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a) Keinerlei Meldungen aus dem ChicagoImperium. Das war an sich nichts Neues, da seit den allerersten Berichten über die Ermordung der Demokraten die Nachrichtensperre total gewesen war — gut eine Woche lang was meine Besorgnis doch ziemlich steigerte.

b) Keine Meldungen aus der Kalifornischen Konföderation über diese zweite Gewaltwelle. Von dort waren nur Routinenachrichten zu empfangen. Einige Stunden nach den ersten Durchsagen über einezweite Welle von Hinrichtungen in anderen Ländern kam eine beachtenswerte „Routine“-Meldung aus der Kalifornischen Konföderation. Häuptling „Kriegsschrei“ Tumbril hatte auf Anraten seiner Ärzte eine dreiköpfige Regentschaft mit allen Vollmachten ausgestattet, während er sich einer schon lange aufgeschobenen ärztlichen Behandlung unterzog. Er hatte sich auf seinen Sommersitz zurückgezogen, das Adlernest, in der Nähe von Tahoe gelegen. Die weiteren Berichte über sein Befinden sollten in San José und nicht in Tahoe veröffentlicht werden.

c) Georges und ich waren uns einig über den zu vermutenden — und als ziemlich gewiß anzunehmenden — Hintergrund dieser Meldung. Die ärztliche Behandlung, die der jämmerliche Schauspieler noch brauchte, war die Einbalsamierung, und seine „Regentschaft“ würde sich mit getürkten Meldungen begnügen, bis die internen Machtkämpfe über die Bühne waren.

d) Diesmal gab es keine Berichte über Zwischenfälle außerhalb der Erde.

e) Kanton und die Mandschurei meldeten keine Angriffe.

Berichtigung: Keine solchen Meldungen wurden in Vicksburg, Texas, empfangen.

f) Soweit ich es durch Abhaken einer Liste bestimmen konnte, gingen die Terroristen gegen sämtliche andere Nationen vor. Allerdings hatte meine Erfassung Lücken. Von den gut vierhundert „Nationen“ in den UN bringen einige nur Meldungen hervor, wenn es dort eine totale Sonnenfinsternis gibt. Ich habe also keine Ahnung, was in Wales oder auf den Kanalinseln oder in Swasiland oder Nepal oder auf der Prin-ce Edward-Insel passiert ist, und kann mir auch nicht vorstellen, daß das jemand (der nicht an einem dieser entlegenen Orte lebt) wirklich interessiert. Mindestens dreihundert jener sogenannten souveränen Nationen, die in der UN das Stimmrecht haben, sind reine statistische Gebilde, nur deshalb an Bord, weil sie ein Quartier und Wegzehrung erhalten wollen — sich selbst gegenüber zweifellos von Bedeutung, doch ohne jeden Belang in der Geopolitik. Doch abgesehen von den oben angegebenen Ausnahmen, schlugen die Terroristen in allen großen Ländern zu, und diese Aktionen wurden gemeldet, außer wo strenge Zensur herrschte. g) Die meisten Aktionen gingen fehl. Hierin lag der auffälligste Unterschied zwischen der ersten und der zweiten Terrorwelle. Vor zehn Tagen hatten die meisten Angreifer ihre Opfer umgebracht und waren in der Regel entflohen. Dieses Bild hatte sich jetzt umgekehrt: Die meisten vorgesehenen Opfer überlebten die meisten Täter starben. Einige waren gefangengenommen worden, wenige hatten entfliehen können.

Dieser letzte Aspekt der zweiten Terrorwelle beruhigte mich hinsichtlich eines nagenden Zweifels, der mich geplagt hatte: Mein Chef stand nicht hinter diesen Anschlägen.

Warum ich das sage? Weil die zweite Serie von Schreckenstaten für den Verantwortlichen im Hintergrund eine Katastrophe war.

Einsatzagenten, sogar schon ganz normale Soldaten, sind sehr teuer; ein Einsatzleiter wird sie nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Ein ausgebildeter Attentäter kostet mindestens zehnmal soviel wie eineinfacher Soldat: Man rechnet nicht damit, daß ein Assassine sich umbringen läßt — meine Güte, nein!

Man geht davon aus, daß er sein Opfer umbringt und sich problemlos absetzt.

Der Unbekannte, der diese Show eingefädelt hatte war über Nacht bankrott gegangen.

Eine absolut nicht professionell aufgezogene Aktion.

Folglich steckte nicht der Chef dahinter.

