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Hatte ich jemals einen solchen Vertrag unterschrieben? Die Worte „der verstorbene Dr. Baldwin“ stimmten mich nachdenklich. War das der echte Name des Chefs? Wie kam es, daß sein Name dem Pseudonym glich, das ich am häufigsten verwendet hatte? Hatte er ihn ausgesucht? Es lag alles so weit zurück.

„… da Sie alle jetzt freie Agenten sind. Wir sind eine Elite-Einheit, und Dr. Baldwin sah voraus, daß jede freie Firma Nordamerikas aus Ihren Reihen neue Mitarbeiter gewinnen wollte, sobald sein Tod Ihnen die Freiheit gab. In jedem der kleinen Konferenzzimmer und im Foyer warten Anwerber auf Sie. Wenn Ihr Name aufgerufen wird, kommen Sie bitte nach vorn, um ihre Unterlagen entgegenzunehmen und zu quittieren. Sie können die Unterlagen sofort durchsehen, aber Sie werden nicht, ich wiederhole: Nicht an diesem Tisch stehenbleiben und darüber verhandeln.

Die Diskussion kann stattfinden, wenn alle anderen ihre Unterlagen erhalten haben. Bitte denken Sie daran, daß ich die ganze Nacht auf gewesen bin …“

Sollte ich mich sofort bei einer anderen freien Firma verdingen? Mußte ich das tun? War ich pleite? Anzunehmen, bis auf die Reste der zweihunderttausend Braunen, die ich bei der blöden Lotterie gewonnen hatte — den größten Teil davon schuldete ich vermutlich Janet über ihre Visa-Karte. Mal sehen. Ich hatte 230,4 Gramm Feingold gewonnen, bei Master Charge als 200 000 Braune eingezahlt, doch in Gold zum Tages-Fixkurs gutgeschrieben. 36 Gramm davon hatte ich bar wieder abgehoben, und … Aber ich mußte auch mein anderes Konto berücksichtigen, das bei derImperial-Bank von Saint Louis geführt wurde. Und das Bargeld und die Visa-Belastungen, die ich Janet schuldete. Und Georges müßte ich eigentlich die Hälfte von …

Jemand rief meinen Namen.

Es war Rhoda Wainwright, die ein zorniges Gesicht aufgesetzt hatte. „Bitte passen Sie auf, Miß Freitag!

Hier sind Ihre Unterlagen. Unterschreiben Sie hier daß Sie alles erhalten haben! Dann treten Sie zur Seite, um den Umschlag zu überprüfen!“

Ich warf einen Blick auf die Quittung. „Ich unterschreibe, nachdem ich alles überprüft habe.“

„Miß Freitag! Sie halten den Verkehr auf!“

„Ich trete zur Seite. Aber ich unterschreibe erst wenn ich weiß, daß der Inhalt dieses Pakets identisch ist mit dem, was ich abgeliefert habe.“

„Schon gut, Freitag“, sagte Anna beruhigend. „Ich habe alles durchgesehen.“

„Vielen Dank“, sagte ich. „Aber ich handhabe das so, wie du mit Geheimdokumenten umgehst — selbst sehen und anfassen.“

Die Wainwright-Ziege war drauf und dran, mich in der Hölle schmoren zu lassen, doch ich machte einige Schritte zur Seite und sah die Dinge durch — ein nicht gerade kleines Paket: drei Pässe auf drei Namen, eine Sammlung von Ausweisen, sehr echt aussehende Papiere, die zu dieser oder jener Identität paßten, und eine Zahlungsanweisung auf „Marjorie Freitag Baldwin“, gezogen auf die South Africa & Ceres AkzeptGesellschaft, Luna City, über den Betrag von 297,3

Gramm 999 — was mich erstaunte, aber nicht so sehr wie der nächste Fund: Adoptionsurkunden, wonach Hartley M. Baldwin und Emma Baldwin das weibli-che Kind Freitag Jones adoptiert hatten, das danach den Namen Marjorie Freitag Baldwin trug, ausgestellt in Baltimore, Maryland, Atlantische Union. Kein Wort von der Landsteiner-Krippe oder John Hopkins das Datum aber war der Tag, an dem ich die Landsteiner-Krippe verlassen hatte.

Und zwei Geburtsurkunden: eine nachträglich ausgestellte Bescheinigung auf Marjorie Baldwin, geboren in Seattle, die andere lautete auf Freitag Baldwin, Kind von Emma Baldwin, Boston, Atlantische Union.

Zweierlei traf auf alle diese Dokumente zu: Sie waren gefälscht und zugleich absolut verläßlich. Der Chef machte keine halben Sachen. „Stimmt alles, Anna“, sagte ich und unterschrieb.

