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Pembina ist nur ein Dorf; um den Spezialisten zu finden, hatte ich nach Fargo zurückkehren müssen — ein kurzer Ausflug mit der örtlichen Kapsel. Der Spezialist, den ich brauchte, war von der Sorte wie die Vicksburger Firma „Künstler Ltd.“, nur daß solche Unternehmungen im Imperium keine Reklame machen; es kostete mich Zeit und einige vorsichtig verteilte Schmiergelder, den Mann zu finden. Sein Büro lag im Zentrum nahe Main Avenue und University Drive, versteckte sich jedoch hinter der Fassade eines konventionelleren Geschäfts und fiel daher gar nicht auf.

Noch immer trug ich den ausgebleichten blauen Neojeans-Einteiler, mit dem ich schon von Bord der Skip To M’Lou gesprungen war; nicht, weil ich ihn besonders mochte, sondern weil ein solcher einteiliger Anzug aus rauhem Stoff einem international akzeptierten Unisex-Gewand am nächsten kommt. Manfällt darin nicht einmal auf L-5 oder in Luna City auf wo man eher auf Monokini eingestellt ist. Drapiert man ihn mit einem Halstuch, kann die flotte Hausfrau den Anzug beim Einkaufen tragen; mit Aktentasche wird man zum angesehenen Geschäftsmann hockt man sich darin hinter einen Hut voller Bleistifte, ist er ebensogut die Kleidung eines Bettlers. Da der Stoff nicht leicht verschmutzt, sich gut reinigen läßt keine Falten schlägt und beinahe unverwüstlich ist liefert er die ideale Bekleidung für einen Kurier, der mit dem Hintergrund verschmelzen muß und weder Zeit noch Kofferplatz für Kleidung hat.

Meinen Einteiler hatte ich durch eine schmutzige Mütze ergänzt, daran „meine“ Gewerkschaftsabzeichen, dazu einen abgetragenen Gürtel mit alten, aber noch brauchbaren Werkzeugen, eine Girlande aus Ersatzgliedern für den Zaun über einer Schulter und ein Laser-Schweißgerät über der anderen.

Die Sachen, die ich bei mir hatte, waren ausnahmslos gebraucht, einschließlich der Handschuhe.

In der rechten Hüfttasche befand sich eine alte Lederbrieftasche mit Ausweisen, die mich als Hannah Jensen aus Moorhead identifizierten. Ein abgegriffener Zeitungsausschnitt belegte, daß ich Leiterin der Akklamationsgarde der High School gewesen war; eine fleckige Rotkreuzkarte gab meine Blutgruppe mit 0

Rh pos sub 2 an (was der Wahrheit entsprach) und sprach mir eine Auszeichnung als Blutspenderin zu — die Daten zeigten allerdings, daß ich seit sechs Monaten nichts mehr gespendet hatte.

Andere weltliche Kleinigkeiten vertieften Hannahs Hintergrundgeschichte; sie besaß sogar eine VisaKarte, die von der Spar- und Kredit-Bank Moorheadausgestellt war — doch bei diesem Ausrüstungsgegenstand hatte ich meinem Chef gut tausend Kronen gespart: Da ich die Karte nicht benutzen wollte, verfügte sie nicht über jene unsichtbare magnetische Unterschrift, ohne die eine Kreditkarte ein einfaches Stück Plastik ist.

Es war inzwischen ganz hell geworden, und ich rechnete mir aus, daß ich maximal drei Stunden Zeit hatte, um durch den Zaun zu gelangen — das Limit ging darauf zurück, daß etwa um die Zeit die echten Zaunwärter mit ihrer Arbeit begannen und ich keine Lust hatte, auf einen dieser „Kollegen“ zu stoßen. Bevor es dazu kommen konnte, mußte Hannah Jensen verschwinden — um möglicherweise am Spätnachmittag zum letzten Durchbruch noch einmal zu erscheinen. Heute ging es um alles oder nichts; mein Bargeld in Kronen war aufgebraucht. Gewiß, ich hatte noch meine Imperium-Kreditkarte — aber ich bin auf der Hut vor elektronischen Fallstricken. Hatten meine gestrigen Versuche, den Chef anzurufen dreimal mit derselben Karte, ein Subprogramm ausgelöst, nach dem ich nun identifiziert werden konnte?

Es schien geklappt zu haben, da ich unmittelbar danach die Karte noch einmal für die TunnelbahnFahrkarte benutzt hatte — aber war ich wirklich durch alle elektronischen Fallen gerutscht? Ich wußte es nicht und wollte es auch nicht wissen — ich wollte nichts anderes als über den Zaun.

