»Möglich«, gab Außenminister Hart zu. »Aber genau so wird es geschehen.«
»Fassen wir zusammen«, sagte David Coffey. »Die Sowjets werden demnächst unsere offizielle Position wissen wollen, aber ungeachtet dieser Position mobil machen.«
Admiral Carrell nickte zustimmend. »So ist es, Mr. President.«
»Was also sollen wir Ihrer Ansicht nach tun?« fragte Hap Aylesworth. »Wir dürfen keinesfalls die Hände in den Schoß legen, wenn der Rußki mobil macht. Das würde man uns im Lande übelnehmen.«
»Gewisse Senatoren sähen das bestimmt mit Entzücken«, sagte Coffey.
»Ja, und zwar Tauben wie Falken. Die einen würden sagen, daß es nie einen Grund zur Sorge gegeben hat und Sie zu Ihrer Gelassenheit beglückwünschen und die anderen lauthals ein Amtsenthebungsverfahren wegen Landesverrats gegen Sie verlangen«, bekräftigte Aylesworth.
»Admiral?« wandte sich David Coffey an Carrell. Auf dessen Meinung gab der Präsident viel. Sie kannten einander; seit vor mehr als einem Dutzend Jahren Vizeadmiral Carrell in das Büro eines frischgebackenen Kongreßabgeordneten gekommen war und diesem geduldig und mit schonungsloser Offenheit auseinandergesetzt hatte, wie die Marine auf einer Werft, die zufällig einer der Hauptarbeitgeber in Davids Wahlbezirk war, das Geld mit vollen Händen zum Fenster hinauswarf.
Inzwischen war Carrell nicht nur zum stellvertretenden Leiter der nationalen Sicherheitsbehörde, sondern auch zum Chef der CIA ernannt worden. Zwar hatte der Präsident erst kürzlich die Ernennung Dr. Arthur Harts zum Außenminister amtlich bekanntgegeben, aber seine Entscheidung, Thorwald Carrell zum nationalen Sicherheitsbeamten zu machen, schon vor seiner eigenen Amtseinführung getroffen. Die Ankündigung war dann am Tag nach der Ernennung Harts gekommen.
»Ich denke an eine TeilMobilmachung «, sagte Admiral Carrell. »Wir sollten den nationalen Notstand ausrufen.«
»Das ist doch Unsinn!« sagte die Handelsministerin Connie Fuller mit für eine so kleine Dame überraschend tiefer Stimme. »Wenn wir das tatsächlich für ein außerirdisches Raumschiff halten – und ich denke, uns bleibt nichts anderes übrig, wäre der Tag seiner Ankunft doch der bedeutendste in der Geschichte der Menschheit! Wir sitzen hier und reden über Krieg und Mobilmachung, jetzt, wo sich – wo sich alles ändern wird!«
»Darin gebe ich Ihnen recht«, sagte Arthur Hart. »Aber die Sowjets werden mit Sicherheit mobil machen…«
»Und wenn schon«, sagte Connie Fuller. Ihre braunen Augen blitzten. »Sollen sie doch, zum Kuckuck! Zumindest eine der großen Weltmächte wird sich benehmen, wie – wie es sich für verantwortungsbewußte und intelligente Menschen gehört! Wollen wir denn, daß diese Außerirdischen – Mr. President, denken Sie doch nur an die Macht, die diese Wesen haben müssen! Sie kommen von einem anderen Stern! Wir sollten sie willkommen heißen, statt ihnen feindlich entgegenzutreten.«
»Diese Ansicht vertritt auch Wes Dawson«, sagte Präsident Coffey. »Er schlägt vor, ihnen auf einer Erdumlaufbahn zu begegnen. Er meint, das könne sie ein wenig beeindrucken.«
»Glänzende Anregung«, bestätigte Außenminister Hart.
»Schaden könnte es nicht«, pflichtete ihm Ted Griffin bei.
»Nur haben wir keine Raumstation«, gab Admiral Carrell zu bedenken.
»Aber die Sowjets«, sagte Connie Fuller. »Wenn wir sie bitten…«
»Das war meine Absicht«, sagte David Coffey. »Jetzt aber müssen wir zu einem Ergebnis kommen. Wozu wollen wir uns entscheiden?«
»Lassen Sie die Streitkräfte in Alarmbereitschaft versetzen«, beharrte Admiral Carrell, »damit sie notfalls eingreifen können.«
»Das läßt sich machen«, sagte Aylesworth. »Wir können die führenden Köpfe des Kongresses zusammenrufen, bevor wir weiteres veranlassen.«
»Die Schuld gleichmäßig auf alle verteilen«, knurrte Admiral Carrell.
