„Moment mal!“ sagte ich. „Noch haben Sie mich nicht auf Ihre niederträchtigen Absichten festgelegt.
Ich habe Ihnen nicht mehr und nicht weniger versprochen, als daß Sie mir Ihren Werbevortrag halten können. Im Foyer. Nicht in meinem Schlafzimmer.“
„Marjorie, Sie sind eine harte Frau.“
„Nein, Sie sind ein ehrgeiziger Mann. Ich weiß, was ich tue.“ Eine plötzliche Ahnung gab mir ein, daß ich es in der Tat genau wußte. „Sagen Sie mal, wie stehen Sie zu Künstlichen Personen? Hätten Sie etwas dagegen, wenn Ihre Schwester eine heiraten wollte?“
„Kennen Sie eine, die dazu bereit wäre? Meine Schwester wird allmählich ein bißchen alt; sie kann es sich nicht mehr leisten, wählerisch zu sein.“
„Weichen Sie mir nicht aus! Würden Sie eine heiraten?“
„Was würden die Nachbarn denken? Marjorie woher wollen Sie wissen, daß ich es nicht längst ge-tan habe? Sie haben doch das Photo meiner Frau gesehen. Artefakte geben angeblich die allerbesten Ehefrauen ab, horizontal wie vertikal.“
„Konkubinen, meinen Sie wohl. Es ist nicht nötig sie auch noch zu heiraten. Trevor, Sie sind nicht nur nicht mit einer KP verheiratet, Sie wissen auch nicht mehr darüber, als die allgemein verbreiteten Mythen — sonst würden Sie nicht von ›Artefakt‹ sprechen wenn wir uns in Wahrheit über ›Künstliche Personen‹ unterhalten.“
„Ich bin heimtückisch, hinterlistig und verachtenswert. Ich habe bewußt das falsche Wort gebraucht, damit Sie nicht darauf kommen, daß ich zu der Sorte gehöre.“
„Geplapper! Sie sind keine KP, sonst wüßte ich es.
Und Sie würden wohl mit einer ins Bett gehen, aber es fiele Ihnen nie im Traum ein, so eine zu heiraten.
Unsere Diskussion wird langsam sinnlos; hören wir auf damit! Ich brauche etwa zwei Stunden; seien Sie nicht überrascht, wenn mein Zimmerterminal besetzt ist. Lassen Sie eine Nachricht aufzeichnen und bestellen Sie sich einen schönen Drink; ich komme dann so schnell wie möglich runter.“
Ich tippte mich am Empfang ein und ging nach oben — diesmal nicht ins Brautzimmer — ohne Georges hätte mich diese süße Extravaganz nur traurig gestimmt —, sondern in ein nettes Zimmer mit weichem breitem Bett, ein Luxus, den ich mir im Hinblick auf meinen Verdacht bestellt hatte, daß Trevors zurückhaltende (beinahe negative) Art, sich zu verkaufen ihn letztlich doch dorthin bringen würde. Ein schwieriger Mensch.
Ich verdrängte den Gedanken und machte mich andie Arbeit. Zuerst rief ich im Vicksburg-Hilton an.
Nein, Mr. und Mrs. Perreault hatten sich abgemeldet.
Nein, eine Anschrift war nicht hinterlassen worden.
Tutunsleid!
Mir tat es auch leid, und darin war mir die synthetische Computerstimme kein Trost. Ich rief die McGill-Universität in Montréal an und brauchte zwanzig Minuten, um zu erfahren, daß Dr. Perreault in der Tat dem Lehrkörper der Universität angehörte sich im Augenblick aber in der Universität Manitoba aufhielte. Die einzige Neuigkeit bestand darin, daß der Montréal-Computer Englisch und Französisch mit gleicher Selbstverständlichkeit beherrschte und stets in der Sprache antwortete, in der er angesprochen worden war. Sehr clever, diese Elektronenbändiger — für meinen Geschmack zu clever!
Ich probierte es mit Janets (Ians) Komm-Kode in Winnipeg und erfuhr, daß das Terminal auf Veranlassung des Kunden abgemeldet worden sei. Ich fragte mich, wie es möglich war, daß ich noch bis heute früh auf diesem Terminal im Loch die Nachrichten empfangen hatte. Hieß „abgemeldet“ in diesem Falle nur, daß keine ankommenden Gespräche aufgenommen wurden? Gab es bei der KommGesellschaft solche feinen Unterschiede?
ANZAC Winnipeg jagte mich durch ein gehöriges Stück des dortigen Computers, bis ich endlich eine menschliche Stimme zu hören bekam, die mir einräumte, daß Captain Tormey wegen der Krise und der Unterbrechung im Flugverkehr in Neuseeland im Urlaub sei.
