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»Schon gut«, sagte er beruhigend. »Am besten versuchst du gar nicht zu sprechen. Du bist ganz offensichtlich das Opfer eines Gaga-Zaubers geworden. Ich erkenne die Symptome. Äußerst frustrierend, ich weiß. Ist mir auch schon mal passiert.«

Er richtete sich auf und überlegte.

»Warte mal. Ich kann mir nur einen Grund denken, weshalb du zu mir gekommen und mit einem Gaga-Zauber verhext worden bist, der alles, was du sagen willst, in Kauderwelsch verwandelt. Und der ist, dass du etwas über den Prinzen weißt. Richtig?«

Olivia versuchte mit aller Macht zu nicken, aber der Zauber ließ sie den Kopf schütteln. Am Ende verdrehte sie den Hals wie einen Korkenzieher, sodass ihr schwindlig wurde und sie beinahe hingefallen wäre.

»Ich werte das mal als Ja«, sagte Merlin grimmig. »Also, was sollen wir machen? Ich könnte den Zauber austreiben, aber das ist kompliziert und könnte Stunden dauern … Hm. Wenn sie dich nicht total gaga gemacht haben – vielleicht kannst du schreiben?«

Olivia nickte. Genial! Warum war sie nicht von selbst darauf gekommen? Voller Eifer griff sie nach dem Stück Pergament, das Merlin ihr hinhielt, und fing gleich an zu kritzeln.

Nach ein paar Sätzen, warf sie einen Blick auf das, was sie geschrieben hatte, und brach beinahe in Tränen aus: Der Koch muss den Eintopf nachsalzen, denn die Pastinaken schmecken sonst wie alte Stiefel und die Möhren sind so voller Erde wie ein altes Paar …

»Oh!!«, rief Olivia und warf die Feder, die sie in der Hand gehalten hatte, an die Wand. Gerade, als die Tinte auf den Boden tropfte, ertönte ein gewaltiges Krachen.

Ein kleiner Drache brauste durch die Tür, knallte gegen die Wand und fiel taumelnd direkt vor ihren Füßen zu Boden. Sofort rappelte er sich auf und schlug wild mit den Flügeln.

»Sir! Sir!«, keuchte Adolphus und streckte seine Klaue aus, an die ein zusammengeknülltes Stück Pergament geknotet war. »Schnell! Ihr müsst Olivia retten! Und Max! Und den Prinzen! Schnell!«

»Adolphus!«, kreischte Olivia und schlang ihre Arme um seinen Hals. Dabei schubste sie eine große schwarze Ratte von seinem Rücken.

»Oh, schon in Ordnung«, sagte Grimm ruppig und kämpfte sich zurück auf die Füße. »Macht euch um mich keine Sorgen. Ich komme klar. Hat zwar nicht viel gefehlt, und der Flugwind hätte mir jedes Barthaar einzeln ausgerissen, und ja, mein Fell zeigt jetzt in die falsche Richtung, aber was soll’s? Hau mich ruhig um, egal, das passt prima zu unserer ganzen Reise.«

»Grimm, sei nicht so ein Stinkstiefel«, sagte Olivia liebevoll und strich ihm das Fell zurück in Form. Dann wandte sie sich an Merlin, der das Stück Pergament schon in der Hand hielt und las.

»Das hier ist Adolphus, mein Drache«, erklärte sie und war froh, dass der Gaga-Zauber nur das durcheinanderbrachte, was sie über den Prinzen sagen wollte. »Und das ist Grimm, Max’ Ratte. Die beiden haben zusammen mit Max …« Sie verstummte. »Ach, das ergibt ja überhaupt keinen Sinn. Am Ende erzähle ich Euch doch bloß, dass sie zum Misthaufen geflogen sind, um Glockenblumen zu pflücken!«

»Hier steht, dass du aus ›Hogsbottoms Zimmer‹ gerettet werden musst. Bist du da gewesen?«

Olivia nickte.

Merlin dachte nach. »Und der Drache kommt von Max und dem Prinzen?«

»Ja«, sagte sie.

»Dann sollten wir so schnell wie möglich dorthin aufbrechen, denke ich. Genaueres kann mir Grimm auf dem Weg berichten.«

»Ihr könnt ihn verstehen?«, fragte Olivia verdattert.

