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Anna war Großmutter? Kann man einen anderen Menschen wirklich gut kennen?

25. Kapitel

Las Vegas ist ein Zirkus mit drei Manegen, in dem es leicht fällt, sich einen Kater zuzulegen.

Eine Zeitlang hatte ich Spaß an dem Treiben. Aber wenn man alle Shows gesehen hat, erreicht man einen Punkt, da einem all die Lichter und die Musik und der Lärm und das hektische Durcheinander zuviel werden. Vier Tage waren mehr als genug.

Wir erreichten Vegas gegen zehn Uhr, nachdem wir erst sehr spät losgekommen waren, denn jeder von uns hatte noch geschäftliche Dinge zu erledigen — außer mir mußten alle ihre Arrangements hinsichtlich der Legate aus dem Nachlaß des Chefs treffen, und ich mußte meine Abfindungs-Ziehung bei Master Charge vorlegen. Jedenfalls war das meine Absicht.

Die ich aber schnell wieder aufgab, als Mr. Chambers mich fragte: „Möchten Sie uns einen Auftrag geben Ihre Einkommensteuer auf diesen Betrag abzuführen?“

Einkommensteuer? Was für eine gemeine Vorstellung! Ich traute meinen Ohren nicht. „Was war das Mr. Chambers?“

„Ihre Einkommensteuer in der Konföderation.

Wenn Sie uns beauftragen wollen, die Sache zu erledigen — hier wäre das Formular —, bereiten unsere Experten alles vor, dann bezahlen wir den Betrag ziehen ihn von Ihrem Konto ab, und Sie haben keine weitere Mühe damit. Die Gebühr für diesen Service ist minimal. Sonst müßten Sie die Steuer selbst berechnen und alle Formulare ausfüllen und sich dann zur Bezahlung beim Finanzamt anstellen.“

„Von solcher Steuer war aber nicht die Rede, als ich hier mein Konto eröffnete.“

„Bei der Einzahlungssumme handelte es sich ja auch um den Preis unserer Nationalen Lotterie! Der gehört Ihnen, ohne jeden Abzug — so ist das in einer Demokratie! Freilich streicht die Regierung die Lotteriesteuer gleich bei den Organisatoren ein.“

„Ich verstehe. Wie hoch ist der Anteil der Regierung?“

„Ich bitte Sie, Miß Baldwin, diese Frage sollten Sie an die Regierung richten, nicht an mich. Wenn Sie bitte hier unterschreiben würden; ich fülle das übrige später aus.“

„Gleich. Wie hoch ist die ›minimale Gebühr‹, von der Sie vorhin gesprochen haben? Und wie hoch ist die Steuer?“

Ich verabschiedete mich, ohne meine Goldziehung zu deponieren, und der arme Mr. Chambers war wieder einmal rechtschaffen entrüstet über mich.

Obwohl die Braunen dermaßen von der Inflation ausgehöhlt sind, daß man schon eine gehörige Zahl bündeln muß, um sich einen Big Mäc zu kaufen, finde ich tausend Braune nicht ›minimal‹ — das ist der Gegenwert von mehr als einem Gramm Gold, ein Betrag von 37 Brit-Kan-Dollar. Dazu die übliche achtprozentige Abwicklungsgebühr, da hätte sich Master Charge ein hübsches Sümmchen in die Tasche verdient, als Handlanger der Steuerbehörden der Konföderation.

Ich war nicht einmal davon überzeugt, daß ich nach den verrückten Gesetzen Kaliforniens überhaupt Steuern schuldete — der größte Teil des Geldes war nicht in diesem Land verdient worden, und ichsah ohnehin nicht ein, weshalb Kalifornien Ansprüche auf mein Einkommen haben sollte. Zuerst wollte ich mich mit einem guten Anwalt beraten.

Ich kehrte ins Cabaña Hyatt zurück. Goldie und Anna waren noch unterwegs, Burt war aber bereits zurückgekehrt. Ich erzählte ihm von meinen Erlebnissen, denn ich wußte, daß er in der Abteilung für Logistik und Abrechnung gearbeitet hatte.

„Wir brauchen uns nicht darüber aufzuregen“ sagte er. „Die persönlichen Dienstverträge mit dem Vorsitzenden waren stets ›steuerfrei‹, und im Imperium wurde die Bestechungssumme jedes Jahr neu festgesetzt. Hier hätte Mr. Esposito eine deckende Summe zahlen müssen — das heißt, jetzt ja Miß Wainwright. Frag sie doch danach!“

„Auf keinen Fall!“

„Das dachte ich mir. Sie hätte das Finanzamt verständigen und etwa ausstehende Steuern bezahlen müssen — nach ausreichenden Verhandlungen, du verstehst, was ich meine. Vielleicht will sie sich die Ausgabe aber sparen; ich weiß es nicht. Wie dem auch sei — du hast doch einen Ersatz-Paß, oder?“

„Natürlich! Immer.“

„Dann nimm den! Ich werde das jedenfalls tun.

