Выбрать главу

Kaum waren seine Hinterbeine im Spalt verschwunden, krachte der Hecht mit dem Kopf gegen die Mauer. Knirschend kratzten seine Zähne über die Ziegel – der Hecht wollte den Spalt aufbrechen. Max schluckte und presste sich so tief in den Spalt, wie er konnte. Eine Zeit lang schwamm der Hecht vor der Mauer auf und ab, witterte und wunderte sich, wohin dieses lästige kleine Wesen verschwunden war. Doch schließlich wurde ihm langweilig und er glitt auf der Suche nach leichterer Beute davon.

Puh!

Max sah sich um. Dieser Spalt war wirklich sehr tief. Er schien sich in der Mauer fortzusetzen. Max schwamm tiefer hinein, bis ihm ein großer eckiger Stein den Weg versperrte. Über den würde er klettern müssen. An einer Kante zog Max sich hoch und sah eine Lücke, die noch tiefer in die dicke Mauer hineinführte. Wie es aussah, würde er von hier bis in die Burg kriechen können.

Langsam und vorsichtig arbeitete Max sich durch die Mauerspalten. Mancherorts waren die Ziegel so eng gesetzt, dass ihm beinahe die Augen aus dem Schädel sprangen, wenn er sich hindurchquetschte. Dann wieder schienen die dunklen Spalten sagenhaft tief zu sein und rochen, als würde etwas Grauenhaftes in ihnen leben. In diesem Fall hüpfte Max, so schnell er konnte, weiter.

Nach und nach gewann er an Höhe. Bald war er deutlich über dem Burggraben und hatte das Gefühl, schon seit einer Ewigkeit zu klettern. Er hatte mal jemanden sagen hören, die Burgmauern seien dick genug, um ganze Räume in ihnen zu verstecken. Jetzt wollte er das glauben.

Es war heiß zwischen den Steinen und das Atmen fiel ihm schwer. Max spürte das Gewicht Hunderter Ziegel über sich. Unwillkürlich stellte er sich vor, was für ein platter Frosch er wohl wäre, sollte einer dieser Ziegel ins Rutschen geraten.

Schließlich war die Dunkelheit, die ihn umgab, nicht mehr ganz so undurchdringlich. Dann färbte sich die Umgebung grau, und bald darauf entdeckte Max helle Flecken zwischen den Ritzen. Max zwängte sich durch einen besonders engen Spalt, und ihm wurde klar, dass er sich jetzt hinter der letzten Ziegelreihe befand. Die Mauersteine waren hier eckiger als die übrigen. Bestürzt erkannte Max, dass sie auch viel sorgfältiger gemauert waren – es würde schwer werden, in den Raum dahinter zu gelangen.

Max suchte die Wand nach einem breiteren Spalt ab, oben, unten, links und rechts. Zu seiner großen Erleichterung entdeckte er einen Streifen Licht. Die Ecke eines Ziegels war abgebrochen! Max kletterte hindurch und schielte vorsichtig in das dahinterliegende Zimmer.

Es war ein mittelgroßer Raum, quadratisch und recht großzügig möbliert – das Quartier eines Ritters vermutlich. An den Wänden hingen Gobelins und auf dem Fußboden lag ein reich verzierter, kostbarer Teppich. Durch zwei große Fenster fiel Licht. Es schien niemand da zu sein. Ein paar Minuten lang wartete Max auf Geräusche, dann zwängte er sich vorsichtig aus der Mauer und fiel – plumps – auf den Teppich. Er seufzte erleichtert. Er hatte es geschafft! Er war dem Burggraben und dem Hecht entkommen. Er war wieder in der Burg – jetzt musste er bloß noch Olivia finden und sich in einen Jungen zurückverwandeln.

Schnell sah sich Max nach einem Ausgang um. In der einen Zimmerecke entdeckte er eine kleine überwölbte Nische, hinter der sich vermutlich die Toilette befand. Die würde ihn nirgendwohin führen, außer ein stinkendes Rohr hinab und zurück in den Burggraben …

Der Torbogen auf der anderen Seite sah vielversprechender aus. Doch als Max darauf zuhüpfte, hörte er Stimmen draußen auf dem Gang, und auf einmal öffnete sich eine Tür. Mit einem Satz war Max zurück an der Wand und verbarg sich im Schatten eines Wandteppichs.

Sir Richard Hogsbottom versuchte sich beliebt zu machen, so gut er konnte. Und das konnte er wirklich gut, galt er in Camelot doch als der übelste Speichellecker aller Zeiten. Sein pausbäckiges rotes Gesicht glänzte regelrecht vor Anstrengung, so sehr war er bemüht, der Lady an seiner Seite zu schmeicheln. Sogar seine Kleider hingen kriecherisch von seinem massigen Körper.

