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»Ich eigentlich auch. Aber die Armee glaubt nicht an Außerirdische.«

Narowtschatow nickte. Damit hatte er gerechnet. Das könnte sich als großes Problem für einen Mann erweisen, der schon genug davon hatte. Der Vorsitzende sah alt und müde aus. Und was, wenn…?

Als hätte der Vorsitzende seine Gedanken gelesen, fuhr er fort: »Ihre letzte Beförderung liegt schon sehr lange zurück, Nikolai Nikolajewitsch, mein Freund. Ich möchte, daß Sie den Posten des Ersten Sekretärs übernehmen. Wir werden den Genossen Majarowin ins Politbüro erheben, wo er in Ehren vor sich hinrosten kann.«

»Aber ich bitte Sie…«

»Doch. Gerade jetzt ist das richtig. Nikolai Nikolajewitsch, ich hoffe schon lange, mich als erster Führer der Sowjetunion ehrenvoll zur Ruhe setzen zu können. Vielleicht tue ich das eines Tages auch, aber erst, wenn ich das Amt einem Würdigen übergeben kann. Sie sind der Getreueste, den ich kenne.«

»Ich danke Ihnen.«

»Nein wirklich, es ist die Wahrheit. Aber vielleicht bin ich nicht mehr lange bei Ihnen, mein Freund. Die Ärzte sagen…«

»Unsinn.«

»Keineswegs. Doch bevor ich dahingehe, hoffe ich etwas noch nie Dagewesenes zu erreichen, nämlich Stabilität für unser Land, die Möglichkeit, daß unsere Besten ihm dienen können, ohne um ihr Leben zittern zu müssen.«

Das hatte es unter den Zaren nie gegeben, und auch nicht unter Lenin. So war Rußland nun einmal. »Dafür sind Gesetze erforderlich, Anatoli Wladimirowitsch. Bürgerliche Länder haben Gesetze, wir hingegen…« Er zuckte beredt die Achseln.

»… hatten Terror. Das ist keine Lösung. Sie werden sich kaum an die Zeit Stalins erinnern, mir aber steht sie nur allzugut vor Augen. Chruschtschow hat sich selbst ausgelöscht, indem er versuchte, die Erinnerung an Stalin auszulöschen, und diesen Fehler werden wir nie wieder begehen. Doch er hatte recht, der Mann war ein Ungeheuer. Selbst Lenin hatte vor ihm gewarnt.«

»Er hat getan, was nötig war«, sagte Narowtschatow.

»Auch wir werden das tun, wie bisher auch. Aber genug davon. Was sollen wir bezüglich des außerirdischen Raumschiffs tun?«

Narowtschatow hob die Schultern. »Die Armee macht mobil. Die Raketenstreitkräfte werden auf volle Kampfstärke gebracht, und wir bauen neue Weltraumwaffen.« Er runzelte die Stirn. »Ich weiß noch nicht, was die Amerikaner tun werden.«

»Ich auch nicht«, sagte der Vorsitzende. »Vermutlich dasselbe wie wir.«

Hoffentlich, dachte Narowtschatow. Falls nicht… Nun, immer und überall gab es ehrgeizige junge Offiziere, die bereit waren, einen Krieg vom Zaun zu brechen, wenn sie glaubten, daß sie ihn gewinnen könnten. »Wir haben auch den Kommandanten von Kosmograd von der Sache in Kenntnis gesetzt. Ich wüßte nicht, was ich sonst noch tun könnte.«

»Das genügt aber nicht«, sagte der Vorsitzende. »Was beabsichtigen diese Außerirdischen? Was könnte sie zu uns führen, über Milliarden von Kilometern? Immer vorausgesetzt, es handelt sich um Außerirdische und nicht um irgendeinen Humbug der CIA.«

Schon wieder? »Gemessen an einem solchen Humbug würde unser Raumfahrtprogramm wie Kinderspielereien erscheinen. Es sind bestimmt Außerirdische, und das Raumschiff besitzt einen Antrieb. Eher glaube ich an ein durch den Weltraum fliegendes Tier mit einer Rakete im Hintern als an einen Trick der CIA. Es ist mit Sicherheit ein interstellares Raumschiff, Anatoli Wladimirowitsch.«

»Das denke ich auch«, sagte der Vorsitzende. »Nur fällt es mir schwer, daran zu glauben. Was wollen diese Wesen? Niemand würde so weit reisen, nur um etwas zu erkunden. Bestimmt haben sie Gründe dafür, daß sie herkommen.«

»Sicherlich. Aber ich kenne diese Gründe nicht.«

»Die werden wir wohl erst erfahren, wenn sie bereit sind, sie uns zu nennen. Wir wissen zuwenig über all das.« Petrowski musterte Narowtschatow mit einem bauernschlauen Blick. »Ihre Tochter hat einen Raumfahrtwissenschaftler geheiratet. Ein kluger Mann, Ihr Schwiegersohn. Klug genug, um regierungstreu zu sein, und intelligent genug, um zu verstehen, was Ihre Beförderung zum Ersten Sekretär für ihn bedeutet.«

»Ja.«

»Jemand muß unsere Maßnahmen koordinieren und kommandieren. Wer?«

Er meint etwas Bestimmtes, dachte Narowtschatow. Immer meint er etwas, das er nicht sagt. Er ist gerissen, manchmal zu gerissen für mich, denn ich verstehe ihn nicht.

