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„Es können noch alle hier schlafen, aber im Grunde sieht man es lieber, wenn wir gehen. Die Firmenleitung — die neue Firmenleitung — will nach Möglichkeit heute noch alles erledigen. Das Mittagessen wird die letzte Mahlzeit sein, die hier zu haben ist. Sollte zum Abendessen noch jemand hier sein, gibt’s kalte Brote. Das Frühstück ist bereits gestrichen!“

„Du meine Güte! Das hört sich nicht gerade nach einer Handhabung an, wie der Chef sie vorgesehen hätte.“

„Und ob! Diese Frau … Der Chef hatte sich mit seinem Partner verständigt — der aber vor sechs Wochen starb. Egal; wir hauen einfach ab. Kommst du mit?“

„Ich nehme es an. Ja. Aber zuerst sollte ich mit den Anwerbern sprechen; ich werde Arbeit brauchen.“

„Tu’s nicht!“

„Warum nicht, Goldie?“

„Ich suche ebenfalls Arbeit. Anna hat mich aber gewarnt. Die Anwerber, die heute hier sind, haben Absprachen mit unserer Freundin Wainwright. Wenn die Leute was taugen, kann man auch im Las VegasArbeitsmarkt mit ihnen sprechen — ohne dieser bissigen Schreckschraube eine Provision zu verschaffen.

Ich weiß, was ich werden möchte — Erste Schwester in einem Lazarett einer ausgezeichneten Söldnerkompanie. Die besten Einheiten sind in Las Vegas vertreten.“

„Dann sollte ich mich wohl auch dort umsehen.

Goldie, ich habe mir noch nie Arbeit suchen müssen.

Ich bin ein bißchen verwirrt.“

„Du kommst schon durch.“Nach einem hastig eingenommenen Mittagessen waren wir drei Stunden später in San José. Zwei AAF flogen laufend die Strecke Pajaro Sands und Nationalplatz; die Wainwright schob uns ab, so schnell es ging — als wir abgingen, sahen wir zwei große offene Lastwagen, jeweils von sechs Pferden gezogen, die vor dem Haus beladen wurden, und Papa Perry wirkte wie immer gehetzt. Ich fragte mich, was aus der Bibliothek des Chefs werden würde — und fühlte eine leicht egoistische Trauer, daß ich vielleicht nie wieder auf ein so umfassendes Wissen zurückgreifen konnte. Ich werde nie eine Koryphäe sein, doch mich interessiert nun mal alles, und ein Terminal, das auf direktem Wege mit den besten Bibliotheken der Welt verbunden ist, stellt für mich einen unbezahlbaren Luxus dar.

Als ich erkannte, was da verladen wurde, fiel mir plötzlich etwas ein, das mich beinahe in Panik versetzte. „Anna, wer war die Sekretärin des Chefs?“

„Er hatte keine. Ich habe ihm manchmal ausgeholfen, wenn er Unterstützung brauchte. Aber selten.“

„Er hatte eine Kontaktanschrift für meine Freunde Ian und Janet Tormey. Was ist wohl daraus geworden?“

„Wenn sie nicht darin steht …“ — sie zog einen Umschlag aus der Tasche und reichte ihn mir — „ist sie fort — denn ich hatte seit einiger Zeit die Anweisung unmittelbar nach der amtlichen Feststellung seines Todes an sein persönliches Terminal zu gehen und ein bestimmtes Programm durchlaufen zu lassen. Ich weiß, daß es sich dabei um einen Löschbefehl gehandelt hat, auch wenn er es mir nicht ausdrücklich bestätigte. Alle persönlichen Informationen, die in denSpeichern ruhten, wurden gelöscht. Hat es sich bei dieser Anschrift um etwas Persönliches gehandelt?“

„Etwas sehr Persönliches sogar.“

„Dann ist sie fort. Es sei denn, sie steht hier in dem Brief.“

Ich schaute mir an, was sie mir gegeben hatte: einen versiegelten Umschlag, auf dem nur „Freitag“ stand. Anna fügte hinzu: „Das hätte eigentlich in deinem Umschlag sein sollen, aber ich hab’s rechtzeitig verschwinden lassen. Die neugierige Schreckschraube hat alles gelesen, was sie in die Finger kriegen konnte.

Ich wußte aber, daß dies eine private Mitteilung von Mr. Doppelkrücke — jetzt muß man ja Dr. Baldwin sagen — an dich war. Und so etwas sollte ihr nicht unter die Augen kommen.“ Anna seufzte. „Ich habe die ganze Nacht mit ihr gearbeitet. Ohne sie umzubringen. Ich weiß nicht, warum ich darauf verzichtet habe.“

„Wir brauchten sie, um die Schecks zu unterschreiben“, sagte Goldie.

