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Sollten wir jemals eine Wasserstoffbombe abbekommen, bin ich an einem Weiterleben nicht sonderlich interessiert. Ich habe diesen Keller in erster Linie zum Schutz vor der sogenannten ›staatlichen Ordnung‹ gebaut, die ja nun auch prompt zur Unordnung geworden ist.“

„Meine Großeltern“, fuhr sie fort, „haben mir immer von einer Zeit erzählt, da die Menschen höflich zueinander waren und jeder unbesorgt nachts im Freien sein konnte und die Menschen oft nicht einmal ihre Türen verschlossen — geschweige denn ihre Häu-ser mit Zäunen und Mauern und Stacheldraht und Laserkanonen umgaben. Durchaus möglich, daß das früher so war; ich bin nicht alt genug, um mich daran zu erinnern. Was mich betrifft, so habe ich den Eindruck, als wäre im Laufe meines Lebens alles immer nur schlimmer geworden. Mein erster Job nach der Schule drehte sich um den Einbau versteckter Sicherungsanlagen in alte Häuser. Die Methoden, die damals eingesetzt wurden — und so lange ist das noch nicht her! — sind längst überholt. Damals ging es darum, einen möglichen Angreifer aufzuhalten und abzuschrecken. Heute wird die Verteidigung auf zwei Etappen angelegt. Reicht die äußere Sperre nicht aus soll der innere Verteidigungsgürtel den Störenfried umbringen. So etwas ist natürlich streng verboten aber wer es sich leisten kann, arbeitet nach diesem Prinzip. Marj, was habe ich dir noch nicht gezeigt?

Schau nicht in das Buch! Es würde dir sofort auffallen! Laß es dir durch den Kopf gehen! Welchen wichtigen Teil des Loches habe ich dir noch nicht gezeigt?“

(Sollte ich es ihr wirklich sagen?) „Scheint mir komplett zu sein, sobald du mir die Haupt- und Hilfs-Shipstone-Energieträger gezeigt hast.“

„Nun überlege einmal, meine Liebe. Stell dir vor das Haus über uns wäre weggepustet. Oder es wäre von Eindringlingen besetzt. Oder gar von Beamten unserer eigenen Polizei die nach dir und Georges suchen. Was fehlt für einen solchen Fall?“

„Nun ja … die Tiere, die unter der Erde leben — Füchse, Kaninchen, Erdhörnchen — schaffen sich in der Regel einen Hinterausgang.“

„Braves Mädchen! Und wo ist der hier?“ Ich tat, als schaute ich mich um und suchte danach.

In Wahrheit jedoch hatte mich eine gewisse Nervosität, die eindeutig auf meine Grundausbildung zurückging („Entspannen Sie sich erst, wenn Sie eine Fluchtroute im Auge haben“) dazu gebracht, längst danach Ausschau zu halten. „Wenn es technisch möglich ist, einen Tunnel in diese Richtung vorzutreiben, dürfte der Notausgang dort im Kleiderschrank beginnen.“

„Ich weiß nicht, ob ich dich beglückwünschen oder mir überlegen soll, wie ich den Tunnel besser hätte tarnen müssen. Ja durch den Schrank und dann nach links. Die 37-Grad-Wärmeausstrahlung läßt das Licht angehen, so wie es vorhin beim Auftauchen aus dem Wassertunnel geschah. Jede Lampe hat dort ihr eigenes Shipstone-Energieaggregat, das praktisch ewig reicht, trotzdem wäre es ratsam, eine frisch aufgeladene Taschenlampe mitzunehmen, dann weiß man immer, wo man ist. Der Tunnel ist ziemlich lang denn er endet weit außerhalb unserer Mauern in einer Gruppe von Dornenbüschen. Es gibt dort eine getarnte Tür, die ziemlich schwer gepanzert ist. Man braucht sie aber nur zur Seite zu stoßen, dann läßt sie sich aufklappen.“

„Scheint mir recht gut durchdacht zu sein. Aber eine Frage, Jan. Was passiert, wenn jemand den Eingang findet und auf diesem Weg eindringt? Oder wenn ich das täte? Schließlich bin ich für euch mehr oder weniger eine Fremde.“

„Du bist uns nicht fremd; du bist eine alte Freundin, die wir schon sehr lange kennen. Ja, es besteht natürlich die entfernte Möglichkeit, daß jemand unseren Hinterausgang findet, obwohl er sehr gut ver-steckt ist. Erstens würde überall im Haus ein nicht zu überhörendes Alarmschrillen ertönen. Dann würden wir mit Kameras in den Tunnel blicken; das Bild ließe sich auf jedes Hausterminal holen. Dann würde man Gegenmaßnahmen einleiten, deren mildeste der Einsatz von Tränengas ist. Wären wir aber nicht zu Hause, wenn man uns die Hintertür einrennt, täten mir Ian oder Georges sehr leid — oder beide.“

„Warum formulierst du das so?“

„Weil mit mir niemand Mitleid zu haben brauchte.