Trotzdem konnte ich mir nicht ausrechnen, wer bei diesem Trauerspiel die Fäden zog, denn ich konnte nicht ermitteln, wer einen Vorteil davon hatte. Mein erster Gedanke, daß einer der Firmenstaaten dafür zahlte, erschien mir nicht mehr so attraktiv, da ich mir nicht vorstellen konnte, daß sich einer der großen Läden (beispielsweise Interworld) bei der Anwerbung von Agenten mit zweitklassigem Material zufriedengeben würde.

Aber noch unvorstellbarer war es, sich eine der Territorialnationen als Anstifter einer solch grotesken Weltrevolution vorzustellen.

Was die verschiedenen fanatischen Gruppen anging, etwa die Engel des Herrn oder die Stimulatoren so war die Aktion für sie einfach zu groß. Trotzdem schien ein fanatischer Zug in der Sache zu stecken — hier war nicht die Vernunft, hier waren keine pragmatischen Überlegungen am Werk.

Es ist nun mal nicht so, daß ich immer genau weiß was rings um mich vorgeht — eine Wahrheit, die ich oft ziemlich störend finde.

Am Morgen nach der zweiten Terrorwelle herrschte in der Unterstadt von Vicksburg große Aufregung.Ich war eben in einen Saloon gegangen, um beim ersten Barkeeper nach einer Möglichkeit zu fragen, als ein Schlepper neben mir auftauchte. „Gute Nachrichten“, flüsterte mir der Jüngling zu. „Rachels Räuber nimmt Leute auf — Rachel hat mich gebeten, dir das gezielt mitzuteilen.“

„Unsinn!“ antwortete ich höflich. „Rachel kennt mich nicht, und ich kenne keine Rachel.“

„Auf meine Pfadfinderehre!“

„Du warst nie Pfadfinder, und wie man das Wort Ehre schreibt, weißt du auch nicht!“

„Hör mal, Boß!“ sagte er. „Ich habe heute noch nichts zu essen gehabt. Komm mit, du brauchst nichts zu unterschreiben! Ist nur über die Straße.“

Er wirkte tatsächlich ein wenig dürr, aber das mochte auch daran liegen, daß er gerade ins knochige Alter kam, in den Schuß, der die Pubertät begleitet; die Unterstadt ist kein Ort, wo man Hunger leiden muß. In diesem Augenblick aber schaltete sich der Barmann ein: „Verschwinde, Shorty! Belästige meine Kunden nicht. Oder soll ich dir den Daumen brechen?“

„Schon gut, Fred“, gab ich zurück. „Ich melde mich später bei dir.“ Ich ließ einen Schein auf die Bar fallen und verlangte kein Wechselgeld. „Komm, Shorty!“

Rachels Rekrutierungsbüro war doch ein gutes Stück weiter entfernt als nur über die Straße, und unterwegs versuchten mich zwei weitere Rekrutierungsschlepper abzuwerben. Sie hatten allerdings keine Chance, da es mir im Augenblick nur darum ging, daß der arme Junge seine Provision kassierte.

Der weibliche Rekrutierungs-Sergeant erinnerte mich an die alte Kuh, die in der öffentlichen Toilettedes Palasts in San José den Verkaufsstand betrieben hatte. Sie starrte mich an und sagte: „Püppchen, Lagernutten brauchen wir nicht. Aber bleib in der Nähe dann spendier ich dir vielleicht ’nen Drink!“

„Bezahl deinen Schlepper!“ sagte ich.

„Wofür?“ antwortete sie. „Leonard, ich hab’s dir schon mehr als einmal gesagt. ›Keine Flaschen‹ hab’ ich gesagt. Und jetzt zieh los und hol mir was ran!“

Ich griff über den Tisch und packte ihr linkes Handgelenk. Übergangslos erschien ein Messer in ihrer rechten Hand. Ich organisierte die Szene um nahm ihr das Messer ab und steckte es vor ihr in die Tischplatte. Gleichzeitig änderte ich meinen Griff um ihre linke Hand, der ihr jetzt ziemlich unangenehm sein mußte. „Kannst du ihn auch mit einer Hand auszahlen?“ fragte ich. „Oder soll ich dir den Finger brechen?“

„Langsam, langsam!“ antwortete sie, ohne sich zu wehren. „Hier, Leonard!“ Sie griff in eine Schublade und gab ihm einen Texas-Zweier. Er griff danach und verschwand.

Ich lockerte den Griff um ihren Finger. „Mehr zahlst du nicht? Wo heute alle möglichen Rekrutierer unterwegs sind?“

„Seine richtige Provision bekommt er, wenn du unterschrieben hast“, antwortete sie. „Ich kriege mein Moos auch erst, wenn ich die warmblütige Ware liefere. Und kriege eins aufs Dach, wenn sie den Anforderungen nicht genügt. Hättest du was dagegen endlich meinen Finger loszulassen? Ich brauch’ ihn um deine Papiere auszustellen.“