»Nein, Sir.«
»Derselben Ansicht sind die Leute von der nationalen Wissenschaftsakademie «, fügte der Präsident hinzu. »Zumindest die, derer ich habhaft werden konnte. Man vertritt allgemein die Ansicht, daß das Raumschiff von woanders zum Saturn geflogen sein muß. Bleibt nur noch festzustellen, von wo.«
»Vielleicht können wir sie fragen«, sagte Jenny.
»So seltsam das klingt, daran haben wir auch schon gedacht«, sagte Aylesworth.
»Und? Mit welchem Ergebnis?« fragte Gillespie.
»Nichts.« Aylesworth zuckte die Achseln. »Bisher haben sie keine Antwort gegeben. Immerhin bin ich jetzt überzeugt, daß die Sache ihre Richtigkeit hat, Mr. President.«
»Gut«, sagte der Präsident. »Wenn Sie dann bitte Mr. Dawson und Admiral Carrell hereinbitten würden…«
General Gillespie und Jenny erhoben sich. Wes Dawson kam als erster herein. »Hallo Ed, hallo Jenny,«, sagte er.
»Aha, Sie kennen einander bereits«, sagte der Präsident.
»Ja, Sir«, sagte Ed Gillespie.
»Ach, natürlich«, fuhr David Coffey fort. »Sie haben ja den Kongreßabgeordneten von der Sache informiert. Kennen Sie auch Admiral Carrell?«
»Ja, Sir«, sagte Ed, »aber Miss Crichton wohl nicht.«
Der Admiral näherte sich dem Pensionsalter, und das sah man ihm an. Sein Haar war silbergrau, und um seine Augenwinkel lagen zahllose Fältchen. Er begrüßte Jenny mit kraftvollem Händedruck und fester Stimme. Offenbar wußte er, wer sie war. Als der Präsident alle zum Sitzen aufforderte, ließ er zuerst Jenny sich setzen und nahm dann gleichfalls Platz. »Gute Arbeit, Captain«, lobte er. »Nicht jeder Offizier hätte die Bedeutung dessen begriffen, was Sie gesehen haben.«
Interessant, dachte sie. Gibt er sich mit allen, die er kennenlernt, soviel Mühe? »Vielen Dank, Admiral.«
Dawson hatte den dem Präsidenten zunächst stehenden Sessel genommen. »Wie wird sich der Kongreß dazu stellen, Wes?« wandte sich der Präsident an ihn. »Darf ich mit seiner Unterstützung rechnen, wenn ich den Notstand erkläre?«
»Es wird bestimmt Widerstand geben«, gab Dawson zu bedenken.
»Verdammte Idioten«, knurrte Admiral Carrell.
»Warum meinen Sie, die Außerirdischen könnten uns nicht freundlich gesonnen sein?« wollte Wes Dawson wissen.
»Darüber weiß ich nichts, aber wenn die Sowjetunion mobil macht, ohne daß wir darauf reagieren, wäre das eine Katastrophe. Es könnte sie sogar zu Schritten verlocken, an die sie normalerweise nicht einmal im Traum dächten.«
»Tatsächlich?« sagte Dawson. Es klang mehr nach einer Feststellung als nach einer Frage.
»Werden die Sowjets mobil machen?« fragte der Präsident.
»Darauf soll Captain Crichton antworten«, sagte der Admiral. »Vielleicht glaubt Mr. Dawson eher jemandem, den er kennt.«
»Ja, Sir, das werden sie.« Sie zögerte. »Und wenn wir nichts tun, kann es Ärger geben.«
»Inwiefern?« fragte der Präsident.
»Es hängt mit ihrer Ideologie zusammen, Sir. Sofern sie eine Möglichkeit sehen, die Welt vom Kapitalismus zu befreien, ohne daß ihre Heimat dabei gefährdet ist, wären sie Verräter an ihrer eigenen Doktrin, wenn sie es nicht täten.«
Admiral Carrell fügte hinzu: »Alle unsere Rundfunksendungen werden gestört, und sie haben ihren eigenen Leuten noch nichts über das außerirdische Raumschiff gesagt.«
»Die Sache ist viel zu groß, um sie geheimzuhalten«, sagte Dawson, »oder nicht?«
Erneut wandte sich Admiral Carrell an Jenny. Diesmal nickte er ihr nur zu.
Wollen die mich auf die Probe stellen? überlegte sie. Nun denn, wie auch immer… »Sir, die Ostdeutschen und die Polen kommen bestimmt dahinter. Sofern die Sowjetunion ihre Wirtschaft nicht vollständig ruinieren will, kann sie unmöglich alle Beziehungen zu ihren osteuropäischen Satelliten abbrechen. Also wird die Nachricht früher oder später nach Rußland durchsickern, jedenfalls in die Städte.«
Der Admiral nickte hinter halb geschlossenen Augen.
