte Pontius Pilatus und wusch die Hände. Ich wußte keine Antwort und hielt den Mund.)

„Meine Liebe, das ist doch ganz einfach“, antwortete Georges.

„Oh? Und wieso?“

„Man hat alles ganz klar geregelt. Jeder Besitzende oder Chef oder Tyrann muß im Grunde wissen, was zu tun ist; das ist seine Aufgabe. Wenn er das tut, was er tun sollte, ist doch alles in Ordnung. Wenn er versagt, wird seine Aufmerksamkeit auf dieses Abweichen gelenkt — durch Dr. Guillotine.“

„Georges, mach keine Witze!“

„Meine Liebe, ich habe niemals etwas ernster gemeint. Wenn das Pferd nicht über die Hürde will wird es erschossen. Bleibt man dabei konsequent findet sich über kurz oder lang ein Pferd, welches das Hindernis schafft. Es handelt sich dabei um jene Sorte plausibler Pseudologik, mit der die Leute an politische Dinge herangehen. So etwas zwingt einen zu der Überlegung, ob die Menschheit durch irgendein Regierungssystem gut verwaltet werden kann.“

„Regieren ist ein schmutziges Geschäft“, brummte Ian.

„Das stimmt. Aber Morde zu veranlassen ist noch schmutziger.“

Diese politische Diskussion wäre wohl jetzt noch im Gange, wenn das Terminal nicht wieder hell geworden wäre — mir fällt überhaupt auf, daß politische Diskussionen selten beendet, sondern stets nur durch äußere Einwirkungen unterbrochen werden. Eine live gesendete Ansagerin füllte den Schirm. „Das Band,das Sie eben gesehen haben“, verkündete sie, „wurde dem Sender durch Boten übermittelt. Das Amt der Premierministerin hat die Aufzeichnung bereits zurückgewiesen und allen Sendern, die es noch nicht gebracht haben, Anweisung gegeben, die Ausstrahlung zu unterlassen — mit Hinweis auf die Strafvorschriften, die im Verteidigungsfall gelten. Daß die Zensur, die mit dieser Anordnung ausgeübt wird gegen die Verfassung verstößt, liegt auf der Hand.

Die Stimme von Winnipeg wird Sie weiter über alle Entwicklungen auf dem laufenden halten. Wir bitten Sie, Ruhe zu bewahren und zu Hause zu bleiben, soweit nicht Ihre Unterstützung benötigt wird, lebenswichtige öffentliche Einrichtungen in Betrieb zu halten.“

Es folgten Wiederholungen von Nachrichtenmeldungen, und Janet dämpfte den Ton und schaltete den Schriftlauf auf den Schirm. „Ian“, sagte ich „wenn wir einmal annehmen, daß ich hierbleiben soll, bis sich die Lage im Imperium beruhigt …“

„Das ist keine Annahme, sondern eine Tatsache.“

„Jawohl, Sir. In dem Fall aber muß ich unbedingt meinen Chef anrufen. Darf ich dazu deinen Terminal benutzen? Natürlich mit meiner Kreditkarte.“

„Nicht mit deiner Karte. Ich tippe die Verbindung ein, und wir nehmen das auf die allgemeine Rechnung.“

Ich hatte das Gefühl, gegen eine Mauer anzurennen. „Ian, ich weiß die großzügige Gastfreundschaft zu schätzen, die du — ihr alle — mir entgegenbringt.

Aber wenn ihr darauf besteht, nun auch jene Kosten zu übernehmen, die ein Gast normalerweise selbst tragen muß, dann solltet ihr mich gleich als eureKonkubine registrieren und öffentlich bekanntgeben daß ihr für meine Schulden eintretet.“

„Klingt vernünftig. Welches Gehalt würdest du fordern?“

„Moment!“ rief Georges. „Ich zahle mehr. Er ist ein geiziger Schotte.“

„Du solltest dich von keinem der beiden betören lassen“, riet mir Janet. „Georges mag wohl mehr zahlen, aber er würde erwarten, daß du ihm dafür Modell stehst und gleich auch noch eine Eizelle überläßt. Ich aber habe mir immer schon eine Haremssklavin gewünscht. Mein Schatz, auch ohne Edelstein im Nabel wärst du das perfekte Odaliskenmädchen! Aber verstehst du dich auf Rückenmassage? Wie steht es mit deinem Gesang? Und jetzt die Kernfrage: Wie empfindest du gegenüber Frauen? Du kannst mir die Antwort ins Ohr flüstern.“

„Vielleicht sollte ich vor die Tür gehen, klingeln und noch einmal ganz von vorn beginnen“, sagte ich.

