Dieses Schiff, das wir erobert haben, war ein Späher auf der Suche nach einem neuen Ort zur Eroberung. Nachdem sie unsere Erde von oben beobachtet hatten, beschlossen sie, daß sie für ihre Zwecke geeignet sei, und stiegen herab. Ihr Plan war der übliche, ein Plan, der sie bisher noch nie im Stich gelassen hatte. Sie wollten uns terrorisieren, unser Dorf als Stützpunkt benutzen, herumziehen und Musterexemplare von Pflanzen, Tieren und Mineralien sammeln. Dies ist der Grund, weshalb ihr Schiff so groß ist und soviel Platz hat. Nach ihrer Rückkehr nach Hause und einem Bericht über ihre Entdeckungen sollte eine Flotte ausgeschickt werden und die ganze Menschheit angreifen.«
»Mhm«, sagte Sir Owain. »Das haben wir zumindest verhindert.«
Vor der schrecklichen Vision, wie unser Volk von Unmenschen gepeinigt, vernichtet oder versklavt wurde, waren wir geschützt, weil keiner von uns das wirklich glaubte. Ich hatte für mich entschieden, daß Branithar aus einem fernen Teil der Welt kam, vielleicht noch femer als Cathay, und uns diese Lügen nur auftischte in der Hoffnung, uns so einzuschüchtern, daß wir ihn ziehen ließen. Sir Owain stimmte meiner Theorie zu.
»Nichtsdestoweniger«, fügte der Ritter hinzu, »müssen wir ganz sicher lernen, mit diesem Schiff umzugehen, auf das nicht mehr von ihnen eintreffen. Und wie könnten wir es besser lernen, als indem wir es nach Frankreich und Jerusalem führten? Wie mein Herr es gesagt hat — in jenem Fall wäre es ebenso klug wie bequem, Frauen, Kinder, Bauern und Städter mitzunehmen. Hast du das Tier gefragt, welche Zaubersprüche man sprechen muß, um das Schiff zu bewegen?«
»Ja«, antwortete ich. »Das Ruder sei sehr einfach.«
»Und hast du ihm gesagt, was geschehen wird, wenn er uns nicht getreulich lenkt?«
»Ich habe es angedeutet. Er sagt, er würde gehorchen.«
»Gut! Dann können wir in ein oder zwei Tagen aufbrechen!« Sir Owain lehnte sich zurück, die Augen verträumt halb geschlossen. »Am Ende müssen wir uns überlegen, wie wir Verbindung mit seinem Volk aufnehmen. Man könnte mit seinem Lösegeld viel Wein kaufen und viele schöne Frauen erfreuen.«
KAPITEL 3
Und so brachen wir auf.
Noch fremdartiger als selbst das Schiff und seine Ankunft war, wie wir uns einschifften. Dort ragte das Ding auf wie eine stählerne Klippe, von einem Zauberer zu einem scheußlichen Zweck geschmiedet. Auf der anderen Seite der Dorfwiese lag Ansby, schindelgedeckte Hütten und ausgefahrene Straßen, grüne Felder unter dem fahlen englischen Himmel. Das Schloß selbst, einst die ganze Szene beherrschend, wirkte eingeschrumpft und grau.
Und über die Rampen, die wir von weit oben heruntergelassen hatten, hinein in die schimmernde Säule, drängte sich unser rotgesichtiges. schwitzendes Volk.
Hier grölte John Hameward, den Bogen über der einen Schulter und eine Kneipendirne kichernd an der anderen. Dort schritt ein Freibauer, bewaffnet mit einer rostigen Axt, die vielleicht schon bei Hastings geschwungen worden war, in geflicktes Baumwolltuch gekleidet, vor einer keifenden Frau her, die ihr Bettzeug und den Kochtopf trug und an deren Röcken sich ein halbes Dutzend Kinder festklammerten. Hier versuchte ein Armbrustschütze ein starrsinniges Maultier dazu zu bringen, die Gangway hinaufzuklettern, und die Flüche, die er ausstieß, trugen seinem Konto so manches Jahr im Fegefeuer ein. Dort trieb ein junger Bursche ein Schwein, das sich irgendwie befreit hatte. Hier scherzte ein prunkvoll gekleideter Ritter mit einer schönen Lady. die einen Falken mit Kappe auf dem Handgelenk trug. Dort zählte ein Priester die Perlen an seinem Rosenkranz, während er zweifelnd in den eisernen Schlund trat. Hier muhte eine Kuh, dort blökte ein Schaf, hier schüttelte eine Ziege die Hörner, und dort gackerte eine Henne. Alles zusammengezählt gingen etwa zweitausend Seelen an Bord.
