»Mhm. Vielen Dank, Vicki. Ah… ich meld mich dann wieder, ja?«
»Unbedingt. Wir müssen ja noch gemeinsam die Ausrüstung überprüfen und feststellen, was David dagelassen hat und was du mitnehmen mußt. Ich helf dir gern dabei.«
»Danke. Hier ist ziemlich viel. Ich such alles raus. Vielen Dank, daß ihr mich dabeihaben wollt.«
»Ist doch selbstverständlich. Also dann.«
Jeri legte auf und zupfte nachdenklich an ihrer Unterlippe.
Außerirdische. Sie würden bald da sein.
Und sie hatten sich in der Nähe des Saturn versteckt gehalten, ohne Hinweis auf ihre Gegenwart, über ein Dutzend Jahre lang. Spricht das für friedliche Absichten?
Spiel jetzt nicht verrückt, mahnte sie sich. Aber immerhin, mochte es ratsam sein, sich nicht in einer Großstadt aufzuhalten, wenn sie kamen – vorsichtshalber.
Einmal hatte sie George und Vicki mit David und Melissa im Haus der WagenburgGruppe in Bellingham im äußersten Nordwesten der Vereinigten Staaten im Staat Washington besucht. Hübsch war es gewesen, ein schöner Urlaub…
Ihr letzter gemeinsamer Urlaub. Einen Monat später war David nach Colorado versetzt worden.
»Immerhin eine mächtige Gehaltserhöhung«, hatte er voll freudiger Erregung gesagt.
»Und was ist mit meiner Stelle?«
»Was soll damit sein, Jeri? Du mußt doch nicht arbeiten.«
»Schon, David, aber ich möchte.« Als Melissa eingeschult wurde, wollte Jeri etwas zu tun haben und arbeitete als freie Lektorin für einen Großverlag an der Westküste. Sie bewährte sich, ihre frühere Erfahrung kam ihr dabei zugute. Nach einem Jahr hatte sie Glück gehabt und eine Autorin entdeckt, die viel Hilfe mit ihrem ersten Roman brauchte, gutes Zureden, Händchenhalten, und das Manuskript mußte auch stark redigiert werden. Das Buch landete sofort auf der BestsellerListe.
Danach wurde Jeri fest angestellt. »Ich bin da unabkömmlich.«
»Das bist du bei mir. Und bei Melissa.«
»David…«
»Jeri, es ist wirklich eine ganz unglaubliche Beförderung.«
Wie dumm von mir. Und von ihm. Warum konnte er mir nicht gleich sagen, daß sie ihn raussetzen würden, wenn er sich nicht versetzen ließ? Daß es viele eifrige junge Erdölgeologen gibt und die Großunternehmen lieber einen frisch Diplomierten einstellen als einen, der schon lange nichts mehr mit der Theorie zu tun hatte…?
Er hat sich geschämt. Sie wollten ihn gar nicht mehr, aber er hat es nicht fertiggebracht, mir das zu sagen. Und bitten mochte er mich auch nicht.
Der Teufel soll es holen, ich habe ihn gebeten! Aber das ist nicht wirklich dasselbe. David, David, warum nur kann ich dich nicht einfach anrufen und sagen, daß ich zu dir komme…
Warum eigentlich nicht?
Ein herrlicher Frühlingshimmel lag über Washington. Trotz der Neuigkeit war es in der Stadt überraschend ruhig. Ihre Bewohner ließen sich nicht so ohne weiteres aus der Fassung bringen.
Roger Brooks ging zu Fuß vom NASAHauptquartier zum Weißen Haus. Für ihn war die Pressekonferenz der NASA unergiebig gewesen. Bei dem Kongreßabgeordneten Wes Dawson war das etwas anderes: er durfte zur Kosmograd hinauffliegen, der Raumstation der Sowjets, um von dort die Ankunft der Außerirdischen zu beobachten, großartig. Vielleicht sprang dabei sogar eine Geschichte heraus, aber um den Nachrichtenteil kümmerte sich Jose Mavis. Außerdem war noch reichlich Zeit, um Hintergrundmaterial zu sammeln.
Einen Augenblick lang hatte er gedacht, er habe etwas. Jeanette Crichton entdeckt den Satelliten, und Wes Dawson geht mit der Neuigkeit zum Präsidenten. Nur die wenigsten würden die Verbindung zwischen Linda Crichton Gillespie und Carlotta Dawson erkennen. Er dachte immer noch über die Sache nach, als die Presseleute der NASA sie bereits in allen Einzelheiten schilderten. Captain Crichton ruft ihren Schwager, den General, an, dieser benachrichtigt den Abgeordneten Dawson, der seinerseits den Präsidenten aufsucht. Da lag alles offen für jedermann zutage, und jeder konnte es sehen. Mist!