So schlenderte ich denn weiter und widerstand dem Drang, meiner Rolle nicht gerecht zu werden indem ich lostrabte. Ich suchte nach einer Stelle, an der ich den Zaun aufschneiden konnte, ohne dabei beobachtet zu werden — trotz der Tatsache, daß zubeiden Seiten des Zauns ein Streifen von etwa je fünfzig Metern freigebrannt worden war. Das mußte ich akzeptieren; mein Augenmerk richtete ich auf eine möglichst gute Deckung entlang des geschwärzten Niemandslandes: Bäume und Büsche oder Hecken wie es sie in der Normandie gab.

In Minnesota findet man allerdings keine Hecken wie in der Normandie.

Das nördliche Minnesota hat beinahe überhaupt keine Bäume — zumindest nicht an dem Grenzabschnitt, den ich hier beschritt. Ich beäugte gerade ein Stück Zaun und versuchte mir einzureden, daß ein weites, ungedecktes Feld im Grunde genausogut war wie die beste Deckung, solange einen nur niemand beobachtete, als plötzlich ein Polizei-AAF in Sicht kam — im langsamen Flug nach Westen über dem Zaun. Ich winkte freundschaftlich hinauf und trottete weiter nach Osten.

Die Patrouille beschrieb einen Kreis, kehrte zurück und ging etwa fünfzig Meter entfernt nieder. Ich machte kehrt und ging auf das Fahrzeug zu, das ich in dem Augenblick erreichte, als der Patrouillenführer ausstieg, gefolgt von seinem Fahrer. Die Uniformen verrieten mir (Hölle und Verdammnis!), daß es sich nicht um die Provinzpolizei Minnesota handelte sondern um Imperial-Polizisten.

Sagte der Wortführer zu mir: „Was machen Sie denn hier so früh?“

Seine Stimme klang aggressiv; ich paßte mich dem Ton an: „Ich habe gearbeitet — bis Sie mich unterbrachen.“

„Was Sie nicht sagen! Sie gehen doch erst um achthundert in Dienst.“

„Na, dann sollten Sie sich mal an die Entwicklung anpassen, mein Großer!“ antwortete ich. „Die erste Schicht beginnt bei erstem Tageslicht. Wechsel um zwölf Uhr mittags; die zweite Schicht hat Schluß wenn sie nichts mehr sehen kann.“

„Davon hat uns niemand etwas gesagt.“

„Soll der Superintendent Ihnen eine persönliche Einladung schreiben? Nennen Sie mir Ihre Nummer dann richte ich ihm aus, was Sie gesagt haben.“

„Nicht so frech, Schlampe! Ich brauche dich nicht nur anzugucken, genausogut kann ich dich einlochen.“

„Machen Sie nur! Dann kann ich mich mal einen Tag lang ausruhen — während Sie dafür einzustehen haben, daß dieser Abschnitt nicht gewartet wurde.“

„Schon gut!“ Die beiden kletterten wieder in ihr AAF.

„Hat einer von euch Knaben ’nen Paff?“ fragte ich.

„Wir kiffen nicht im Dienst“, sagte der Fahrer unfreundlich. „Und Sie sollten das auch sein lassen.“

„Schuljunge!“ antwortete ich höflich.

Der Fahrer wollte antworten, aber sein Kommandeur knallte das Luk zu, und gleich darauf startete die Maschine — direkt über meinen Kopf hinweg, so daß ich mich ducken mußte. Die beiden mochten mich wohl nicht sonderlich.

Ich kehrte zum Zaun zurück und überlegte mir dabei, daß Hannah Jensen wohl keine Dame war. Es gab keine Entschuldigung dafür, die beiden Grünen grob zu behandeln, nur weil sie unausstehlich waren.

Auch Gottesanbeterinnen, Läuse und Hyänen müssen leben, obwohl ich nie begriffen habe, warum.

Ich kam zu dem Schluß, daß meine Pläne nicht gutdurchdacht waren; der Chef wäre mit mir nicht zufrieden gewesen. Den Zaun bei hellem Tage durchzuschneiden war zu auffällig. Da war es schon besser mir ein Versteck zu suchen, bis zur Nacht den Kopf unten zu behalten und dann erst an den Zaun zurückzukehren. Oder die Nacht auf Plan Nummer zwei zu verwenden: Die Möglichkeit überprüfen, am Rouseau River unter dem Zaun hindurchzuschlüpfen.