Mr. Sikmaa verzichtete auf die scharfen Töne, die Fawcett und Mosby angeschlagen hatten. Als er sich zu dem Schluß durchgerungen hatte, daß ich der richtige Kurier war, schickte er Mosby nach Hause und kümmerte sich dermaßen großzügig um mich daß ich keinen Grund mehr hatte, meine Forderungen zu erhöhen. Fünfundzwanzig Prozent Taschengeld? Nicht genug, erhöhen wir auf fünfzig Prozent!
Hier ist die Anweisung; nehmen Sie sie — in Gold und in Goldzertifikaten auf Luna City — und wenn Sie mehr brauchen, sagen Sie dem Zahlmeister Bescheid und quittieren Sie dafür, eine Ziehung auf mich.Nein, wir legen unsere Vereinbarung nicht schriftlich fest; um einen solchen Auftrag handelt es sich nicht.
Sagen Sie mir nur, was Sie wollen; Sie sollen es bekommen. Und hier ist ein kleines Buch. Darin steht wer Sie sind, wo Sie zur Schule gegangen sind, und so weiter. In den nächsten drei Tagen haben Sie genug Zeit, sich das alles einzuprägen, und sollten Sie vergessen, das Büchlein zu verbrennen, keine Sorge; die Papierfibern sind imprägniert, und innerhalb von drei Tagen findet die Selbstvernichtung statt — seien Sie also nicht überrascht, wenn die Seiten am vierten Tag gelb und brüchig geworden sind.
Mr. Sikmaa hatte an alles gedacht. Ehe wir Beverly Hills verließen, mußte eine Photographin kommen; sie nahm mich aus mehreren Blickwinkeln auf, lächelnd, mit hohen Absätzen, mit flachen Schuhen barfüßig. Als mein Gepäck in der Forward eintraf paßte jedes Stück vorzüglich, Design und Farben waren auf mich abgestimmt, und in den Sachen standen die Namen aller möglichen berühmten Modehäuser von Paris, Rom, Florenz, Mailand, Bei-Jing und so weiter.
Ich war es nicht gewöhnt, „Haute Couture“ zu tragen und weiß mich nicht so recht darauf einzustellen.
Aber auch dafür hatte Mr. Sikmaa gesorgt. An der Luftschleuse trat mir ein hübsches kleines Orientalenmädchen namens Shizuko entgegen und offenbarte mir, daß sie meine Kammerzofe sei. Da ich mich seit dem fünften Lebensjahr selbst gewaschen und angezogen hatte, sah ich nicht recht ein, wozu eine Zofe nützlich sein sollte, doch dies war eindeutig ein Auftrag, von dem ich mich mitreißen lassen mußte.
Shizuko führte mich zur Kabine BB (die nicht ganzso groß war wie ein Volleyballfeld). Kaum war die Tür hinter uns geschlossen, schien Shizuko der Ansicht zu sein, daß wir kaum noch genug Zeit hatten mich zum Abendessen vorzubereiten.
Da es noch drei Stunden hin waren, kam mir das übertrieben vor. Aber sie gab nicht nach, und ich ließ sie gewähren — ich brauchte keine Zeichnung, um zu erkennen, daß Mr. Sikmaa sie mir als Aufpasserin beigegeben hatte.
Sie badete mich. Während dies im Gange war, gab es ein plötzliches Schwanken in der Grav-Kontrolle — das Schiff warpte in den Hyperraum. Shizuko hielt mich fest und verhinderte eine katastrophale Überschwemmung so geschickt, daß ich gleich wußte, daß sie sich in Warp-Schiffen auskannte. Allerdings schien sie dafür im Grunde noch nicht alt genug zu sein.
Eine volle Stunde lang konzentrierte sie sich auf mein Haar und mein Gesicht. Bisher habe ich mir das Gesicht gewaschen, wenn ich das Bedürfnis dazu verspürte, und mir das Haar gerichtet, indem ich es mehr oder weniger energisch aus dem Weg kämmte.
Nun wurde mir klargemacht, was für eine graue Maus ich gewesen war. Während Shizuko mich zur Göttin von Liebe und Schönheit umgestaltete, klingelte das winzige Terminal der Kabine. Auf dem Schirm erschienen Buchstaben, während sich dieselbe Nachricht wie eine frech herausgestreckte Zunge aus dem Printout schob.
Der Kapitän des HyperSpace-Schiffs FORWARD würde es als Ehre empfinden Miß Marjorie Freitagauf Sherry und gute Laune um neunzehnhundert Uhr im Salon des Kapitäns begrüßen zu können Bitte nur bei Absage Nachricht geben Ich war überrascht. Shizuko dagegen nicht. Sie hatte bereits ein „Cocktail“-Kleid herausgehängt und durchgesehen. Es bedeckte mich von Kopf bis Fuß, trotzdem bin ich nie zuvor so unanständig bekleidet gewesen.