»Mylady!«, sagte er, während er die Dame mit einem, wie er hoffte, gewinnenden und Vertrauen erweckenden Lächeln in den Raum schob (wobei er in Wirklichkeit aussah, als hätte er gerade einen Stiefel verschluckt). »Gestattet mir, Euch in meinem nichtswürdigen Kämmerlein willkommen zu heißen. Vergebt mir, dass ich es nicht vermag, Euch Speis und Trank anzubieten, die Eurer würdig wären, aber vielleicht wäre ein wenig –«

Seine Begleiterin gebot ihm mit einer knappen Geste zu schweigen. Sie war eine große, schlanke Frau mit langem schwarzem Haar und blasser Haut. Sie war schön, doch sah sie wie eine Marmorstatue aus, ohne echtes Leben oder Wärme in ihrem Ausdruck. Ihre Augen waren so blassblau, dass sie beinahe farblos wirkten. Reglos verharrte sie in der Mitte des Raums und wandte den Kopf hin und her. Die Stirn in konzentrierte Falten gelegt, schien sie die Luft im Raum beinahe zu schmecken.

»Magie«, sagte sie, während ihre blassblauen Blicke über die kostbaren Gobelins und den reich verzierten Teppich zu ihren Füßen schweiften. »Es ist etwas Magisches in diesem Zimmer.« Ihre Stimme war so weich wie Honig, tief und seidig, und doch ließ sie Max erschaudern. Er presste sich enger an die Wand, als ihr Blick über sein Versteck streifte. »Irgendetwas … War die Tür verschlossen, während Ihr weg wart, Sir Richard?«

»Wieso, ja, natürlich, Mylady, völlig verschlossen«, protestierte Sir Richard mit ängstlichem Blick. »Aber vielleicht … Ihr wisst, Merlin arbeitet Tag und Nacht, damit dem Prinzen nichts zustößt … Womöglich hat sich ein kleiner Prüfzauber durch den Türspalt geschlichen?«

»Hmmh …«, machte die Lady nachdenklich. Dann lachte sie, und ihr Lachen klang wie das Klirren von Eiszapfen, die auf hart gefrorenem Boden zerbrechen. »Natürlich – Merlin schnüffelt in der Burg herum, um herauszufinden, was vor sich geht. Er wird einen Schock kriegen, wenn er erfährt, dass der Schutzbann durchbrochen und der Prinz verschwunden ist! Ha! Er wird im Staube vor mir kriechen müssen und um Hilfe betteln und dann …« Sie dämpfte ihre Stimme, doch Max, der gleich neben ihr unter dem Wandteppich kauerte, konnte hören, was sie mit einem kalten, grausamen Flüstern nur noch zu sich selbst sagte: »Dann werden wir erleben, wie König Artus am Boden liegt!«

Adolphus segelte durch den dunklen Gang. An dessen Ende landete er so geräuschlos wie möglich auf einem Dachbalken. Unter ihm zankten sich zwei Jungen.

»Ich mach das nicht, Adrian. Auf gar keinen Fall, es ist zu gefährlich! Merlin ist jetzt auf der Hut und er kommt uns ganz bestimmt auf die Schliche. Ganz bestimmt!«

»Sei nicht so ein Feigling, Jakob!«, zischte der andere Junge. »Es hat keinen Alarm gegeben, die Wachen wissen von nichts. In der ganzen Aufregung um das Festival wird sich kein Mensch um zwei junge Knappen scheren, die ein bisschen ausreiten wollen.«

»Und was, wenn das Balg aufwacht und zu schreien anfängt?«

»Ich hab’s dir doch schon erklärt«, sagte Adrian genervt. »Ich habe ihn verzaubert. Er kann sich nicht mehr rühren, geschweige denn schreien. Komm schon, Jakob! Beim Zehennagel des Druiden! Wir wickeln ihn in ein Laken, binden ihn aufs Pferd und dann reiten wir aus der Burg. Wenn einer fragt, sagen wir einfach, dass wir Proviant in eines der Lager bringen. Los jetzt, mach schon!« Adrian wollte Jakob mit sich ziehen, aber dessen Pausbacken sahen immer noch ziemlich blass aus, und er weigerte sich, weiterzugehen.

»Und was ist mit dem Schutzbann?«, fragte er starrsinnig.

»Das habe ich dir auch schon erklärt!«, sagte Adrian verzweifelt. »Sie hat sich darum gekümmert. Das ist kein Problem.«

»Du meinst Lady –«

»Schhh! Denk nicht einmal daran, ihren Namen auszusprechen! Was sie mit Verrätern macht, willst du gar nicht wissen!«

Jakob sah aus, als wollte er protestieren, aber ein paar Augenblicke später zuckte er mit den Schultern. »Okay. Wenn du meinst. Aber ich habe gehört, dass Merlin Leute in Mistkäfer verwandeln kann, und ich habe keine Lust, für den Rest meines Lebens mit sechs Beinen in einem Haufen Pferdemist herumzukrabbeln.«