Nachdem ich dann weiß, wo ich lande, hole ich mein Geld zu mir. Bis dahin ist es auf dem Mond sehr sicher.“

„Äh, Burt, ich bin ziemlich sicher, daß die Wainwright eine Liste sämtlicher zusätzlichen Pässe besitzt. Meinst du, man wird uns bei der Ausreise überprüfen?“

„Na, was soll sein, wenn die Wainwright eine Liste hat? Die wird sie der Konföderation erst ausliefern,wenn sie ihren Anteil ausgehandelt hat, und dazu hat sie bestimmt noch keine Zeit gehabt. Du solltest also nur den üblichen Obulus bezahlen, die Nase in die Luft stecken und durch die Kontrolle marschieren.“

Ich begriff, was er meinte. Die Vorstellung, Steuern zahlen zu müssen, hatte mich dermaßen empört, daß ich eine Zeitlang nicht wie ein Kurier gedacht hatte.

Wir reisten über Dry Lake in den Freistaat Las Vegas ein; die Kapsel hielt eben lange genug, daß die Ausreisestempel der Konföderation angebracht werden konnten. Jeder von uns verwendete einen Ersatzpaß mit dem üblichen Bestechungssümmchen zwischen den Seiten — es gab keinen Ärger. Und keinen Einreisevermerk, da der Freistaat sich mit Einreisekontrollen nicht abgibt; hier ist jeder Reisende willkommen, solange er solvent ist.

Zehn Minuten später schrieben wir uns im DunesHotel ein, wobei wir ähnliche Zimmer erhielten, wie wir sie in San José gehabt hatten, außer daß es sich hier um die „Orgien-Suite“ handelte. Den Grund dafür vermochte ich nicht zu erkennen. Ein Spiegel an der Decke und Aspirin und Alka Seltzer im Bad rechtfertigen diese Bezeichnung nicht; meine Lehrerin in horizontalen Dingen hätte sich ausgeschüttet vor Lachen. Vermutlich verfügten die meisten Gäste, die hier ausgenommen wurden, über keine solche lehrreiche Vorbildung — man hat mir sogar einreden wollen, daß die meisten Leute überhaupt keine formelle Ausbildung durchmachen. Ich habe mich immer wieder gefragt, wer den Leuten das beibringt.

Die Eltern? Ist das strenge Inzest-Tabu nur ein Tabu gegen das Darüber-Sprechen, nicht aber gegen das aktive Handeln? Eines Tages komme ich hoffentlich mal dahinter bisher ist mir aber noch niemand über den Weg gelaufen, den ich danach hätte fragen können. Vielleicht kann Janet mir Aufschluß geben. Eines Tages …

Wir verabredeten uns zum Abendessen, dann suchten Burt und Anna das Foyer und/oder das Kasino auf, während Goldie und ich zum Industrie-Park fuhren. Burt wollte sich Arbeit suchen, hatte aber die Absicht, vorher noch einen draufzumachen. Anna sagte nichts dazu, aber ich nehme an, auch sie wollte von den Fleischtöpfen kosten, ehe sie ihr Leben als diensthabende Großmutter aufnahm. Ich suchte ebenfalls Arbeit, das stimmt — aber vorher mußte ich mir einiges durch den Kopf gehen lassen.

Mit ziemlicher Sicherheit würde ich auswandern.

Der Chef hatte mir das empfohlen, und das genügte mir als Grund. Daneben hatte mich aber die Studie über die Zerfallserscheinungen in den menschlichen Kulturen, die ich für ihn hatte anstellen müssen, auf Dinge aufmerksam werden lassen, die mir schon lange bekannt waren, die ich aber nie analysiert hatte.

Gegenüber den Kulturen, in denen ich gelebt oder die ich durchreist hatte, war ich nie kritisch aufgetreten — Sie müssen sich dazu klarmachen, daß eine Künstliche Person ohnehin stets eine Fremde bleibt, wo immer sie auch ist, wie lange sie auch an einem Ort bleibt. Kein Land konnte jemals ganz das meine sein warum sollte ich mir also den Kopf darüber zerbrechen?

Aber als ich die Frage untersuchte, ging mir auf daß unser alter Planet in schlimmer Verfassung war.

Neuseeland ist ein hübsches Fleckchen Erde, ebenso Britisch-Kanada, aber auch in diesen beiden Ländernzeigten sich ziemlich deutliche Verfallserscheinungen. Doch waren diese beiden noch die besten von allen.