Ians Auckland-Kode antwortete mit Musik und der Aufforderung, eine Nachricht auf Band zu sprechen,was mich nicht weiter überraschte, da Ian nur dort sein konnte, wenn der SBR-Verkehr wieder aufgenommen wurde. Ich hatte aber gehofft, Freddie und/oder Betty zu erreichen.
Wie sollte ich nach Neuseeland gelangen, wenn die SBR nicht flogen? Mit den Seepferden zu fahren, ging nicht; sie sind zu klein. Und nahmen die großen Shipstone-getriebenen Schwimmfrachter jemals Passagiere mit? Ich glaubte nicht, daß Unterkünfte eingebaut waren. Hatte mir nicht jemand erzählt, daß einige dieser Schiffe nicht einmal Besatzungen hatten?
Ich glaubte mich auf den Reiserouten besser auszukennen als die regulären Reisebüros, denn als Kurier mußte ich zuweilen auf Beförderungsmittel zurückgreifen, die Touristen nicht zur Verfügung stehen und mit normaler Passagierbeförderung nichts zu tun haben. Nun bekümmerte mich die Erkenntnis daß ich mir nie überlegt hatte, wie ich gegen das Schicksal ankämpfen sollte, wenn alle SBR am Boden festlagen. Aber natürlich gab es eine Möglichkeit, es gab immer eine Möglichkeit. Ich ordnete die Frage als ein Problem ein, das zu lösen war — allerdings später.
Ich rief die Universität von Sydney an und sprach mit einem Computer. Endlich aber bekam ich doch eine menschliche Stimme in die Leitung, die zugab Professor Farnese zu kennen, der aber im Augenblick ein Studienjahr absolviere. Nein, Private KommKodes und Anschriften würden grundsätzlich nicht weitergegeben — tut mir leid. Vielleicht könnte die Auskunft mir weiterhelfen.
Der Informationscomputer von Sydney schien sich einsam zu fühlen, da er endlos mit mir plaudern wollte — nur wollte er nicht damit herausrücken, ob erFederico oder Elizabeth Farnese in seinem Netz sitzen hatte. Ich hörte mir Werbesprüche über die längste Brücke der Welt an (stimmt nicht) und über das großartigste Opernhaus der Welt (stimmt), verbunden mit der Aufforderung, nach Australien zu kommen und … Widerstrebend schaltete ich ab; ein freundlicher Computer mit australischem Akzent ist eine bessere Gesellschaft, als man sie manchmal ertragen muß, unter Menschen wie auch unter meinesgleichen.
Dann machte ich den Schritt, den zu vermeiden ich gehofft hatte: Christchurch. Es war anzunehmen, daß sich das HQ meines Chefs über meine frühere Familie mit mir hatte in Verbindung setzen wollen, als der Umzug stattfand — wenn es sich um einen Umzug und nicht um eine ungeordnete Auflösung gehandelt hatte. Es bestand außerdem die entfernte Möglichkeit daß Ian, der mich im Imperium nicht erreichen konnte, eine Nachricht an mein früheres Zuhause richten würde, in der Hoffnung, man würde sie weiterleiten. Ich erinnerte mich daran, daß ich ihm meinen Komm-Kode in Christchurch gegeben hatte, als er mir die Nummer für seine Wohnung in Auckland nannte. So rief ich denn mein früheres Zuhause an …
… und erlebte einen Schock vergleichbar dem Ruck der einen durchfährt, wenn man auf eine Stufe tritt die gar nicht vorhanden ist. „Das von Ihnen gewählte Terminal ist nicht angeschlossen. Anrufe werden nicht weitergeleitet. Im Notfall rufen Sie bitte Christchurch …“ Es folgte ein Kode, von dem ich wußte, daß er zu Brians Büro gehörte.
Unwillkürlich ging ich die Verschiebungen der Zeitzonen durch in der Hoffnung, auf eine Antwortzu stoßen, die einen Anruf sinnlos machte — aber dann riß ich mich zusammen. Wir hatten hier Nachmittag, eben fünfzehn durch, folglich war in Neuseeland der folgende Vormittag, kurz nach elf, die Zeit da Brian am wahrscheinlichsten im Büro anzutreffen war. Ich gab sein Signal ein, mußte im Satelliten nur wenige Sekunden warten und starrte dann in sein verblüfftes Gesicht. „Marjorie!“
„Ja“, gab ich ihm recht. „›Marjorie‹. Wie geht es dir?“
„Warum rufst du mich an?“
„Brian, bitte!“ sagte ich. „Wir waren sieben Jahre lang verheiratet. Können wir nicht wenigstens höflich miteinander sprechen?“
„Tut mir leid. Was kann ich für dich tun?“