»Unabhängig davon, was die Russen tun, dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, daß sich das Raumschiff der Erde nähert«, sagte der Präsident. »Vielleicht kommen uns in wenigen Wochen all unsere kleinlichen Streitereien albern vor.«
»Ja, Sir«, sagte Wes Dawson, »sehr albern.«
»Es gibt noch weitere Möglichkeiten«, sagte Admiral Carrell. Obwohl er sehr leise sprach, hörten ihm alle zu – auch der Präsident.
»Welche zum Beispiel?« wollte Dawson wissen.
»Ich kenne sie nicht alle«, sagte Carrell gleichmütig. »Mr. President, ich möchte gern einen Stab von Fachleuten in Colorado Springs zusammenziehen. Eine von dessen Aufgaben wäre es, möglichst viele davon zu durchdenken.«
»Sehr vernünftig«, sagte der Präsident. »Aber warum Colorado Springs?«
»Das Loch«, sagte Admiral Carrell.
NORAD, dachte Jenny. Damit meinte sie das nordamerikanische LuftverteidigungsKommando, dessen Befehlszentrale sich in den tiefsten Tiefen der Granitfelsen des CheyenneBergs befand. Es galt als der sicherste Ort des Landes, obwohl man sich darüber stritt, wie ›gehärtet‹ die Anlage wohl war…
»Wollen Sie selbst auch hin?« fragte der Präsident.
»Nicht auf Dauer.«
»Aber Sie werden zu tun haben. Also brauche ich jemanden, der mich auf dem laufenden hält.« Er sah nachdenklich drein. »Wir sehen uns Schwierigkeiten aus zwei Richtungen gegenüber: vielleicht von den Außerirdischen, und bestimmt von den Sowjets. Captain, Sie kennen die Russen, und Sie haben das Raumschiff entdeckt.«
»Nicht entdeckt, Sir…«
»So gut wie«, sagte der Präsident. »Sie haben seine Bedeutung erkannt. Außerdem haben Sie bereits alle Sicherheitsüberprüfungen hinter sich, sonst wären Sie nicht bei der Nachrichtentruppe.« Er drückte einen Knopf auf dem Tisch, und der Stabschef des Weißen Hauses kam herein.
»Jim«, sagte der Präsident. »Kann ich als Oberbefehlshaber Angehörige der Streitkräfte befördern?«
»Ja, Sir.«
»Gut, dann ernennen Sie diese junge Dame zum Major und gliedern Sie sie in den Arbeitsstab des Weißen Hauses ein. Sie wird mit Ihnen und dem Admiral zusammenarbeiten und mich regelmäßig über alles im Zusammenhang mit den Außerirdischen und den Sowjets informieren.« Er lachte leise. »Major Crichton und General Gillespie als Angehörigen der Streitkräfte darf ich doch sicher ohne den Umweg über die Verwaltung Befehle erteilen?«
»Gewiß«, bestätigte Frantz.
Major Crichton. Einfach so!
»Gut«, sagte der Präsident. »General Gillespie, der Kongreßabgeordnete Dawson möchte den Außerirdischen im Weltraum entgegenfliegen.«
Ed Gillespie nickte. »Ja, Sir.«
»Sie halten das für richtig?«
»Ja, Sir.«
Mit feinem Lächeln dachte Jenny, daß Ed es für noch richtiger hielte, selbst den Außerirdischen entgegenfliegen zu dürfen. Das verstand sie gut, denn auch sie hätte das gern getan.
»Unterstützen Sie ihn dabei!« gebot ihm der Präsident. »Kümmern Sie sich in Houston persönlich um seine Ausbildung! Möglicherweise begleiten Sie ihn bei der Mission, das allerdings hängt von den Russen ab.« Er verzog sein Gesicht ein wenig und sah dann auf die Uhr. »Man erwartet Sie beide drüben im NASAHauptquartier. Ich wollte Sie aber auf jeden Fall vorher sehen, um eine Entscheidungsgrundlage zu haben. Wenn Sie sich beeilen, kommen Sie noch rechtzeitig hin.«
»Ja, Sir.« Ed warf einen Blick zu Jenny hinüber, sagte aber nichts.
Der Präsident erhob sich, und alle folgten seinem Beispiel. »Der sowjetische Botschafter hat eine offizielle Erklärung dafür verlangt, warum eine so bedeutsame Nachricht in einem privaten Telefonanruf und nicht durch offizielle Kanäle weitergegeben wurde«, sagte er. »Eine Ihrer ersten Aufgaben besteht darin, sich zu überlegen, wie man die Sowjets davon überzeugen kann, daß kein Trick hinter der Sache steckt, Major.«