Zu Fuß dauerte es zum Mayflower gut zwanzig Minuten. Trotzdem erreichte Roger es vor der verabredeten Zeit. Die Grillstube des Restaurants lag günstig, auch wenn man dort nicht besonders gut aß. Viel lieber wäre Roger in eins der französischen Restaurants in der Nähe der KStreet gegangen, aber heute traf er mit John Fox zusammen, und den bekam man in kein Feinschmeckerlokal, ganz gleich, wer bezahlte. Roger bestellte ein Glas Weißwein und lehnte sich zurück, während er auf seinen Gesprächspartner wartete.
Ohne Jackett und Krawatte hat ein Mann nirgendwo in Washington Zutritt, und so hatte sich auch Fox verkleidet: grauer Anzug mit sehr dezenter Krawatte. Mit diesem Aufzug aber hätte er niemanden hinters Licht führen können – seine Manschetten verrieten ihn, sie schlackerten ihm förmlich um die Handgelenke. Dürr wie ein Frettchen, mit knochigen Schultern und sichtbaren Muskeln sogar auf den Handrücken und im Gesicht, wirkte John Fox wie jemand, der gerade aus der Wüste zurückkehrt.
Roger quetschte sich hinter seinem Tisch hervor, um ihm die Hand zu schütteln. »Wie geht’s, John? Schon gehört?«
»Ja.« Sie nahmen Platz. »Ich bin erstaunt, dich hier zu sehen.«
Das war nun tatsächlich nicht der Tag, an dem ein wildgewordener Naturschützer die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erregen konnte! Roger hatte mit dem Gedanken gespielt, sich Nachrichten über das »Raumschiff der Außerirdischen« zu beschaffen. Aber wer etwas wußte, würde jedem alles erzählen, der zuhörte, es konnte also höchstens um Brosamen gehen, die von der Herren Fachleute Tische fielen.
Eine Weile hatte Roger über die Sache nachgedacht. Außerirdische, die vom Saturn kamen. Das ergab keinen Sinn. Bestimmt irgendein mieser Trick. Wahrscheinlich steckte die CIA dahinter. Als er in dieser Richtung nachforschen wollte, empfing ihn geradezu ein Sperrfeuer ungeheuchelter Verblüffung. Sofern die Ankündigung des Präsidenten versteckte Geheimnisse enthielt, würde er die keinesfalls in wenigen Sekunden entschleiern. John Fox hatte Roger auch schon früher mit Material versorgt.
Also sagte Roger: »Wenn ich mal ‘ne Verabredung mit jemandem nicht einhalte, der mir eine Nachricht liefern kann, ruf die Polizei an, dann hat man mich entführt. Und jetzt sag mir, was du in Washington treibst. Ich weiß doch, daß du dich in keiner Stadt wohl fühlst.«
Fox nickte. »Hast du gehört, was sie mit dem Porzellansee vorhaben?« Auf Brooks’ verständnislosen Blick hin erläuterte er: »Der lange Strahl.«
Zuerst sagte ihm auch das nichts, doch dann fiel es ihm ein – ach so, die MikrowellenEmpfangsstation. Ein Sonnenkraftwerk auf einer Erdumlaufbahn brauchte einen ortsfesten Empfänger. »Es ist nur eine Versuchsanlage. Sie beansprucht nicht mal ‘nen halben Hektar.«
»Sicher. Das Kraftwerk auf der Umlaufbahn bedeckt bloß zweieinhalb Quadratkilometer Himmelsfläche und liefert allerhöchstens tausend Megawatt, selbst wenn alles funktionieren sollte. Begreifst du nicht, worum es bei Versuchsanlagen geht? Wenn es klappt, wird es in größerer Ausführung gebaut, und dann ist eines Tages der ganze Himmel voller Silberrechtecke. Ich mag den Himmel! Ich mag auch die Wüste. Es mußwas dagegen unternommen werden.«
Roger zuckte die Achseln.
»Auf jeden Fall dachte ich, hier könnte ich was erreichen, und bin extra mit der Nachtmaschine rübergekommen. Aber außer dir hält hier kein Mensch Verabredungen ein.« Er hob den Blick zur wartenden Kellnerin. Beide gaben ihre Bestellung auf.