„Ich will ja nur einen Anruf machen. Ian, darf ich meine Kreditkarte benutzen, um meinen Chef zu verständigen? Master Charge, AAA-Kredit.“

„Wo ausgestellt?“

„Auf die Imperial-Bank von St. Louis.“

„Da muß ich doch annehmen, daß du eine Meldung, die während der Nacht durchkam, nicht mitbekommen hast. Oder liegt dir daran, deine Kreditkarte entwertet zu bekommen?“

„Entwertet?“

„Höre ich da ein Echo? Das Kreditnetz von BritKan ließ durchgeben, daß für die Dauer der Krise Kreditkarten aus dem Imperium und Québec keine Gültigkeit hätten. Steck sie nur in den Schlitz, dannerfährst du Neues über die Errungenschaften des Computerzeitalters. Hast du schon mal brennendes Plastik gerochen?“

„Oh!“

„Wie bitte? Hast du da eben ›Oh‹ gesagt?“

„In der Tat. Ian, da muß ich wohl klein beigeben.

Darf ich meinen Chef auf deine Kosten anrufen?“

„Aber ja doch — wenn du dich mit Janet absprichst.

Sie ist für die Kosten des Haushalts verantwortlich.“

„Janet?“

„Du hast mir meine Frage noch nicht beantwortet.

Flüstere sie mir ins Ohr!“

Und ich kam ihrer Aufforderung nach. Sie riß die Augen auf. „Stellen wir zuerst den Anruf durch.“ Ich nannte ihr den Kode, und sie tippte ihn am Terminal in ihrem Zimmer ein.

Die wandernden Schriftzeichen wurden unterbrochen und eine flackernde Schrift erschien:

AUS SICHERHEITSGRÜNDEN UNTERBROCHEN — KEINE LEITUNGEN INS CHICAGO-IMPERIUM.

Zehn Sekunden lang blitzten die Buchstaben und verschwanden wieder; ich gab einen herzhaften Fluch von mir und hörte Ians Stimme hinter mir: „Ungezogen, wie ungezogen! Brave Mädchen und Damen reden nicht so!“

„Ich bin keins von beiden. Und ich bin verärgert.“

„Das wußte ich gleich; ich hatte vorhin die Meldung mitbekommen. Aber ich wußte auch, daß du es selbst ausprobieren mußtest.“

„Ja, ich hätte darauf bestanden, es zu versuchen.

Ian, ich bin nicht nur frustriert, sondern sitze auch fest. Ich habe einen Riesenkredit bei der ImperialBank von Saint Louis und komme nicht heran. In derTasche habe ich etliche EnEs-Dollar und ein bißchen Kleingeld. Und fünfzig Imperiale Kronen. Und eine suspendierte Kreditkarte. Was war das vorhin mit einem Konkubinatsvertrag? Ich wäre billig zu haben; der Markt hat sich gegen mich verschworen.“

„Das hängt davon ab. Äußere Umstände ändern die Voraussetzungen, und so bin ich jetzt vielleicht nicht mehr bereit, mehr als Essen und Logis zu bieten. Was hast du Janet zugeflüstert? Das könnte noch einen gewissen Einfluß haben.“

Janet antwortete: „Sie hat mir zugeflüstert: ›Honi soi qui mal y pense‹“ — das stimmte gar nicht — „etwas, das ich dir empfehlen möchte, mein lieber Mann. Marjorie, du bist jetzt nicht schlechter dran als noch vor einer Stunde. Du kannst nicht nach Hause, bis die Dinge sich beruhigen — und wenn das geschieht, wird die Grenze offen sein, ebenso die Komm-Leitungen. Außerdem wird deine Kreditkarte wieder etwas wert sein — wenn nicht hier, dann doch unmittelbar hinter der Grenze, die knapp hundert Kilometer entfernt ist.

Du brauchst also nur die Hände zu falten und abzuwarten …“

„… ruhigen Gewissens und gelassenen Herzens. Ja tu das“, schaltete Ian sich ein. „Georges wird sich die Zeit damit vertreiben, dich zu malen. Denn er steckt in derselben Klemme. Ihr beide seid gefährliche Ausländer und werdet sofort interniert, solltet ihr einen Fuß vor die Haustür setzen.“

„Haben wir das auch verpaßt?“ fragte Jan.

„Ja. Obwohl das auch die Wiederholung einer früheren Ansage zu sein scheint. Georges und Marjorie müßten sich eigentlich auf der nächsten Polizeiwache melden. Ich würde dieses Vorgehen allerdings nichtempfehlen. Georges will sowieso den Dummkopf spielen und behaupten, er habe nicht gewußt, daß damit auch hier gemeldete Ausländer gemeint waren.