„Du darfst ihm nicht glauben, meine Liebe. Meine Schwäche ist der Alkohol.“
„Schätzehen, möchtest du vor Georges geschützt werden?“
Ich antwortete wahrheitsgemäß, daß Georges vielleicht Schutz vor mir brauchte. Ohne auf die Einzelheiten einzugehen.
„Was deine Beschwerde über die Feuchtigkeit angeht, so hat das Loch dieselbe Luftfeuchtigkeit wie der Rest des Hauses, ein angenehmer Wert von fünf-undvierzig. Ich habe die Pläne darauf ausgelegt. Notfalls stopfen wir dich gewaltsam ins Loch, auf keinen Fall aber liefern wir dich der Polizei aus.“ Janet wandte sich an mich. „Komm mit, meine Liebe! Wir machen mal einen Probelauf.“
Sie führte mich in das Zimmer, das ich bewohnen sollte, und ergriff meinen Koffer. „Was hast du darin?“
„Nicht viel. Einen Schlüpfer und ein Paar Socken zum Wechseln. Den Paß. Eine nutzlose Kreditkarte.
Etwas Geld. Ausweise. Ein kleines Notizbuch. Das große Gepäck liegt im Zollausschluß am Hafen.“
„Ist recht. Sollten Spuren von dir verbleiben, werden wir sie in meinem Zimmer verwischen. Was die Kleidung angeht, so sind wir so etwa einer Größe.“
Sie griff in eine Schublade und zog ein Plastikbehältnis an einem Gürtel hervor — einen ganz normalen Geldgürtel, wie er oft von Frauen getragen wird. Ich wußte sofort, worum es sich handelte, obwohl ich noch nie so einen Gürtel besessen hatte, der in meinem Beruf nutzlos war. Viel zu auffällig. „Hier hinein tust du alles, was du nicht verlieren darfst, dann bindest du ihn dir um. Und mach ihn wasserdicht. Denn du wirst am ganzen Körper naß sein. Hast du etwas dagegen, dir das Haar naß zu machen?“
„Meine Güte, nein. Ich reib’s mir mit einem Handtuch wieder trocken und schüttele es ein bißchen.
Oder ich lasse es einfach trocknen.“
„Gut. Dann kümmere dich um den Gurt und zieh dich aus! Es wäre sinnlos, die Sachen naßwerden zu lassen. Wenn dann allerdings die Gendarmen kommen, mußt du in voller Montur hindurch — wir trocknen das Zeug dann eben unten im Loch.“Gleich darauf standen wir in Janets großem Badezimmer; ich war in meinen wasserdichten Geldgurt gekleidet, während Janet nur noch ihr Lächeln trug.
„Meine Liebe“, sagte sie und deutete auf das breite Becken. „Schau mal unter den Sitz — drüben auf der anderen Seite!“
Ich beugte mich vor. „Ich kann nicht viel sehen.“
„So hatte ich mir das gedacht. Das Wasser ist klar und man kann von allen Seiten hineinschauen. Von der einzigen Stelle, von der aus man unter den Sitz schauen könnte, spiegelt sich allerdings die Deckenlampe im Wasser. Unter dem Sitz beginnt ein Tunnel.
Egal wo man steht, man sieht ihn nicht, doch wenn du mit dem Gesicht nach unten ins Wasser tauchst kannst du ihn ertasten. Knapp einen Meter breit, etwa einen halben Meter hoch und ungefähr sechs Meter lang. Wie ist dir in engen Räumen zumute — hast du Probleme mit der Klaustrophobie?“
„Nein.“
„Das ist gut. Denn wenn man in das Loch hinabwill, kann man nur tief einatmen, untertauchen und sich durch den kleinen Tunnel ziehen. Die Fortbewegung ist kein Problem, denn ich habe zu diesem Zweck Rillen in den Boden machen lassen. Aber man muß sich einreden, daß die Passage nicht zu lang ist daß man im Zeitraum eines Atemzugs einen Ort erreichen wird, an dem man sich nur aufzurichten braucht, um frische Luft zu haben. Es wird dort dunkel sein, aber das Licht läßt bestimmt nicht lange auf sich warten; wir haben dort eine Schaltung die an die Wärmestrahlung gekoppelt ist. Diesmal gehe ich voraus. Bist du bereit, mir zu folgen?“
„Ich nehme es an. Ja.“
„Na, dann los!“ Janet trat auf den nächsten Sitz und dann ganz in den Badetank. Das Wasser ging ihr gut bis zur Hüfte. „Tief einatmen!“ Sie holte Luft und verschwand unter Wasser und unter dem Sitz.
