»Ja, es überrascht einen jedes Mal aufs neue«, sagte Franklin.
Die Öffnung wurde größer und gab den Blick auf ein Rohrgewirr frei. Leitungen mit einer lichten Weite von einem Meter fünfzig erweiterten sich zu Kegeln von sechs Metern Durchmesser. Sie führten durch die RumpfAußenhaut und wiesen in Viererreihen in drei um jeweils neunzig Grad versetzte Richtungen. »Das sind die LageSteuerdüsen. Wir sind jetzt in der oberen BackbordEcke vom Klotz«, sagte Harry. »Noch ist alles schön ordentlich. Ich kann mir jetzt schon vorstellen, wie es nach der Schlacht aussehen wird.«
»Als ich zum erstenmal etwas von ›Dampfleitungen‹ hörte, hab ich mich gefragt, ob ich wohl Kohlen schaufeln muß.«
Harry lachte. »Wollen wir den Querkanal nehmen und auf der anderen Seite wieder runtergehen?«
»Nur zu. Ich weiß sowieso schon nicht mehr, wo wir sind.«
»Achtung! Beschleunige.«
WUMM.
Nikolai lief den anderen voraus. Nach wie vor war die Schwerkraft so gering, daß sie mit gewaltigen Sätzen vorwärtskamen.
Bei mehr Schwerkraft geht es langsamer, dachte Jeri. Es fiel ihr schwer, Schritt zu halten. Die Russen waren offenkundig nicht bereit, ihretwegen das Tempo zu drosseln. Jedesmal, wenn sie an einem der ringförmigen Roboter vorbeikamen, beschlich Jeri Angst. Und wenn das Ding sie nun mit zuckenden Tentakeln verfolgte…?
Sie zogen durch die Kanäle, immer tiefer ins Schiff. Wohin sie nur wollen? Was auch immer ihr Ziel sein mochte, keinen Augenblick zögerte Nikolai an Abzweigungen. Gelegentlich fielen Jeri Markierungen auf. Kyrillische Buchstaben. Natürlich!
»Wir sind da, Genosse Kommandant.«
Obwohl Dmitri das Kommando beansprucht hatte, sprach Nikolai ausschließlich mit Arwid Rogatschow und hörte auch nur auf ihn. Wahrscheinlich kann er den Kommissar ebensowenig leiden wie ich, dachte Jeri.
Der Raum unter ihnen war voller Metallschränke und behälter, doch weit und breit war kein Rüßler zu sehen. Ungeduldig wartete Dmitri darauf, daß sich Nikolai und Rogatschow Zugang verschafften, dann stürzte er sich vor ihnen auf die Behälter, öffnete sie und schleuderte ihren Inhalt achtlos zu Boden.
Auf dem Etikett stet etwas auf russisch. Wo sind… oh!
Dmitri öffnete einen weiteren Behälter. »Hah!« Er griff hinein, holte eine großkalibrige Pistole hervor und suchte eine Weile weiter, bis er Munition fand.
»Das hat dem anderen Amerikaner gehört, Greeley«, sagte Arwid. »Ist noch eine da? Die Amerikaner hatten mehrere und haben mir eine geschenkt.«
»Ja, hier.« Dmitri nahm eine weitere Pistole heraus und gab sie zusammen mit einer Patronenschachtel Arwid.
Nur zwei. Ob Dmitri so gut schießen kann wie ich? Vermutlich sinnlos, ihn danach zu fragen.
Arwid lud die Pistole durch und hielt sie hoch. »Nur gut, daß mein Arm wieder heil ist!« rief er ihr zu.
Und was haben die Rüßler mit dem Bild gemacht? »Ist da noch was? Vielleicht ein Messer? Als sie uns gefaßt haben, hatte ich eine Walther PPK. Ist die dabei?«
»Nein.« Arwid öffnete Wandschränke. Wie Schaufensterpuppen hingen Raumanzüge dort. »Vermutlich ist es zuviel zu erwarten, daß wir gefüllte Atemluftflaschen finden.«
»Kämen wir nicht auch ohne die aus«, fragte Dmitri, »wenn man die Anzüge luftdicht kriegte?«
»Höchstens ein paar Minuten.«
»In der Zeit kann man viele Fithp umbringen«, sagte Dmitri. »Mal sehen, ob sie uns passen.«
Mrs. Woodward schwankte. »Wenn wir an die große Steinplatte rankämen, den Podo Thaktan verehren sie doch, oder? Wir wären sogar sicherer…«
»Sie halten ihn unter Verschluß«, sagte Alice. »Sie schließen außer Küche, Garten und Beisetzungsgrube alles ab. Und in der Grube willst du dich ja wohl nicht verstecken!«
»Pfui Teufel! Was hast du vor?«
Alice löste die großen Flügelmuttern an einem Gitter. »Ich suche Wes. Geh doch mit den Kindern in den Garten. Versteckt euch da!«
»Wozu? Die Rüßler werden ja wohl Kindern nichts tun.«
»Wenn Arwid und die anderen Russen erst mal loslegen, sollte möglichst keiner von uns den Rüßlern unter die Augen kommen.«
»Oh.« Carrie legte schützend einen Arm um die Kinder. »Hör zu, Alice…«
»Um mich mach dir keine Sorgen. Wes braucht mich.«
Carrie nickte zustimmend. »Ich wäre auch meinem John gefolgt. Gott schütze dich.«
»Vielen Dank.«
Ein Tonband trompetete auf fithpisch: »Festhalten, Schub setzt ein!«
Alice tauchte in den Luftkanal. Hinter ihr krallte sich Carrie Woodward in den feuchten Bodenbelag des Gangs, beide Kinder hielten sich an ihr fest.
