„Aber ja!“ Georges zog eine Drei-Dollar-Note aus der Tasche und legte sie auf den Tresen. Dann schaute er die Frau an.
Die beiden musterten sich etwa zwanzig Sekunden lang unverwandt, dann sagte sie bedrückt: „Ich lächle ja schon, ich glaub’ wenigstens, ich lächle.“ Sie nahm mit der einen Hand das Geld und reichte George mit der anderen das Los. „Ich wette, ich hätte Ihnen noch einen Dollar abschwatzen können.“
„Das werden wir nie wissen, oder?“
„Einmal abheben, doppelt oder nichts?“
„Mit Ihren Karten?“ fragte Georges leise.
„Freund, Sie machen mich zur alten Frau. Verduften Sie, ehe ich es mir anders überlege!“
„Toiletten?“
„Den Korridor hinab, dann links.“ Sie fügte hinzu:
„Verpassen Sie die Ziehung nicht.“
Auf dem Weg zur Toilette unterrichtete mich Georges leise auf Französisch, daß während der Schacherei Gendarmen hinter uns vorbeigekommen und in der Toilette verschwunden wären; sie wären dann in die Rotunda zurückgekehrt und den Hauptkorridor entlanggegangen.
Ich unterbrach ihn, wobei ich ebenfalls Französisch sprach: ich wisse Bescheid, aber hier gäbe es garan-tiert zu viele Augen und Ohren, also sollten wir uns später unterhalten.
Dabei unterschätzte ich seine Beobachtungsgabe nicht. Ganz dicht hinter uns waren zwei uniformierte Wächter ins Gebäude gekommen — nicht die beiden mit den Magenproblemen. Sie waren an uns vorbeigeeilt und hatten die Toiletten überprüft — das war logisch, denn Amateure versuchen sich oft an solchen öffentlichen Orten zu verstecken. Sie waren dann wieder herausgekommen und ins Innere des Palastes geeilt. Georges hatte sich gelassen am Losstand zu schaffen gemacht, während die nach uns suchenden Wächter zweimal dicht an uns vorbeigekommen waren. Er verhielt sich da ziemlich profihaft, das muß ich sagen.
Aber das konnte ich ihm nicht gleich auf die Nase binden. Am Eingang der Toilette verkaufte eine Person unbestimmbaren Geschlechts die Eintrittskarten.
Ich fragte sie (ihn), wo sich denn Frauen frischmachen könnten. Sie (ich entschied mich für „sie“, als eine genauere Beobachtung ergab, daß das T-Shirt entweder aufgeblasen war oder kleine Milchdrüsen verdeckte) antwortete verächtlich: „Sind Sie irgendwie quer? Wollen Unterschiede machen, was? Ich sollte ’n Bullen holen!“ Dann betrachtete sie mich genauer. „Sie sind ja Ausländerin.“
Ich gestand es ein.
„Na schön. Aber reden Sie nur nicht so; die Leute mögen das nicht. Wir sind hier demokratisch, verstehen Sie — Stecker und Steckdosen benutzen hier dieselben Anschlüsse. Jetzt kaufen Sie mal Ihre Karte damit Sie den Eingang nicht länger blockieren.“
Georges erstand zwei Karten, und wir traten ein.Rechts erstreckte sich eine Reihe offener Kabinen.
Darüber schwebte eine Holographie:
DIESE EINRICHTUNG STEHT IHNEN FÜR IHRE
GESUNDHEIT UND
ANNEHMLICHKEIT KOSTENLOS ZUR VERFÜGUNG!
AUF ANORDNUNG DER KALIFORNISCHEN
KONFÖDERATION
JOHN „KRIEGSSCHREI“ TUMBRIL ERSTER KONFÖDERIERTER
Darüber schwebte eine lebensgroße Holographie des Häuptlings.
Hinter den offenen Kabinen gab es Münzkabinen mit Türen; dahinter Türen, die durch Vorhänge verschlossen waren. Links entdeckten wir einen Verkaufsstand, dem eine Person von ganz klarer Geschlechtlichkeit vorstand, die ins Männliche wies.
Georges blieb davor stehen und kaufte zu meiner Überraschung mehrere kosmetische Mittel und eine Flasche billiges Parfum. Dann erbat er eine Karte für eines der Umkleidezimmer am Ende.
„Eine Karte?“ Die Frau musterte ihn eingehend.
