Brooks machte sich aus reiner Gewohnheit Notizen. Natürlich hielt an einem solchen Tag niemand Verabredungen ein! Schließlich warenAußerirdische unterwegs. »Angeblich will man damit saubere Energie gewinnen«, sagte Roger, »damit es keinen sauren Regen mehr gibt.«
Fox schüttelte den Kopf. »Das klappt nie. Je mehr Energie die Menschen zur Verfügung haben, desto mehr verpulvern sie. Natürlich braucht ein Elektrorasierer nicht viel Strom, aber was ist mit der Energie, die man braucht, um das verdammte Ding herzustellen? Und dann wird es nach ein paar Jahren weggeschmissen.
Je mehr Strom wir produzieren, desto fester etabliert sich die Wegwerfgesellschaft. Niemand tut etwas, um wirklich mit der Energie hauszuhalten. Nichts darf lange halten. Roger, ganz gleich, wie sauber etwas hergestellt wird, Umweltverschmutzung gibt es immer. Die lernen erst dann, ohne auszukommen, wenn sie das müssen.«
»Schön.« Brooks machte weiter Notizen. »Also, die neue Methode verschandelt die Wüsten mit Müll, versperrt den Blick auf die Sterne und zementiert unsere schlechten Gewohnheiten. Was ist außerdem daran zu bemängeln?«
Roger Brooks hörte nur mit halbem Ohr zu, während Fox seine Argumente vortrug. Neue waren nicht darunter. Wegen dieser Sache war Roger ohnehin nicht hergekommen. Zwar war Fox ein geschickter Argumentierer, aber die wirklich guten Geschichten würde Brooks erst bekommen, wenn er erfuhr, wie Fox gegen die Sache vorzugehen gedachte. Er hatte treue Anhänger, die bereit waren, sich an die Zufahrtstore vor Atomkraftwerken zu ketten oder den Verkehr auf den Straßen Washingtons lahmzulegen.
Heute aber würden nicht einmal seine Freunde Fox zuhören.
Ich tue es ja auch nicht, dachte Roger. Die Sache versprach keine Schlagzeilen. Brooks war versucht, sein Notizbuch wegzustecken, sagte statt dessen aber: »Das könnte sich morgen oder im Laufe des Tages als völlig unerheblich erweisen. Hast du mal überlegt, welche Art von Energie ein interstellares Raumschiff als Antriebsquelle benutzt? Wenn uns die Außerirdischen ihr Geheimnis verraten, könnte es sein, daß die Sonnenkraftwerke auf der Erdumlaufbahn selbst auf uns wie ein Stück Holz wirken, das man zum Feuermachen reibt.«
Fox schüttelte den Kopf. »Womöglich verstehen wir überhaupt nicht, was die benutzen. Außerdem ist es vielleicht viel umweltfeindlicher als alles, was wir haben. Jedenfalls ändert sich für uns deswegen in naher Zukunft nichts. Was auch immer das Licht am Himmel für uns tun mag, das Programm mit dem langen Strahl geht weiter, bis ich was dagegen unternehme. Und das werde ich. Ich hatte heute einen Termin bei Senator Bryant. Er hat ihn abgesagt. Jetzt muß ich eben warten.«
Brooks notierte: »John Fox ist der einzige in der Hauptstadt, der sich nicht die Bohne aus der Ankunft eines interstellaren Raumschiffs macht.«
»Hätte ich doch nur etwas mehr für dich«, sagte Fox. »Ich dachte, ich könnte dir was liefern.«
»Macht nichts.«
»Tu nicht so scheinheilig«, sagte Fox. »Du bist genauso verrückt und besessen wie ich.« Er hob die Hand, als Roger protestieren wollte. »Ist doch wahr. Mir geht nichts über meine Wüsten, und dir nichts darüber, deine Nase in alles mögliche zu stecken. Ich würde dir helfen, den PulitzerPreis zu kriegen, wenn ich das könnte. Du warst immer anständig zu mir.« Er lachte leise vor sich hin. »Aber heute ist kein guter Tag dafür. Heute haben alle nur Augen und Ohren für das verdammte Raumschiff. Glaubst du tatsächlich daran?«
»Na hör mal! Du weißt doch von dem weiblichen Heeresoffizier da auf Hawaii? Sie hat es selbst gesehen, und ich kenne sie. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß sie sich in irgendwelche Machenschaften reinziehen läßt. Nein, die Sache ist bestimmt einwandfrei.«
»Möglich.«
Fox grinste breit. »Wir werden ja sehen.«
Jenny sah sich befriedigt in ihrem Büro mit den schäbigen Möbeln um. Zum Glück waren es nicht besonders viele, denn keinesfalls hätten mehr in dem fensterlosen Kellergelaß Platz gefunden. Es enthielt einen Schreibtisch, auf dem das Telefon stand, einen kleinen Schreibmaschinentisch, drei Sessel und einen schweren stählernen Aktenschrank mit einem Sicherheitsschloß. Es hatte geheißen, man werde ihr noch ein Bücher- und Aktenregal hineinstellen, aber das war bisher ebensowenig aufgetaucht wie das Datensichtgerät.