Wer sollte kommandieren? Die Nachricht, daß sich ein Raumschiff der Außerirdischen näherte, hatte im Kreml eine Art Panik ausgelöst. Alle waren aufgeregt, und das empfindliche Gleichgewicht im Politbüro war in Gefahr. Wer konnte kommandieren? Narowtschatow zuckte die Schultern. »Ich hatte gedacht, Marschall Ugatow…«

»Gewiß wird die Armee Vorschläge machen, und wir werden sie uns ebenso anhören wie die vom KGB.« Der Vorsitzende sah nach wie vor nachdenklich drein.

Was hat er vor? Der Verteidigungsrat tagt in einer Stunde. Die Spitzen von Heer und KGB. Der Oberste Parteitheoretiker. Außerdem der Vorsitzende Petrowski und ich, weil mich Petrowski zu seinem Mitarbeiter ernannt hat. Bei der Zusammenkunft wird alles geklärt, dann kommt die Sitzung des gesamten Politbüros, und anschließend wird sich das Zentralkomitee hinter unsere Beschlüsse stellen. Nur – was werden wir beschließen? Er sah zu Petrowski hin, doch der Vorsitzende schien aufmerksam in einem Dokument auf seinem Schreibtisch zu lesen.

Was wollte Anatoli Wladimirowitsch? Die Sowjetunion wurde von einem Dreigespann aus Spitzenvertretern der Armee, des KGB und der Partei regiert. Wohl war die Partei dessen schwächstes Glied, doch zugleich hatte sie die größte Machtfülle, weil sie Beförderungen in den beiden anderen Organisationen steuern konnte. Andere Systeme waren erprobt worden, mit nahezu katastrophalen Ergebnissen. Nach Stalins Tod hatten Partei und Armee vor Beria Angst gehabt, dessen NKWD so mächtig gewesen war, daß er einmal in wenigen Wochen fast das gesamte Zentralkomitee kaltgestellt hatte.

Partei und Armee hatten sich verbündet, um der Bedrohung entgegenzuwirken. Damit, daß man Beria mitten aus einer Politbürositzung gezerrt und erschossen hatte, war die Spitze des NKWD liquidiert worden.

Plötzlich sah sich die Partei der von allen Banden befreiten Armee gegenüber, und was sie sah, gefiel ihr überhaupt nicht. Das Militär war in der Bevölkerung beliebt, und es konnte das Volk auf seine Seite bringen. Falls je die Herrschaft der Partei endete, würde nicht die Armeeführung wegen Landesverrats erschossen. Die Armee wäre sogar imstande, die Partei kaltzustellen, wenn sie die Möglichkeit bekam, ihre Kräfte ungehindert zu entfalten.

Da man das keinesfalls zulassen durfte, wurde das NKWD wiedereingesetzt. Man nahm ihm zahlreiche seiner Vollmachten, teilte es in die zivile Miliz und den KGB auf und ließ es zu keinem Zeitpunkt seine einstige Stärke wieder erreichen. Dennoch war es erneut mächtig geworden wie eh und je. Seine Agenten konnten beschuldigen und in ihre Dienste nehmen, wen sie wollten. Seine Arme reichten weit: bis hinauf zu den Spitzen im Kreml, im Politbüro, in der Partei und in der Armee. Wieder einmal änderten sich die Bündnisverhältnisse…

Hier, in diesem Raum, war Herkunft unerheblich. Hier wie im Politbüro selbst war die Wahrheit bekannt. Keine der drei Gewalten durfte die Möglichkeit bekommen, über die anderen zu triumphieren. Armee, Partei und KGB: alle drei mußten stark sein, um das Kräftegleichgewicht aufrechtzuerhalten. Das, und nichts anderes, war das Geheimnis der Herrschaft über Rußland.

Petrowski war ein Meister in dieser Kunst, und jetzt wartete er. Der Hinweis, den er gegeben hatte, war deutlich.

»Ich halte Akademiemitglied Bondarew für überaus geeignet, uns zu beraten und während dieser Krise an der Spitze unseres Raumfahrtprogramms zu stehen«, sagte Narowtschatow. »Sofern Sie damit einverstanden sind, Anatoli Wladimirowitsch.«

»Diese Empfehlung scheint mir passend«, gab Petrowski zurück. »Ich denke, wir sollten bei der Zentralkomiteesitzung das Akademiemitglied Bondarew vorschlagen. Selbstverständlich wird der KGB darauf bestehen, seinen eigenen Mann in diese Stellung zu bringen.«