Georges nickte. Sie schürzte die Lippen. „Ungezogen ungezogen. Daß Sie mir nichts anstellen, Sie Hengst Sie!“
Georges antwortete nicht. Ein Brit-Kan-Dollar wechselte aus seiner Hand in die ihre und verschwand. Leise sagte sie: „Machen Sie nicht zu lange!
Wenn ich den Summer bediene, sollten Sie schleunigst die Hosen hochziehen. Nummer sieben, ganz rechts.“
Wir begaben uns zu Nummer sieben, die ganz am Ende lag. Georges schloß die Vorhänge, zog die Reiß-verschlüsse zu und drehte dann das kalte Wasser auf soweit es ging. Auf Französisch kündigte er mir an daß wir nun unser Aussehen verändern würden, ohne uns zu verkleiden. Ich solle also ein Schatz sein die Sachen ausziehen, die ich am Leibe hätte, und in den Einteiler aus meinem Köfferchen steigen.
Er vertiefte seine Erklärungen noch, wobei er Französisch und Englisch mischte und immer wieder das Wasser rauschen ließ. Ich sollte die skandalöse Superhaut tragen und mehr Make up als normal, mit dem Ziel, wie die berühmte Hure von Babylon auszusehen oder zumindest so ähnlich. „Ich weiß, daß das nicht dein Metier ist, geliebtes Mädchen, aber versuch es mal!“
„Ich will sehen, ob ich mich auch dabei ›ganz ordentlich‹ schlagen kann.“
„Autsch!“
„Und du willst Janets Sachen anziehen? Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie passen.“
„Nein, nein, ich kostümiere mich nicht. Ich mache nur einen kleinen Schlenkerich hinein.“
„Wie bitte?“
„Ich ziehe keine Frauenkleider an; ich will lediglich versuchen, weibisch auszusehen.“
„Das gibt’s doch nicht! Na schön, versuchen wir’s!“
An mir veränderten wir nicht viel — ich zog den Einteiler über, der ständig naß zu schimmern schien: schon Ian hatte sich dafür begeistert, außerdem reichlich Make up, das Georges mir anbrachte; er schien anzunehmen, daß er mehr davon verstehe als ich (das stellte sich als begründete Ansicht heraus), und sobald wir draußen waren, rundete ich das Bild mit dem entsprechenden Gang ab: Hier-ist-es-hol-es-dir!Für sich selbst brauchte Georges weitaus mehr Make up als für mich, außerdem stäubte er sich mit dem widerlichen Parfum ein (das er mir zum Glück nicht anbot), und band sich ein auffälliges orangerotes Tuch um, das ich bisher als Gürtel benutzt hatte.
Er ließ sich von mir das Haar toupieren und mit Spray haltbar machen. Das war alles — außer einem Wechsel im Verhalten. Er sah noch immer wie Georges aus, hatte aber keine Ähnlichkeit mehr mit dem lüsternen Bock, der mich noch letzte Nacht auf herrliche Weise bis zur Erschöpfung geritten hatte.
Ich packte meine Tasche neu, und wir machten uns auf den Weg. Die alte Ziege am Verkaufsstand riß die Augen auf und hielt den Atem an, als sie mich erblickte. Aber sie sagte nichts, denn im gleichen Augenblick richtete sich ein Mann auf, der am Tresen gelehnt hatte, deutete auf Georges und sagte: „Sie!
Der Häuptling will mit Ihnen sprechen!“ Dann fügte er ziemlich leise hinzu: „Das kann doch nicht wahr sein!“
Georges blieb stehen und machte eine hilflose Bewegung mit beiden Händen. „Ach du meine Güte!
Das muß ein Irrtum sein!“
Der Breitschultrige biß einen Zahnstocher durch auf dem er herumgekaut hatte und antwortete: „Ich glaube es auch beinahe, Bürger — aber ich werde es Ihnen nicht bestätigen. Sie kommen jedenfalls mit! Sie nicht, Schwester.“
„Ich gehe nirgendwohin ohne meine liebe Schwester“, sagte Georges bestimmt. „Also?“
Die dicke Kuh sagte: „Morrie, sie kann doch hier warten. Schätzchen, kommen Sie zu mir hinter den Tresen! Setzen Sie sich zu mir!“ Georges schüttelte kaum merklich den Kopf, doch ich brauchte sein Signal nicht. Wenn ich blieb, würde sie mich entweder sofort wieder in den Umkleideraum zerren, um an mir herumzufingern, oder ich stopfte sie mit dem Kopf voran in ihren Mülleimer.
Auf wen ich mein Geld gewettet hätte, war mir klar.