Ich würde plötzlich von weiblicher Schwäche überkommen — denn ich gebe mich grundsätzlich nicht mit der Beseitigung von Leichen ab, besonders nicht von Toten, die schon einen Reifeprozeß von mehreren Tagen hinter sich haben.“

„Hmm … ja, ich verstehe.“

„Allerdings müßte der Betreffende nicht tot sein wenn er sich ein bißchen auskennt. Denk daran, es ist mein Beruf, solche Verteidigungsanlagen zu entwerfen, Marj, und erinnere dich, was ich dir vorhin über das System der doppelten Sperre sagte. Einmal angenommen, jemand wühlt sich einen steilen Hang herauf, entdeckt unsere Tür und öffnet sie, wobei er sich sämtliche Fingernägel abbricht — dann ist er noch längst nicht tot. Handelt es sich um einen von uns — denkbar, aber unwahrscheinlich — bedienen wir einen Schalter, der ein kurzes Stück vom Tunnelausgang entfernt verdeckt angebracht wurde. Die Stelle müßte ich dir zeigen. Haben wir es aber mit einem Eindringling zu tun, würde sein Blick sofort auf das Schild: PRIVATBESITZ — BETRETEN STRENG VERBOTEN! fallen. Er ignoriert den Text aber und macht weiter und bekommt wenige Meter weiter dieselbeWarnung akustisch vorgesetzt, mit dem Zusatz, daß hier aktive Verteidigungsanlagen installiert wären.

Der Idiot macht trotzdem weiter. Sirenen und rote Lichter — aber er läßt sich nicht abbringen —, und dann erst muß der arme Ian oder der arme Georges den stinkenden Unrat aus dem Tunnel schaffen. Allerdings nicht nach draußen oder zu uns ins Haus.

Wenn jemand darauf besteht, unsere Wehranlagen zu durchbrechen und sich dabei umbringt, wird sein Körper nicht gefunden werden; er wird als Vermißter gelten. Möchtest du gern wissen, wie das passiert?“

„Ich bin ziemlich sicher, daß ich das nicht wissen muß.“ (Janet, sicher handelt es sich um einen getarnten Nebentunnel mit einer Kalkgrube — und ich wüßte zu gern, wie viele Leichen sich schon darin befinden. Janet wirkt sanftmütig wie die zarte Morgenröte — doch wenn irgend jemand diese verrückten Jahre übersteht, dann sie. Sie ist etwa so rücksichtsvoll wie eine Angehörige der Medici-Familie.)

„Dieser Ansicht bin ich im Grunde auch. Möchtest du dir sonst noch etwas anschauen?“

„Ich glaube nicht, Jan. Zumal ich nicht damit rechne, euer hübsches Versteck jemals benützen zu müssen. Schwimmen wir zurück?“

„Gleich.“ Sie überbrückte die Entfernung, die zwischen uns bestand, und legte mir die Hände auf die Schultern. „Was hast du mir da vorhin zugeflüstert?“

„Das hast du doch gehört!“

„O ja.“ Sie zog mich an sich.

In diesem Augenblick meldete sich das Terminal auf dem Tisch. „Mittagessen ist fertig!“

Jan verzog angewidert das Gesicht. „Spielverderber!“

13. Kapitel

Das Essen war köstlich. Kalte Platten mit Pickles, Käsesorten, Brot, Marmelade verschiedener Art, Nüssen Radieschen, Schalotten, Sellerie und dergleichen rahmten einen großen Suppentopf über einer offenen Flamme. In Griffweite standen Teller mit buttertriefendem Knoblauchbrot. Georges zelebrierte das Austeilen der Suppe mit der Würde eines Oberkellners. Ich setzte mich, und Ian band mir eine große Serviette um den Hals. „Nun hau tüchtig rein!“ sagte er.

Ich kostete die Suppe. „Das tue ich!“ rief ich und fügte hinzu: „Janet, diese Köstlichkeit hast du sicher schon gestern den ganzen Tag auf dem Feuer gehabt!“

„Falsch!“ antwortete Ian. „Georges’ Großmutter hat ihm die Suppe testamentarisch vermacht.“

„Das ist übertrieben“, widersprach Georges. „Meine geliebte Mutter, möge Gott ihr Trost spenden setzte diese Suppe in dem Jahr an, in dem ich geboren wurde. Meine ältere Schwester rechnete stets damit sie zu erben, aber dann heiratete sie unter ihrer Würde — einen Britisch-Kanadier —, und so ging sie auf mich über. Ich habe mich bemüht, die Tradition aufrechtzuerhalten. Allerdings meine ich, daß Geschmack und Bukett besser waren, als meine Mutter sich noch darum kümmerte.“