Es war ein Kellerraum, aber er lag im Weißen Haus – das war eine Menge wert.
Das Telefon klingelte.
»Major Crichton«, meldete sie sich.
»Jack Clybourne.«
»Oh. Hallo.« Er war ihrer Einladung zum Kaffee gefolgt, nachdem er sie nach Hause gefahren hatte. Sie hatten sich hinaus in den Wintergarten gesetzt, und als sie auf die Uhr sah, stellte sie fest, daß zwei Stunden vergangen waren. Das war ihr schon seit Jahren nicht widerfahren.
»Selber hallo. Ich hab nur ganz kurz Zeit. Wie wär’s mit Abendessen?«
Tante Rhonda rechnete damit, daß sie in Flintridge aß. »Woran hast du gedacht?«
»Ein afghanisches Restaurant. BasmatiReis und Lamm vom Grill.«
»Klingt verlockend. Allerdings…«
»Ich ruf dich zu Hause an. Es ist nicht schlimm, wenn du nicht kannst. Dann würg ich eben ‘nen Hamburger runter.«
»Eine Selbstmorddrohung für den Fall, daß ich nicht mit dir esse?«
»Ich muß jetzt weg. Ich ruf dich wieder an.«
»Du hast doch meine Nummer noch gar nicht«, sagte sie.
»Keine Sorge. Wir haben unsere Methoden. Tschüs!«
Sie legte auf. Heiliger Bimbam, mir ist ganz wirbelig im Kopf. Ich muß wohl was essen. Ich hatte tatsächlich an ihn gedacht, kurz bevor es klingelte.
Der private Apparat auf Wes Dawsons Schreibtisch steckte in einem ledernen Gehäuse. Er klingelte leise.
»Ja?« meldete sich Carlotta.
»Ich bin’s.«
»Wie geht’s in Houston?«
»Es ist heiß, feucht und windig. Ich wohne im Hilton Edgewater, Zimmer 2133.«
Sie notierte sich die Zimmernummer.
»Du fehlst mir schon jetzt«, sagte er.
»Wer’s glaubt. Wahrscheinlich hast du längst eine Schnecke aus Texas aufgegabelt.«
»Wenn ich ehrlich sein soll, zwei.«
»Paß bloß auf, ich komm dir auf die Schliche.«
»Klar doch. Kannst du Andy bitten, daß er sich um meine Ausschußarbeit kümmert?«
»Schon geschehen. Für was für eine Art von Sekretärin hältst du mich eigentlich?«
»Mittelprächtig.«
»Hmm. Mach nur so weiter, und ich verlange Gehaltserhöhung. Ich vermute, daß man in Houston von nichts anderem als den Außerirdischen redet?«
»Das kann man wohl sagen«, bestätigte Wes. »Sogar im Fernsehen gibt es nichts als Witze über Außerirdische. Manche sind nicht mal schlecht. Die Stimmung im Land scheint ganz gut zu sein.«
»Kommt mir auch so vor. Trotzdem habe ich Wilbur beauftragt, sich im Wahlkreis ein bißchen umzuhören«, sagte Carlotta. »Bis jetzt allerdings ist nichts dabei herausgekommen. Nicht einmal Anrufe, außer von Mrs. McNulty.«
»Ja, die schwebt wahrscheinlich im Siebten Himmel.« Mrs. McNulty rief durchschnittlich einmal pro Woche ›ihren‹ Abgeordneten an, gewöhnlich mit der flehenden Bitte um Schutz vor fliegenden Untertassen. »Weißt du, ich bin hier in ein ziemlich enges Zeitkorsett eingespannt. Aufstehen vor Tag und Tau. Und dann auch noch Fitneßübungen! Pfui Teufel!«
»Das wird schon gutgehen. Du bist ja schließlich in Form«, sagte Carlotta.
»In einem Monat sieht das noch viel besser aus. Ich werde gefallen.«
»Schön. Ruf mich morgen wieder an!«
»Mach ich. Und danke, Carlotta.«
Sie lächelte, als sie auflegte. Er hatte »danke« gesagt. Danke, daß du dich um alles kümmerst und mich in den Weltraum fliegen läßt… Seit sie Wes kannte, war er geradezu verrückt nach dem Weltraum gewesen. Er hatte sich sogar als Mondsiedler eingetragen und war aus allen Wolken gefallen, als sie ihm mitteilte, ein Leben auf dem Mond komme für sie nicht in Frage. Sie hatte richtig Angst bekommen, als sie ihn damals gesehen hatte: Hätte er eine Gelegenheit gehabt, wäre er bestimmt ohne sie gegangen.