Shizuko ließ es nicht zu, daß ich pünktlich kam. Sie führte mich genau um neunzehn-null-sieben zum Salon des Kapitäns, wo ich mich dem Herrn unseres Schiffes präsentierte. Die Ober-Stewardeß kannte natürlich meinen (derzeitigen) Namen, und der Kapitän beugte sich über meine Hand. Kein Zweifel — in einem Raumschiff als VIP zu reisen, ist entschieden besser als den Schiffspolizisten zu spielen.
„Sherry“ — dazu gehörten Highballs, Cocktails, der Schwarze Tod von Island, Frühlingsregen aus dem Sternenreich (ein gefährliches Getränk — lassen Sie die Finger davon!), dänisches Bier, irgendein rosa Zeug von Fiddler’s Green und sicher auch Pantherschweiß wenn man danach fragen würde. Ferner zählte ich einunddreißig verschiedene Sorten leckerer Happen die man mit den Fingern zum Mund führen mußte.
Ich machte Mr. Sikmaa keine Schande; ich beschränkte mich auf ein kleines Glas Sherry und lehnte auch immer wieder standhaft ab, wenn mir die einunddreißig Versuchungen angeboten wurden.
Und nur gut so. In diesem Schiff werden die Haferbeutel achtmal am Tag umgehängt (wieder zählteich genau nach): Kaffee am frühen Morgen (Café
Complet, mit Backwaren), Frühstück, eine Vormittagserfrischung, Lunch, Nachmittagstee mit belegten Broten und frischen Backleckereien, dann die Hors D’Œuvres zur Cocktailstunde (eben jene einunddreißig leckeren Fallstricke), schließlich das Abendessen (sieben Gänge, wenn man es bis zum Schluß durchhält) und ein Mitternachtsbuffet. Aber sollte man sich auch zwischen diesen Ereignissen irgendwie hungrig fühlen, kann man stets belegte Brote oder andere Appetithappen kommen lassen.
Das Schiff verfügt über zwei Schwimmbecken, einen Turnsaal, ein Türkisches Bad, eine schwedische Sauna und eine Klinik für „Taillenumfang“. Zweieindrittel mal um die Hauptpromenade entsprechen einem Kilometer. Ich glaube nicht, daß das genügt; einige unserer Reisegefährten fressen sich förmlich durch die Galaxis. Auch ich werde darauf achten müssen, daß ich bei der Ankunft in der Reichshauptstadt noch meinen Bauchnabel finde.
Dr. Jerry Madsen, Sanitätsoffizier im Juniorrang belegte mich unter den Gästen des Kapitäns mit Beschlag und wartete auch nach dem Dinner auf mich.
(Er ißt nicht am Tisch des Kapitäns und nicht einmal im Speisesaal; er muß zu den anderen jungen Offizieren in die Messe.) Er begleitete mich in den Galaktischen Salon, wo wir tanzten, ehe es eine KabarettVorstellung gab — Gesang, Tanznummern und ein Jongleur, der auch einige Zaubertricks vorführte (und die ließen mich an Tauben denken und an Goldie und ich kam mir plötzlich schrecklich einsam vor, ein Gefühl, das ich aber schnell wieder unterdrückte.)
Anschließend tanzten wir wieder, wobei sich zweiweitere junge Offiziere, Tom Udell und Jaime Lopez mit Jerry abwechselten, und schließlich machte der Salon zu, und die drei führten mich in ein kleines Kabarett mit dem Namen ›Das Schwarze Loch‹, und ich weigerte mich entschieden, zuviel zu trinken. Dafür tanzte ich aber, sooft ich aufgefordert wurde. Dr. Jerry bewies schließlich die größte Geduld und begleitete mich nach Kabine BB zu einer Zeit, die nach der Schiffsuhr schon ziemlich spät war, nicht aber nach der Florida-Zeit, die am Morgen dieses Tages über mein Aufstehen bestimmt hatte.
Shizuko wartete bereits; sie trug einen wunderschönen formellen Kimono, Seidenpantoffeln und ein starkes Make up. Sie verbeugte sich vor uns, gab uns zu verstehen, daß wir auf der Wohnseite der Kabine Platz nehmen sollten (die Schlafecke war durch eine Spanische Wand abgeteilt) und servierte uns Tee und Appetithappen.
Nach kurzer Zeit stand Jerry auf, wünschte mir eine gute Nacht und ging. Dann entkleidete mich Shizuko und steckte mich ins Bett.
Ich hatte keine konkreten Pläne mit Jerry; allerdings war mir klar, daß er mich bestimmt herumgekriegt hätte, wäre er am Ball geblieben. Aber wir beide kamen nicht über den Umstand hinweg daß Shizuko ganz in unserer Nähe saß, die Hände gefaltet abwartend, zuschauend. Jerry gab mir nicht einmal einen Gutenachtkuß.