Ich folgte ihr ins Wasser, atmete mehrmals kraftvoll ein und folgte ihr. Sehen konnte ich den Tunnel nicht, der sich aber mühelos ertasten ließ. Es bereitete mir kein Problem, mich an den fingerdicken Erhöhungen am Boden weiterzuziehen. Es kam mir allerdings so vor, als wäre der Tunnel mehrere Male sechs Meter lang.
Plötzlich erschien dicht vor mir ein Licht. Ich erreichte es, stand auf, und Janet half mir, holte mich aus dem Wasser. Ich befand mich in einem sehr kleinen Raum, dessen Decke kaum zwei Meter über dem Betonboden lag. Ein wenig angenehmer als in einem Grab war es schon, aber nicht viel.
„Dreh dich um, meine Liebe! Hier hindurch!“
„Hier hindurch“ — das war eine schwere Stahltür hoch über dem Boden gelegen, doch bis dicht unter die Decke reichend wir überwanden sie, indem wir uns auf die Türschwelle setzten und die Beine hinüberschwangen. Janet zog die Öffnung hinter uns zu und die Tür erzeugte ein dumpfes Zischen wie eine Panzertür. „Eine Überdrucktür“, erklärte sie. „Würde in der Nähe eine Bombe hochgehen, müßte die Luftdruckwelle das Wasser durch den kleinen Tunnel drücken. Hier wird es dann aufgehalten. Ein direkter Treffer natürlich … Nun ja, wir würden nichts davon merken, und deshalb habe ich auch keine Vorsorge dagegen getroffen.“ Sie fügte hinzu: „Schau dich gründlich um, mach es dir gemütlich! Ich gehe mal ein Handtuch holen.“Wir befanden uns in einem langen, schmalen Raum mit gewölbter Decke. Entlang der rechten Wand standen Kojenbetten, dahinter ein Tisch mit Stühlen und ein Terminal und am anderen Ende eine kleine Küche zur Rechten sowie eine Tür, die in eine Toilette oder Badezimmer führte, da Janet darin verschwand und sofort mit einem großen Handtuch zurückkehrte.
„Halt still, dann trocknet Mama dich ab!“ sagte sie.
„Einen Fön haben wir hier nicht. Ich habe alles einfach und so wenig wie möglich automatisiert gehalten, ohne daß der Sinn und Zweck dieser Anlage zu kurz käme.“
Sie rubbelte mich, bis meine Haut sich warm anfühlte, dann nahm ich ihr das Tuch ab und machte mich an ihr zu schaffen — was mir ein Vergnügen war, da Janet an Schönheit nichts zu wünschen übrigließ. Schließlich sagte sie: „Es reicht, meine Liebe.
Jetzt wollen wir mal eben die 5-Dollar-Tour machen da du außer im Notfall sicher nicht hierher zurückkehren wirst — und selbst wenn es denn sein muß könntest du allein sein — o ja, das könnte passieren — und dann hinge dein Leben davon ab, daß du dich hier gut auskennst.
Erstens — siehst du das Buch, das da über dem Tisch an der Wand festgekettet ist? Das ist das Handbuch mit Inventurliste, und die Kette ist kein Witz.
Mit diesem Buch brauchst du meine 5-Dollar-Tour nicht; alles steht darin! Aspirin, Munition oder Gewürze, es steht dort alles verzeichnet.“
Immerhin vermittelte sie mir einen knappen Eindruck, der mindestens drei Dollar fünfundneunzig wert war: Nahrungsmittelvorräte, Tiefkühlabteilung Reserveluft, Handpumpe für das Wasser, sollte derDruck nachlassen, Kleidung, Medizinschrank, und so weiter. „Ich habe dieses Loch für drei Leute und auf drei Monate ausgelegt“, sagte Janet.
„Wie ersetzt du die Vorräte?“
„Wie würdest du es tun?“
Ich überlegte. „Ich würde das Wasser aus dem Tunnel pumpen.“
„Genau richtig. Es gibt da einen Zwischentank, der natürlich versteckt und auf den Plänen dieses Hauses nicht eingezeichnet ist — ebensowenig wie diese ganze Anlage. Natürlich macht es bei vielen Dingen nichts aus, wenn sie naß werden, oder man kann sie in wasserdichten Schutzfolien befördern. Wie hat übrigens dein Geldgurt die Reise überstanden?“
„Ich glaube gut. Ich habe vor dem Versiegeln die ganze Luft herausgedrückt. Jan, dieses Loch ist nicht nur ein Bombenschutzkeller, sonst hättest du dir nicht soviel Mühe gemacht und soviel Aufwand getrieben, um ihn geheimzuhalten.“
Janets Gesicht bewölkte sich. „Meine Liebe, dir entgeht nicht viel. Nein, ich hätte mir den Bau gespart, wenn es nur um den Luftschutzaspekt ginge.