Eine gewaltige Kraft zerrte an ihr. Alice kämpfte sich durch die Luftkanäle vor. Irgendwo da vorn war Wes Dawson.
Die FithpKrieger gestikulierten wortlos.
Nun denn, dachte Dawson. Sie versuchen immer noch, mich verrückt zu machen. Haben sie es geschafft? Seit wann habe ich mit niemandem mehr gesprochen?
Sie waren nur zu zweit, einer ging vor ihm, und einer hinter ihm. Ich bin gut durchtrainiert. Ich halte mich fit. Ich bin hier bestimmt schon zweitausend Kilometer gelaufen. Außerdem sind und bleiben sie Elefanten. Viel zu klobig und unbeholfen.
Ich bin so schnell wie sie. Ach was, schneller. Ein Sprung zurück, und ich kann dem einen die Knarre wegnehmen! Was wollen sie überhaupt von mir?
Keine Rotation. Beschleunigung nach so langer Zeit. Schub.
Warum sie mich wohl rausgeholt haben?
Eine sanft geneigte Spirale empor ging es zum Bug des Schiffes. Dort betraten sie einen Raum mit Fenstern, den Wes noch nie gesehen hatte… Das also war die Steuerzentrale. Sie war schwach erhellt, vor allem vom Widerschein quadratischer Bildschirme. Außer klappbaren Polstern gab es keine Sitzgelegenheiten, in die Wände waren Halterungen für die Füße der Fithp eingelassen. Jetzt, ohne Rotationsschwerkraft, lagen die Polster flach. Die Veränderung des Schwerefeldes hatte Wes gleich zu denken gegeben. Jetzt wußte er es: Thaktan Flishithy befand sich auf dem Kriegspfad.
Die Krieger, die ihn hergeführt hatten, hielten sich beiseite.
Vier Fithp standen in der Mitte der Kommandobrücke beieinander. Einen von ihnen erkannte er: Takpassihjämp. Ein Fi’ sah sie und bedeutete ihnen näherzutreten. Der Leitbulle? Ja, denn die Krieger schoben Dawson sogleich hin, die Grifflinge um seine Arme gewickelt.
»Dawson«, sagte der Herr der Herde. »Bist du bei klarem Verstand?«
Wes unterdrückte den Impuls, augenrollend mit dem Zeigefinger seine Unterlippe auf und ab schnalzen zu lassen. »Ja, aber das ist nicht dein Verdienst.«
Der Herr der Herde wies auf einen Bildschirm. Die Optik holte ein fernes, verschwommenes Objekt heran. Dawson sah, daß es leuchtendgrün flackerte, dunkler wurde und erneut aufleuchtete. Schwache blaugrüne Fäden zogen von Grifflingsschiffen aus darauf zu.
Mit einer ungeduldigen Bewegung forderte ihn der Herr der Herde auf: »Sieh es dir an und sag mir, was es ist.«
Dawsons Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. »Eine Szene aus Krieg der Sterne«, sagte er. »Wir schlagen zurück!« murmelte er vor sich hin.Hätte ich den Soldaten doch anspringen sollen? Aber nein. Von hier aus wird alles geleitet. Abwarten. Auf die Gelegenheit lauern, ein Gewehr zu ergreifen und…
»Sprich in der Sprache der Thaktanthp, Dawson! Die Zeit ist zu kostbar für sinnloses Gebrabbel. Du hast zu Fathistihtalk gesagt, du weißt, wie man Geräte zur Verwendung im Raum herstellen kann. Jetzt erkläre es mir. Sagst du nichts, werde ich dich in dein Schweigen zurückbringen lassen.«