Merlin lächelte. »Wer einmal ein Tier gewesen ist, kann das, wie du selbst erfahren hast. Und Max ist nicht der einzige junge Zauberer, der herausgefunden hat, wie das geht. Aber die Zeit drängt. Wie es aussieht, werden wir gebraucht. Und am besten gehen wir alle zusammen. Im Moment bist du bei mir besser aufgehoben als in der Burg.«

»Ja! Ja!« Adolphus flatterte schon durch den Raum. »Wir müssen los! Schnell! Oder sie sind schneller bei Max als wir. Schnell! Schnell! Schnell!«

Ein wahrer Ritter

Allmählich wurde es kalt in der Hütte im Wald. Die Abendsonne drang kaum noch durch das dichte Blätterdach. Das Feuer, das Adolphus entfacht hatte, wurde langsam kleiner. Es gab kein Holz mehr in der Hütte, und Max wollte den Prinzen nicht allein lassen, um welches zu holen. Er fröstelte.

»Was meinst du, wie lange sind sie jetzt weg?«, fragte er den Prinzen.

»Kommt mir wie Jahre vor«, sagte Carl, warf sich rücklings aufs Bett und versuchte, seine Beine zu bewegen. »Ich wünschte, ich könnte laufen! Dann könnten wir uns wenigstens irgendwo da draußen verstecken!«

»Ich weiß nicht, ob das so gut wäre«, sagte Max düster. »Lady Morgana ist eine Hexe. Sie würde uns im Handumdrehen finden.«

»Aber du bist doch ein Zauberer, oder etwa nicht? Kannst du uns nicht unsichtbar machen? Oder uns in Drachen verwandeln? Das wäre noch besser!«

»Ich bin kein richtiger Zauberer«, sagte Max und seufzte. »Ich lerne noch.«

Aus der Ecke drang ein erstickter Laut. Adrian wand sich auf dem Fußboden und versuchte, etwas zu sagen. Er war erst ein paar Minuten zuvor wieder zu sich gekommen und bisher hatte Max bloß seine Fesseln überprüft und ihn sonst ignoriert. Jetzt schielte er zu Adrian hinüber und erwog, ihm einen Sack über den Kopf zu stülpen. Was Adrian sagen wollte, klang nämlich verdächtig nach: »Mach mich los, du schwachköpfiger Haufen Drachenmist.«

Max sah ihn an und zog eine Augenbraue hoch.

»Nur die Ruhe!«, sagte er, während Adrian sich auf dem Boden wälzte und wütend gegen die Hüttenwand trat. »Sei ruhig oder ich verwandele dich in einen Frosch.«

Adrian guckte misstrauisch.

»Ich kann das«, sagte Max. »Warte nur den Wettbewerb ab, dann siehst du’s!«

Außer, dass es morgen vermutlich gar keinen Wettbewerb gäbe, dachte Max düster. Und falls doch, dann ohne ihn, weil Lady Morgana ihn bis dahin in kleine Portionen gehackt und den Wölfen zum Fraß vorgeworfen hätte … Wie schade um den Froschzauber! Was für eine Verschwendung!

Moment! Der Froschzauber! Das Fläschchen steckte in seinem Gürtel! Die ganze Zeit hatte es da gesteckt – seit sie in Merlins Zimmer gewesen waren und er Olivia einen Tropfen auf die Hand geträufelt und dann die Flasche zurück in den Gürtel gesteckt hatte. Was für ein Dummkopf er doch war, dass er nicht vorher daran gedacht hatte! Schnell griff er in die Tasche und zog die kleine blaue Flasche hervor. Er lächelte ein Siegerlächeln. Die Flasche war heil – und noch drei Viertel voll!

»Ha! Pech, Adrian! Die nächste Gemeinheit brauchst du nur zu denken, und das hier verwandelt dich schneller in einen Frosch, als du ›Max ist ein Genie‹ sagen kannst!«

Adrian zog eine Grimasse, hörte aber zu zappeln auf und hielt den Mund. Max grinste. Adrian hatte er schon mal zum Schweigen gebracht.

Aber es war noch viel besser. Er hatte jetzt etwas in der Hand, wenn Sir Richard und Lady Morgana auftauchten. Die Frage war: Sollte er den Zauber einsetzen, um sich selbst und den Prinzen in Frösche zu verwandeln? Oder sollte er ihn gegen die anderen richten?

Max hockte sich vor das fast heruntergebrannte Feuer. Er wog die kleine blaue Flasche mit dem Froschzauber in der Hand und dachte angestrengt nach. Wenn er sich und Carl in Frösche verwandelte, standen ihre Chancen zu entkommen nicht schlecht. Und sobald Merlin hier wäre, konnte der sie sofort zurückverwandeln. Falls Merlin käme. Aber es bestand auch die Möglichkeit, dass Lady Morgana sie erwischen würde. In diesem Fall wollte Max lieber kein Frosch sein.