Auf der Fahrt begleitete uns Burton McNye, einer der Stabsmitarbeiter, ein ruhiger Mann, der selten seine Meinung äußerte. Jetzt aber meldete er sich zu Wort: „Es tut mir leid, daß du es nicht getan hast Anna. Schau mich an; ich habe kein Bargeld. Ich habe immer nur mit der Kreditkarte bezahlt. Die Winkeladvokatin wollte mir meinen Abfindungsscheck erst geben, nachdem ich ihr die Kreditkarte gegeben hatte. Und wie löst man eine Scheckziehung auf eine Luna-Bank ein? Bekommt man gleich Bargeld, oder behält die Bank sie erst zum Einzug da? Vielleicht muß ich heute abend auf dem Nationalplatz schlafen.“

„Mr. McNye …“

„Ja, Miß Freitag?“

„Ich bin nicht mehr ›Miß‹ Freitag. Nennen Sie mich Freitag!“

„Dann müssen Sie mich aber Burt nennen!“

„Okay, Burt. Ich habe ein paar Braune bei mir und eine Kreditkarte, an die die Wainwright nicht herankonnte, obwohl sie es versucht hat. Wieviel brauchen Sie?“

Lächelnd tätschelte er mir das Knie. „All die netten Dinge, die ich über Sie gehört habe, stimmen also.

Vielen Dank, meine Liebe, aber ich werde schon damit fertig. Ich gehe zuerst zur Bank of America. Wenn die den Scheck nicht gleich einlöst, bekomme ich vielleicht eine Anzahlung bis zur Bestätigung der Summe. Wenn nicht, begebe ich mich in Wainwrights Büro im Gebäude der Kreditbank, lege mich flach auf ihren Schreibtisch und sage ihr, daß es nun an ihr läge, mir ein Bett zu verschaffen. Verdammt; der Chef hätte dafür gesorgt, daß jeder von uns ein paar hundert Braune auf die Hand bekommt; sie hat es bestimmt absichtlich nicht getan. Vielleicht will sie uns zwingen, gleich bei ihren Freunden neu abzuschließen; ich würde es ihr zutrauen. Wenn sie Ärger macht, bin ich wohl gerade wütend genug, um herauszufinden, ob ich mich noch an Lektionen meiner Grundausbildung erinnere.“

„Burt“, sagte ich, „Sie dürfen niemals mit den Händen gegen einen Anwalt vorgehen. Einem Anwalt muß man mit einem anderen Anwalt kommen, einem klügeren. Hören Sie, wir ziehen ins Cabaña! Wenn Sie auf den Scheck kein Bargeld bekommen, sollten Sie mein Angebot annehmen. Mir ist es keine Last.“

„Vielen Dank, Freitag. Aber ich werde sie zuerst würgen, bis sie nachgibt.“

Das Zimmer, das Goldie reserviert hatte, erwies sich als kleine Zimmerflucht: ein Zimmer mit einem großen Wasserbett und ein Wohnzimmer mit einer Couch, die sich zu einem Doppelbett ausziehen ließ.

Ich setzte mich auf die Couch, um den Brief des Chefs zu lesen, während Anna und Goldie im Bad verschwanden — anschließend mußte ich selbst auf die Toilette. Als ich wieder zum Vorschein kam, lagen die beiden auf dem großen Bett und waren eingeschlafen — was nicht weiter überraschend war, denn beide hatten die ganze Nacht angestrengt gearbeitet.

Ich bewegte mich leise, setzte mich und nahm mir den Brief vor:

„Liebe Freitag da dies meine letzte Gelegenheit ist, Sie anzusprechen muß ich Ihnen Dinge offenbaren, die ich nicht äußern konnte, als ich noch lebte und Ihr Arbeitgeber war.

Ihre Adoption: Sie erinnern sich nicht daran, weil sie gar nicht so abgelaufen ist. Sie werden feststellen, daß alle diesbezüglichen Unterlagen rechtsgültig sind. Sie sind wirklich meine Adoptivtochter. Emma Baldwin ist etwa so real wie Ihre Eltern aus Seattle, das heißt, sie ist für alle praktischen und rechtlichen Belange existent. Sie müssen sich nur vor einem Aspekt hüten: daß Ihre verschiedenen Identitäten sich ins Gehege kommen. Aber im Beruf sind Sie ja schon oft über dieses Hochseil geschritten.

Sorgen Sie dafür, daß Sie bei der Verlesung meines Nachlasses zugegen oder vertreten sind. Da ich LunaBürger bin — “ (Wie bitte?) —, „wird dies in Luna City geschehen, und zwar unmittelbar nach meinem Tod, da es inder Luna-Republik all jene den Anwälten dienenden Verzögerungen nicht gibt, die in den meisten Erd-Ländern anzutreffen sind. Melden Sie sich bei Fong, Tomosawa Rothschild, Fong & Finnegan in Luna City. Und schrauben Sie Ihre Hoffnungen nicht zu hoch; was Sie erben werden, enthebt Sie nicht der Notwendigkeit zu arbeiten.