Anna nahm mir die Quittung ab und fügte leise hinzu: „Wir sehen uns später.“

„Gern. Wo?“

„Sprich mit Goldie!“

„Miß Freitag! Bitte Ihre Kreditkarte!“ Wieder die Wainwright.

„Oh.“ Nun ja, nachdem der Chef nicht mehr da war und die Firma aufgelöst wurde, konnte ich die Saint Louis-Kreditkarte natürlich nicht mehr benutzen. „Hier.“

Sie griff danach; ich ließ nicht los. „Bitte den Locher! Oder die Schere! Was immer Sie nehmen wollen.“

„Ich bitte Sie! Ich werde die Karte zusammen mit den vielen anderen verbrennen lassen, nachdem die Nummern überprüft worden sind.“

„Miß Wainwright, wenn ich Ihnen eine Kreditkarte aushändigen soll, die auf meinen Namen ausgestelltist — und Sie sollen sie haben, das ist unbestritten — wird sie vor meinen Augen vernichtet oder unbrauchbar gemacht.“

„Sie regen mich auf! Vertrauen Sie denn niemandem?“

„Nein.“

„Dann müssen Sie hier an Ort und Stelle warten bis alle anderen fertig sind.“

„Oh, das glaube ich nicht.“ Ich vermutete, daß Master Charge Saint Louis eine Phenolglas-Laminierung verwendete; jedenfalls waren die Karten sehr widerstandsfähig, wie es bei Kreditkarten eben sein muß.

Bisher hatte ich darauf geachtet, im HQ von meinen gesteigerten Fähigkeiten nichts bekannt werden zu lassen, nicht weil es hier einen Unterschied gemacht hätte, sondern weil es nicht höflich gewesen wäre.

Hier aber lagen besondere Umstände vor. Ich riß die Karte zweimal durch und übergab ihr die Reste. „Die Nummer werden Sie wohl noch erkennen können.“

„Wie Sie wollen!“ Sie klang so verärgert, wie mir in diesem Augenblick zumute war. „Miß Freitag!“ bellte sie. „Bitte auch die andere Karte!“

„Welche andere Karte?“ Ich fragte mich, wer von meinen Freunden im Verlauf dieser Sitzung jener absoluten Notwendigkeit des modernen Lebens beraubt wurde, einer gültigen Kreditkarte, und nun nur noch den Scheck und ein bißchen Wechselgeld zur Verfügung hatte. Umständlich. Unschön. Ich war sicher daß der Chef den Ablauf so nicht vorgesehen hatte.

„Master … Charge … Kalifornien, Miß Freitag in San José ausgestellt. Bitte raus damit!“

„Mit dieser Karte hat die Firma nichts zu tun. Diesen Kredit habe ich selbst arrangiert.“

„Das kann ich mir kaum vorstellen. Der mit der Karte gewährte Kredit wird von South Africa & Ceres garantiert — das heißt mit anderen Worten, von der Firma, die hiermit liquidiert wird. Also geben Sie mir die Karte!“

„Sie irren sich. Die Zahlungen werden zwar durch SA&CA abgewickelt, aber die Kreditlinie ist allein die meine. Sie geht das überhaupt nichts an.“

„Sie werden schnell feststellen, wen das etwas angeht! Ihr Konto wird gelöscht.“

„Auf Ihre Gefahr. Wenn Sie sich einen Prozeß an den Hals holen wollen, der Sie das letzte Hemd kostet, bitte sehr! Sie sollten sich aber lieber vorher von den Tatsachen überzeugen.“ Ich wandte mich ab denn ich wollte mich zu keinen weiteren Ausbrüchen hinreißen lassen. Sie hatte mich dermaßen in Wut gebracht, daß ich meinen Kummer über den Tod des Chefs vorübergehend vergaß.

Ich sah mich um und entdeckte Goldie, die bereits entlassen worden war. Sie saß wartend in einer Ecke.

Ich erwiderte ihren Blick, und sie klopfte einladend auf einen leeren Stuhl neben sich; ich ging zu ihr.

„Anna hat gesagt, ich soll mit dir sprechen.“

„Gut. Ich habe für Anna und mich für heute abend ein Zimmer im Cabaña Hyatt reserviert und dabei gleich gesagt, daß vielleicht noch eine dritte Person käme. Möchtest du mitkommen?“

„So schnell? Habt ihr denn schon gepackt?“ Was hatte ich überhaupt zu packen? Nicht viel, da mein Neuseeland-Gepäck noch im Zollverschluß in Winnipeg lag; ich vermutete nämlich, daß die WinnipegPolizei ein Auge darauf hatte, und wollte es dort stehen lassen, bis Janet und Ian aus der Fahndung ge-nommen worden waren. „Eigentlich hatte ich über Nacht bleiben wollen, aber gründlich darüber nachgedacht habe ich noch nicht.“