»So in der Art«, stimmte David Coffey zu.
»Ich werde die Alarmbereitschaft vom Oval Office aus veranlassen.« Er erhob sich, und sogleich taten es ihm die anderen nach. »Mr. Griffin, ich glaube, es könnte nicht schaden, wenn wir uns ein wenig in die Pläne für unsere Zivilverteidigung vertieften.«
»Gewiß, Sir, nur untersteht die Bundesbehörde für den Nationalen Notstand nicht dem Verteidigungsministerium.«
Coffey runzelte die Stirn.
»Sie ist eine unabhängige Organisation, Mr. President«
»Na schön, wenn’s denn sein muß«, knurrte Coffey. Er wandte sich Jim Frantz zu. »Kraft Gesetzes?«
»Nein, Sir, die Behörde wurde per Verordnung geschaffen.«
»Dann erlassen Sie eine Verordnung, die das verdammte Ding dem Nationalen Sicherheitsrat unterstellt. Ted, ich möchte, daß Ihnen die Sache nicht entgleitet. In einer Stunde wird alle Welt Bescheid wissen. Gott weiß, was die Leute anstellen. Bestimmt wird es hie und da Panik geben. Sie alle«, fuhr er fort, »sollten Ihre Ministerien instruieren. Es hat keinen Sinn, die Sache zu verharmlosen. Am besten geben wir ganz offiziell zu, daß sich ein außerirdisches Raumschiff der Erde nähert und daß wir uns bemühen, seine Absichten festzustellen.«
»Mr. President!« Hap Aylesworth war entsetzt.
David lächelte. »Hap, ich weiß, Sie hätten es gern, daß mich die Leute für unfehlbar halten, aber es ist nun einmal nicht so. Das Pentagon verleiht die Unfehlbarkeit mit dem dritten Generalsstern, und im Vatikan schmückt sich der Papst damit, aber dem Präsidenten der Vereinigten Staaten steht sie nicht zu. Ich denke, das Volk weiß das auch, und falls nicht, wird es höchste Zeit, daß die Leute das merken. Wir sagen also einfach die Wahrheit.«
»Ja, Sir.«
»Ich schlage vor, wir treffen uns in zwei Stunden wieder hier.« Coffey wandte sich seinem Stabschef zu. »Jim, Sie alarmieren wohl besser die Krisenzentrale. Es sieht ganz nach einem langen Tag aus.«
3. Flintridge
Rumpelnd setzte sich das Gepäckband in Bewegung und füllte sich aus der Tiefe des Flughafens Dulles International mit Koffern und Taschen.
Gerade als Jenny nach ihrem Koffer griff, schob sich eine füllige Frau in einem gelbgeblümten Kleid mit einem gemurmelten »‘tschuldigung« vor sie und nahm ihr eigenes Gepäckstück vom Band.
Und so einer Fettwalze wie dir soll ich das durchgehen lassen? dachte Jenny. Ihr Versuch, sich an der Dicken vorbeizuschlängeln, scheiterte. Sie setzte an, um etwas zu sagen, überlegte es sich dann aber anders. Es ist sinnlos. Sie mußte eben warten, bis ihr Koffer die Runde auf dem Gepäckkarussell beendete. Mit einemmal tauchte Ed Gillespie auf. Er faßte an der Fülligen vorbei nach dem Koffer, bevor er entschwinden konnte. So schwer er war, er hob ihn mühelos auf.
»Guten Morgen«, begrüßte er Jenny. »Ist das dein ganzes Gepäck?«
»Ja, Sir«, gab sie zurück. Im dunkelblauen Blazer und einer grauen Flanellhose sah er nicht die Spur militärisch aus. Sie lachte leise in sich hinein. »Es kommt nicht oft vor, daß ein General Gepäckträger für mich spielt. Noch dazu ein Astronaut…«
Der Ausdruck, den das Gesicht der üppigen Frau bei dem Wort ›Astronaut‹ annahm, war sehenswert. »Ich hatte nicht mit dir gerechnet«, sagte Jenny.
»Ich bin vor etwa einer Stunde aus Kalifornien angekommen und hab gleich bei Rhonda angerufen. Sie hat mir gesagt, mit welcher Maschine du kommen würdest, und so hab ich auf dich gewartet.«