Das Schiff nahm alle spielend auf. Jeder wichtige Mann konnte eine Kabine für sich und seine Lady bekommen — denn einige hatten Frauen oder Buhlerinnen nach Ansby Castle mitgebracht, um aus ihrer Abreise nach Frankreich einen eher gesellschaftlichen Anlaß zu machen. Das gemeine Volk breitete sich in den leeren Laderäumen Strohsäcke aus. Das arme Ansby blieb fast völlig verlassen zurück, und ich frage mich oft, ob es noch existiert.
Sir Roger hatte Branithar das Schiff bei einigen Probeflügen bedienen lassen. Es hatte sich glatt und lautlos in den Himmel erhoben, als er an den Rädern, Hebeln und Knöpfen im Kontrollturm hantierte. Die Steuerung war kindisch einfach, obwohl wir gewissen Scheiben mit heidnischen Inschriften, über die Nadeln zuckten, keinen Sinn entnehmen konnten. Durch mich erklärte Branithar Sir Roger, daß das Schiff seine Antriebskraft von der Zerstörung von Materie bezog, eine wahrhaft abscheuliche Vorstellung, und daß seine Motoren es hoben und antrieben, indem sie die Anziehung der Erde in ausgewählten Richtungen auflösten. Das war sinnlos — Aristoteles hat sehr klar dargelegt, wie die Dinge zu Boden fallen, weil es ihre Natur ist zu fa llen, und ich halte nichts von unlogischen Ideen, denen sich Wirrköpfe so leicht hingeben.
Trotz seiner Vorbehalte schloß sich der Abt, Pater Simon, an und segnete das Schiff. Wir nannten es Kreuzfahrer. Obwohl wir nur zwei Kaplane mitnahmen, hatten wir uns auch eine Locke vom Haar des heiligen Benedikt ausgeborgt, und alle, die wir uns einschifften, hatten die Beichte abgelegt und Absolution erhalten. So nahm man allgemein an, daß wir vor geistlicher Gefahr sicher waren, wenn ich auch daran meine Zweifel hatte.
Man wies mir eine kleine Kabine neben der Flucht zu, in der Sir Roger mit seiner Lady und ihren Kindern wohnte. Branithar wurde in einem nahe liegenden Raum bewacht. Meine Pflicht bestand darin, zu übersetzen und die Unterweisung des Gefangenen im Lateinischen ebenso wie die Erziehung des jungen Robert fortzuführen und daneben als Amanuensis meines Herrn tätig zu sein.
Doch bei der Abreise befanden sich Sir Roger, Sir Owain, Branithar und ich im Kontrollturm. Er war fensterlos wie das ganze Schiff, aber er enthielt Glasscheiben, auf denen Bilder der Erde unter uns und des Himmels, der uns umgab, erschienen. Ich schauderte und betete meinen Rosenkranz, denn Christenmenschen ist es verboten, in die Kristallkugeln indischer Zauberer zu sehen.
»Nun denn«, sagte Sir Roger, und sein hakennasiges Gesicht lachte mich an, »hinweg denn! Wir werden binnen einer Stunde in Frankreich sein!«
Er setzte sich vor das Brett mit den Hebel und Rädern. Branithar sagte schnell zu mir: »Die Probeflüge reichten nur für ein paar Meilen weit. Sag deinem Meister, daß für eine Reise dieser Länge gewisse Sondervorbereitungen getroffen werden müssen.«
Sir Roger nickte, als ich das weitergab. »Wohlan denn, dann soll er sie treffen.« Sein Schwert glitt aus der Scheide. »Aber ich werde unseren Kurs auf den Scheiben beobachten. Beim ersten Anzeichen von Verrat.«
Sir Owain runzelte die Stirn. »Ist das weise, Mylord?« fragte er. »Das Tier…«
»...Ist unser Gefangener. Ihr seid zu voll mit keltischem Aberglauben, Owain. Laßt ihn beginnen.«
Branithar setzte sich. Das Mobiliar des Schiffs, Stühle und Tische, Betten und Schränke waren für uns Menschen etwas klein — und schlecht entworfen, ohne auch nur einen einzigen geschnitzten Drachen als Ornament. Aber wir kamen mit ihnen zurecht. Ich beobachtete den Gefangenen aufmerksam, als seine blauen Hände über das Brett huschten.
Ein tiefes Brummen durchlief das Schiff. Ich spürte nichts, aber der Boden auf den unteren Scheiben schrumpfte plötzlich zusammen. Das war Hexerei; viel lieber wäre mir der übliche Stoß nach hinten gewesen, wie man ihn in Fahrzeugen spürt, wenn sie sich in Bewegung setzen. Ich kämpfte gegen meinen Magen an und starrte in das Abbild des Himmels, das sich in den Scheiben widerspiegelte. Es dauerte nicht lange, und wir flogen zwischen den Wolken, die sich als hochfliegender Nebel erwiesen. Dies zeigt ganz klar die wundersame Kraft Gottes, denn es ist bekannt, daß die Engel häufig auf den Wolken sitzen und dabei nicht naß werden.